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An diesem Abend war der Boxsaal noch viel voller als vierundzwanzig Stunden zuvor beim Kampf zwischen German Jake und Black Griff. Die Besucher zahlten für einen Stehplatz dasselbe wie für einen Platz auf den Holzbänken. Aber die neue Sensation, German Jake, wollten sie sich nicht entgehen lassen. Alle waren neugierig darauf, ob er wirklich so ein guter Boxer war oder gestern einfach nur Glück gehabt hatte.

Freudestrahlend betrat Max Quidor den Raum, in dem Sam Rockwood seinem Schützling die letzten Anweisungen gab.

»Wir haben kein volles Haus, sondern ein übervolles«, jubelte er. »Trotz erhöhter Eintrittspreise. Und nachher werden sich alle über die Bar hermachen. Das gibt einen Bomb enum satz.«

»Freut mich«, sagte Jacob, aber er meinte es nicht so.

Im Grunde war ihm Quidors Umsatz herzlich gleichgültig. Er wollte nur noch diesen Kampf hinter sich bringen und dann möglichst schnell mit Martin und Irene aus New York verschwinden. Er fand keinen Gefallen an diesem Moloch von Stadt, der alle Menschen zu verschlingen schien. Zumindest ihre Seelen. An deren Stelle trat die Vergnügungssucht und die Gier nach Geld. Er wollte nicht so werden wie die Menschen hier. Aber er befürchtete, daß er es ein bißchen schon war, wenn er für Geld in den Boxring stieg. Nach dem Kampf mit Joe O'Malley würde Schluß damit sein, das hatte er sich geschworen.

»Geben Sie eine so gute Vorstellung wie gestern abend, Jacob«, sagte Quidor in einem Ton, als würde er einem Sänger oder Tänzer Glück für seinen Auftritt wünschen. »Halten Sie fünf bis zehn Runden durch, und dann gehen Sie möglichst dramatisch zu Boden.« »Was?« fragte Jacob, der glaubte, sich verhört zu haben. »Sie sollen den schwer Getroffenen markieren und erst wieder aufstehen, wenn der Ringrichter Sie ausgezählt hat.« »Ich soll absichtlich verlieren?«

»So kann man es auch ausdrücken. Aber es muß echt aussehen!« »Warum?«

»Weil die Quoten für Sie noch gestiegen sind, auf sechzehn zu eins. Es wäre verrückt, Geld auf Ihren Sieg zu setzen. Dabei läßt sich kaum etwas gewinnen. Deshalb habe ich einen Riesenbatzen auf O'Malley gewettet.«

»Nein«, sagte Jacob entschieden, als ihm das Ungeheuerliche dieses Vorgangs klar wurde. »Das kann ich nicht machen. Es wäre Betrug an den Menschen, die einen ehrlichen Kampf erwarten. Und Betrug an denen, die ihr Geld auf mich gesetzt haben.«

Ein böses Funkeln trat in Quidors Blick. »Sie tun, was ich Ihnen sage, Jacob. Sie boxen für mich. Nur wenn Sie verlieren, erhalten Sie Ihre Siegesprämie. Alles andere wäre Betrug an mir!«

Er verließ den Raum und schlug laut die Tür hinter sich zu.

Jacob sah Rockwood an. »Was soll ich tun, Sam?«

»Was Max gesagt hat. Er ist der Boß. Wer ihm nicht gehorcht, gehorcht niemandem mehr.«

*

Erste Runde:

Joe O'Malley, dem Publikum als Hammer-Joe vorgestellt, konnte es gar nicht erwarten, Jacob zu Mus zu verarbeiten. Jedenfalls hatte er diese Absicht dem begeisterten Publikum vorher lauthals kundgetan. Sobald der Gong ertönte, marschierte er zielstrebig auf den Deutschen los und ließ sich nur kurz von ihm umtänzeln. Dann drängte er Jacob in eine Ecke und versetzte ihm eine Reihe so fürchterlicher Schläge, daß der Getroffene glaubte, er müsse seine Niederlage gar nicht markieren.

Zweite Runde:

Jacob war noch vorsichtiger als in der ersten Runde und konnte fast allen Schlägen des irischen Titanen ausweichen. Aber der Deutsche machte keine gute Figur dabei und erntete die ersten Spottrufe. Besonders die zahlreich erschienenen Iren überschütteten ihn mit Beleidigungen.

Dritte Runde:

Wieder landete Hammer-Joe ein paar schwere Treffer, und Jacob ging zu Boden, allerdings nur auf die Knie. Der Ringrichter kam bis »fünf«, dann stand er wieder und wich allen weiteren Attacken des Iren aus.

Vierte Runde:

Max Quidor sah sehr zufrieden aus, als Jacob erneut zu Boden ging und dort bis »acht« liegenblieb.

