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Es war sicher nicht unfreundlich gemeint gewesen, aber es traf die dünne Stelle in Tungdils Gemütspanzer. Seine Miene verschloss sich. »Ich bin zufrieden mit dem, was ich bekomme.« Er nahm sich vom Braten, schlug die Zähne ins Ziegenfleisch; die braunrötliche Soße rann ihm blutgleich in die langen, verfilzten Gesichtshaare. Sein unwirsches Verhalten strafte seine Worte Lügen.

»Habt ihr schon Nachwuchs?«, erkundigte sich Gla'imbar, ohne zu ahnen, dass er die nächste Kerbe traf. »Wer weiß, wann wir die nächsten Helden benötigen, und wenn es eure Kinder...«

Tungdil warf das Stück Fleisch kraftvoll zurück auf den Teller, wischte sich den Mund mit dem Ärmel des Kettenhemdes ab und stürzte sein Bier hinunter. Gleich darauf winkte er einen Zwerg herbei, damit dieser ihm nachschenkte. »Wenn es recht ist, erzähle mir, weshalb du mich hast rufen lassen, Großkönig Gandogar«, sagte er und wechselte damit den Gegenstand der Unterhaltung so nachdrücklich, dass es selbst der Begriffsstutzigste verstand.

Glaimbar und der Großkönig wechselten rasche Blicke. »Wie ich vorhin schon erwähnte, ist es sehr ruhig hier geworden, Tungdil«, sagte der König und aß weiter. »Das macht mich stutzig.«

»Zu Recht«, fügte Gandogar an. »Wir haben im Braunen Gebirge seit einem Sonnenzyklus einen regen Ansturm von Orks, die mit aller Macht über die Pässe drängen, als sei die Macht des Guten hinter ihnen her.« Er bekam die Süßspeise gereicht. »Aber am Steinernen Torweg ist es still wie in einer Grabkammer.« »Wir könnten die Tore seit vier Zyklen offen stehen lassen, es würde nichts geschehen«, setzte Glaimbar hinzu. Tungdil erkannte die Nachspeise sogleich und orderte sie für sich selbst. Es war eine süße, helle Creme, wie er sie bei den Freien in der Stadt Goldhort gegessen hatte. Im Haus der Zwergin Myr, die Verrat begangen und mit dem Leben bezahlt hatte. Die er geliebt hatte.

Die Wahl war ein Fehler gewesen. Der erste Löffel brachte die Erinnerung zurück, die bitter schmeckte und ihm den Genuss auf der Zunge verdarb. Wieder langte er nach dem Bier.

»Das ist in der Tat ungewöhnlich«, raunte er mehr, als dass er sprach. Er hüstelte und würgte die Bilder aus der Vergangenheit hinunter. Man benötigte viel Bier, um solche Bilder zu schlucken, und noch mehr, um sie am Aufsteigen zu hindern. »Habt ihr Späher ausgesandt?«

»Nein«, antwortete Glaimbar . »Wir wollten keine schlafenden Oger wecken, solange wir die Befestigungsanlagen hier und auf der anderen Seite nicht instand gesetzt und weiter ausgebaut haben.« »Deswegen bist du hier. Wir dachten an eine kleine Einheit und an dich, Tungdil Goldhand«, übernahm Gandogar. »Du warst schon einmal im Jenseitigen Land, wie mir berichtet wurde.« Seine Hand deutete auf die Axt des Helden, die neben dem Stuhl ruhte. »Du besitzt die Feuerklinge, die alles bezwingt, was dir begegnen könnte. Du bist der beste Anführer für ein solches Unterfangen.«

Tungdil schob die gefüllten Teller von sich und begehrte einen dritten Humpen Bier. Er war dazu übergegangen, seinen Hunger mit Gerstensaft zu stillen. Wie so oft in den vergangenen Zyklen. »Ja, Großkönig, ich war schon im Jenseitigen Land. Ungefähr einen Sonnenumlauf lang. Es war neblig, ich habe drei Krieger gegen Orks verloren, und in einer Höhle habe ich eine Rune entdeckt, die ich nicht entziffern konnte. Den Ausflug war es nicht wert.« Er stürzte das Bier hinab, setzte den Humpen ab und rülpste unterdrückt. »Du musst zugeben, meine Erfahrung ist nicht sehr groß.«

»Nichtsdestotrotz benötigen wir Gewissheit, was dort vor sich geht.« Der Großkönig klang nicht danach, als akzeptierte er eine Ablehnung, nicht einmal eine angedeutete. »Ich möchte, dass du morgen zum Steinernen Torweg aufbrichst und eine Gruppe der besten Krieger ins Jenseitige Land führst, um nach dem Rechten zu schauen.«

