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Jacob wurde hellhörig. »Joe O'Malley?«

»Niemand anderer«, lachte Quidor. »Ich habe gedacht, daß Sie das reizen würde.«

»Ich weiß nicht«, sagte Jacob nachdenklich. »Ich bin mir nicht sicher, ob das die richtige Arbeit für mich ist.«

»Auch nicht, wenn ich Ihre Siegesprämie für morgen verdopple?«

»Zweihundert Dollar?«

Quidor nickte. »Keinen Cent weniger.«

Jacob rechnete, wie lange man mit ehrlicher Handwerksarbeit brauchte, um so viel Geld zu verdienen. Und er dachte daran, daß es genug Reisegeld für sie alle wäre, für

Irene, Martin und ihn selbst. Dann könnten sie dieser Riesenstadt, in der sich alles nur ums Geld zu drehen schien, viel schneller den Rücken kehren, als sie gedacht hatten. Irene könnte endlich den Vater ihres Kindes suchen und Jacob seine Familie.

»Einverstanden«, sagte Jacob deshalb. »Ich mache den Kampf.«

*

Die Häuser, die Fuhrwerke und die Gesichter der Menschen flogen nur so an Martin vorüber, als er zurück zum Golden Atlantic lief. Eine Art Schwindel ergriff von ihm Besitz. Das Gefühl, daß etwas Schreckliches geschehen war, man selbst aber machtlos dagegen war. Er wußte noch nicht einmal, was vorgefallen war. Vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Er hoffte es, aber er glaubte es nicht. Nein, Irene und das Kind befanden sich in Gefahr; das spürte er.

Er hatte sich am Nachmittag von Albert Mandel ein paar Stunden freigeben lassen, um Jacob und Irene im Golden Atlantic zu besuchen. Er traf seinen Freund im Boxring, wo er mit einem gewissen Sam Rockwood für den Abend trainierte.

Für Martin war es eine Neuigkeit, daß Jacob gegen Joe O'Malley in den Ring stieg. Genauso wie die Nachricht vom Kampf gegen Griff Hodges. Martin staunte nicht wenig, als er von den Prämien erfuhr, die Max Quidor seinem Boxer zahlte. Neu war ihm auch, daß Irene nicht im Golden Atlantic wohnte, sondern mit den Wickerts in die Stanton Street gezogen war.

Da Jacob wegen seines Trainings wenig Zeit für seinen Freund hatte, machte sich Martin auf in die Stanton Street, um nach Irene und dem kleinen Jacob-Martin zu sehen. Er hatte alle Fleischereien in der langen Straße, die sich von der Bowery bis zum Ufer des East River hinzog, abgeklappert. Niemand dort kannte eine Irene Sommer oder ein Ehepaar Wickert. Dann war er zu allen Fleischereien gegangen, die in der Nähe der Stanton Street lagen. Mit demselben Ergebnis.

Jetzt lief er zur Christie Street zurück, so schnell ihn seine Beine trugen, um Jacob die bestürzende Nachricht mitzuteilen. Gemeinsam mußten sie herausfinden, was mit Irene und JacobMartin geschehen war.

Er hatte den Prachtbau des Golden Atlantic fast erreicht, als er beim Anblick zweier Menschen, die über die Straße auf den noch geschlossenen Vergnügungspalast zugingen, stehenblieb. Die Überraschung ließ ihn anhalten, als er Anton Wickert und seine Frau erkannte.

Dann war sein erster Impuls, die beiden anzurufen und sie nach Irene zu fragen. Aber er überlegte es sich anders. Wenn mit Irene etwas nicht stimmte, sprach einiges dafür, daß die Wickerts etwas mit der Sache zu tun hatten. Und was wollten sie im Golden Atlantic, auf das sie zielstrebig zusteuerten?

Martin versteckte sich hinter einem an der Straße abgestellten Kastenwagen und beobachtete, wie das Ehepaar am Haupteingang des Golden Atlantic mit jemandem sprach und dann ins Gebäude ging.

Er folgte den Wickerts und traf am Eingang denselben Angestellten, der ihn vorhin schon eingelassen hatte, als er Jacob besuchen wollte. Der Mann war damit beschäftigt, die Doppelflügeltür in einem knalligen Rot zu streichen.

»Ich muß noch etwas mit meinem Freund Jacob besprechen«, sagte Martin und ging an ihm vorbei. »Er ist wohl noch im Ring und trainiert.«

»Gehen Sie nur durch«, meinte der Angestellte. »Sie kennen den Weg ja.«

Martin nickte und durchschritt eilig die großen Räumlichkeiten, die für den allabendlichen Betrieb hergerichtet wurden. Schließlich entdeckte er die Wickerts. Tom, der Leibwächter mit der Stirnnarbe, führte sie eine Treppe hinauf. Martin blieb hinter einer mannshohen Pflanze stehen und merkte sich die Tür, hinter der die drei verschwanden.