Fünfte Runde:

»Bleib doch gleich liegen, du mußt ja sowieso verlieren, Dutch«, flüsterte ihm Joe zu, als er erneut auf ihn eindrang, und weckte damit Jacobs Wut.

Also wußte der Ire von dem abgekarteten Spiel und verdiente womöglich auch noch daran. Er rechnete damit, daß sich der Deutsche nicht ernstlich wehrte, und machte sich einen Spaß daraus, auf ihn einzudreschen.

Als er mit höhnischem Grinsen zum wiederholten Mal auf Jacob zumarschierte, lief er in eine Serie von Schlägen, die ihn in die Knie zwangen. Bevor der Ringrichter mit dem Zählen beginnen konnte, ertönte der Pausengong.

Sechste Runde:

Als Hammer-Joe erneut zu Boden ging und erst bei »sieben« wieder aufstand, warf Quidor seinem Boxer böse Blicke zu. In der Pause kam Quidor in Jacobs Ecke und zischte: »Denken Sie daran, was ich Ihnen befohlen habe!«

»Ich werde tun, was ich tun muß«, sagte Jacob vieldeutig und ging in die Siebte Runde:

Diesmal ging niemand zu Boden, aber eine Schlagserie von Jacob ließ den Iren durch den ganzen Ring taumeln.

Jacob sah in der Pause, wie Quidor mit Tom und Henry sprach und die beiden daraufhin den Saal verließen.

Achte Runde:

Wieder ging Joe zu Boden, stürzte der Länge nach hin und kam nur wieder hoch, weil der Ringrichter beim Zählen fast einschlief und sich schon Buhrufe des Publikums einfing. Also steckte auch er mit Quidor unter einer Decke.

Neunte Runde:

Der angeschlagene und wie ein wütender Stier um sich schlagende Ire erwischte Jacob schwer am Kopf, als dieser durch eine merkwürdige Entwicklung der Dinge für ein paar Sekunden abgelenkt war. Tom und Henry kehrten in den Saal zurück und hatten einen Mann mit einem Kopfverband in ihrer Mitte: Martin!

Der Ringrichter, der jetzt viel schneller zählte als in der letzten Runde, war schon bei »neun«, als Jacob endlich wieder aufstand und Joes weiteren Angriffen auswich.

In der Pause stand Quidor wieder in seiner Ecke und sagte: »Wie Sie sehen, haben wir Ihren Freund, Jacob. In dem Moment, in dem der Ringrichter Ihren Sieg verkündet, ist er ein toter Mann. Tom und Henry haben Anweisung, ihm einfach die Kehle durchzuschneiden.«

Zehnte Runde:

O'Malley schien zu spüren, daß sich die Dinge für ihn gut entwickelten. Obwohl er am Rande der Erschöpfung stand, attackierte er seinen Gegner pausenlos, der verzweifelt darüber nachdachte, wie er seinem Freund helfen konnte. Martin schien sich wirklich in Quidors Gewalt zu befinden, denn er rührte sich kaum. Jacob war so abgelenkt, daß er sich ein paar schwere Treffer einfing.

»Gehen Sie in der nächsten Runde zu Boden!« zischte Quidor ihm in der Pause ins Ohr.

Jacob erwiderte nichts darauf. Seine Gedanken kreisten um Martin und um die Elfte Runde:

»Bleib stehen, damit ich dich auf die Hörner nehmen kann!« rief Hammer-Joe, als er aus seiner Ecke kam.

Damit brachte er Jacob auf eine Idee. Abschätzend betrachtete er die Entfernung zwischen dem Ring und Martin. Es mußte gehen.

Der Ire grinste über sein mit Blessuren übersätes Gesicht und freute sich, daß sein Gegner abwartend in seiner Ecke stand und keine Anstalten traf, dem Angriff auszuweichen.

Aber als er Jacob erreichte, ging dieser plötzlich in die Knie, schnappte sich den Koloß und richtete sich ächzend wieder auf. O'Malley wußte gar nicht, wie ihm geschah, und wehrte sich vor lauter Überraschung nicht. Die Last war erdrückend. Jacob dachte an die vielen schweren Balken, die er als Zimmermann schon hochgewuchtet hatte, und schaffte es, die Beine durchzudrücken. Dann drehte er sich im Kreis, immer schneller. Die Zuschauer hielten gebannt den Atem an.

Plötzlich ließ Jacob den Iren los, und dieser flog mitten in die staunende Menge. Der Deutsche atmete erleichtert auf, als er sah, wie gut er gezielt hatte. Das menschliche Geschoß traf Henry, Tom und Martin und riß alle drei mit zu Boden. Mochte Martin sich dabei auch ein paar Prellungen holen, jedenfalls waren Quidors Leibwächter daran gehindert, ihm den Garaus zu machen.