Tungdil hatte den vierten Humpen zum Mund geführt, senkte ihn aber wieder. »Es ist neblig, Großkönig. Du kennst Nebel. Wie viele Arten von Grau soll ich dir beschreiben, wenn ich zurückkehre?«

»Warte es ab, Tungdil Goldhand.« Glaimbar verzehrte seine Nachspeise betont langsam. »Du wirst dich vielleicht beim Großkönig entschuldigen müssen, weil es dort vor Ungeheuern wimmelt, die sich zusammenrotten.«

Tungdil widmete sich wieder seinem Bier und betrachtete dann Glaimbar . Er wollte ihn also ins Jenseitige Land schicken. Vielleicht war es mit der Versöhnung doch nicht so weit her, wie er vorhin getan hatte? Wegen seiner misstrauischen Gedanken schalt er sich selbst einen Gnom.

Mit einem Fluch setzte er das Bier ab. »Verzeih mir meinen ungebührlichen Ton, Großkönig Gandogar«, sagte er milder und leise. »Selbstverständlich gehe ich zum Nordpass.« An Glaimbar gewandt: »Es würde mich sogar freuen, auf Tions Geschöpfe zu stoßen. Wenn ich im Kampf den Tod finden sollte, ist es mir auch Recht! Denn...« Er presste die Lippen aufeinander. »Entschuldigt, ich bin zu müde, um ein guter Gesellschafter zu sein.« Er stand auf, verneigte sich vor den beiden Herrschern, langte nach dem Humpen und verließ den Saal.

Die Zwerge folgten ihm mit ihren Blicken, schweigend und kauend. Niemand sprach, um die geballten Zweifel an dem einstigen Helden nicht laut werden zu lassen.

Gandogar betrachtete besorgt die vollen Teller, die Tungdil zurückgelassen hatte. »Etwas hat ihn verändert.« »Was hat ihn verändert?«, setzte Gla'imbar hinzu. »Mein Gefühl sagt mir, dass Balyndis etwas damit zu tun hat.« »Er wird am Steinernen Torweg jemanden finden, mit dem er darüber reden kann. Jemand, der ihm näher steht als wir beide.« Er nahm einen Schluck Bier, während Gla'imbar ihn erstaunt anblickte.

»Er kommt?«

»Nein«, kam die großkönigliche Stimme hohl aus dem Humpen. Gandogar blinzelte über den Rand hinweg, setzte ab, schwenkte das Gefäß, um den Schaum von den Rändern zu spülen, und schüttete den Rest Bier die Kehle hinab. »Er ist schon hier, guter Gla'imbar.«

Das Geborgene Land, im Roten Gebirge an der Ostgrenze des Reichs der Zweiten, 6241. Sonnenzyklus, Frühling.

Fidelgar Schlagkraft, ein Zwerg von guter Statur und mit einem hellblonden Bart, setzte sich, nahm das kleine Metallkästchen aus seinem Rucksack und stellte es vor sich auf den Steintisch. Er hatte den ersten Teil seines Rundgangs beendet und gönnte sich in der weitläufigen Kaverne, deren hohe Decke von Säulen gestützt wurde, eine Rast. Hier waren einst die Loren auf die Schienen gesetzt worden, doch in diesen Umläufen gab es wenig Bedarf an den Karren. Er hatte die Gänge zu überprüfen, und die Wege zogen sich. Baigar Vierhand, der an einem umgedrehten Karren mit Hammer und kleinen Häkchen hantierte, schaute zu ihm. Sein brauner Bart hing in zwei langen Zöpfen über der Schulter, damit er nicht in die Glut der Esse geriet. Neben ihm stand eine kleine Schmiede, wie sie von fahrenden Handwerkern benutzt wurde. Sie genügte, um kleinere Arbeiten zu verrichten. »Na, alles ruhig?«, fragte er ihn und schaute neugierig auf das Kästchen.

»Nachdem ich vier Orks erschlagen und einen Troll besiegt habe, ja«, gab er flachsend zurück und nahm eine Trinkflasche heraus, auf der das Zeichen für Gold eingraviert war, sowie zwei kleine Becher. »Nein, es hat sich gar nichts getan.

Jetzt legte Baigar Hammer und Häkchen weg und kam naseweis näher. »Was hast du dir denn mitgebracht?« »Eine Neuheit aus Goldhort.« Fidelgar strich mit den Fingern über die Kanten des Kästchens, öffnete die Verschlüsse und hob den Deckel behutsam an. Der Geruch von Gewürzen und Branntwein strömte heraus. Baigar erkannte fingerlange und -dicke braune Gebilde darin. »Rauchrollen.«

»Aus Goldhort? Einer der Städte, in der die Freien leben?«