Er ging ebenfalls die Treppe hinauf und hielt unschlüssig vor der bewußten Tür an. Man konnte ihn von unten aus sehen. Aber er mußte riskieren, entdeckt zu werden, wenn er herausfinden wollte, was hier vor sich ging. Daß irgendeine Schweinerei im Gange war, in die das Ehepaar Wickert und Max Quidor verwickelt waren, soviel war ihm inzwischen klargeworden. Er ging vor der Tür in die Knie und tat, als würde er eine schadhafte Stelle am Boden ausbessern. Dabei hielt er ein Ohr möglichst dicht an die Tür, hinter der er erregte Stimmen hörte.

»Die zehn Dollar, die wir von Ihnen bekommen haben, reichen nicht, Herr Quidor«, hörte er die laute Stimme eines Mannes, bei dem es sich nur um Anton Wickert handeln konnte. »Sie sind ein reicher Mann. Der Dienst, den wir Ihnen erwiesen haben, ist das Zehnfache wert.«

»Ich verstehe Ihre Aufregung nicht«, erwiderte Quidor kühl. »Sie waren doch mit der Summe einverstanden.«

»Wir haben es uns halt überlegt«, sagte Frau Wickert. »Diese Stadt ist sehr teuer. Wir brauchen das Geld, sonst...«

»Was sonst?« fiel ihr Quidor scharf in die Rede. »Wollen Sie mir etwa drohen?«

»Geben Sie uns doch einfach das Geld«, versuchte es Anton Wickert noch einmal. »Ihnen tut es nicht weh, und es gibt für niemanden Scherereien.«

»Wenn jemand anderen Scherereien bereitet, bin ich das«, sagte Quidor. »Nicht umgekehrt. Und ich lasse mich auch nicht erpressen. Sie beide hätten nicht hierherkommen dürfen!«

Für einen Moment herrschte Stille.

Dann krachte ein Schuß.

Frau Wickert schrie auf.

Wieder ein Schuß.

Und dann wieder Stille.

Martin sprang hoch, stieß die Tür auf und stürmte in den Raum. Auch wenn er die Wickerts nicht sonderlich sympathisch fand und sie in eine finstere Angelegenheit verwickelt waren, er konnte nicht einfach danebenstehen, wenn ihnen etwas geschah.

Aber er kam zu spät.

Mann und Frau lagen auf dem dicken Teppich. Frau Wickert war auf den Bauch gefallen, ihr Mann auf den Rücken. In seiner Brust direkt über dem Herz klaffte ein blutiges Loch. Die Augen des Auswanderers blickten gebrochen zur Decke.

Quidor saß hinter einem wuchtigen Schreibtisch, den rauchenden Revolver noch in der Rechten.

Neben der Tür stand Tom. Als Martin ins Zimmer stürmte, fuhr die Hand des Leibwächters zur Hüfte und kehrte mit seinem Revolver zurück, den er auf den jungen Deutschen richtete.

Fassungslos stand dieser neben den Toten, blickte immer wieder von einem zum anderen. Schließlich hob er seinen Kopf und sah den Mann hinter dem Schreibtisch vorwurfsvoll an.

»Sie haben die beiden ermordet, Quidor!«

»Ich weiß«, sagte der Inhaber des Golden Atlantic mit einem kalten Lächeln.

»Einfach so?«

»Nicht einfach so. Ich hatte einen guten Grund. Sie wollten mich erpressen. Außerdem verstehe ich Ihre Aufregung nicht. Die beiden waren Abschaum, nicht besser als der Dreck auf den Straßen dieser Stadt.«

In Martin kochte die Wut auf den kaltblütigen, gewissenlosen Mörder.

»Sie Schwein!« schrie er und wollte sich auf Quidor stürzen.

Da krachte dessen Waffe ein weiteres Mal.

Wie vom Blitz getroffen stürzte Martin vor dem Schreibtisch zu Boden und blieb dort in verrenkter Haltung liegen. Die rechte Seite seiner Stirn war eine blutige Wunde.

»Saubere Arbeit«, meinte Tom mit Kennerblick. »Jetzt müssen wir drei Leichen beiseite schaffen.«

»Gut erkannt«, sagte sein Boß und blies den sich kräuselnden Rauch von der Mündung seiner Waffe. »Hol Verstärkung, und fang gleich damit an. Am besten versenkt ihr sie heute nacht im East River. Aber sag vorher den Leuten unten, daß sie sich nicht aufregen sollen. Ich habe nur ein paar Schießübungen gemacht.«