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»Was müsstest du tun, um dir die Achtung der Hüttenleute zu bewahren?«

Sie schnaubte. »Als würde die Gilde – oder der König – mir erlauben, zu tun, was immer ich will, nur um vor dem Hüttenvolk gut dazustehen!«

»Ich will dich nicht glauben machen, dass es einfach sein wird«, erwiderte Rothen. »Aber es ist eine Möglichkeit, über die du nachdenken solltest. Magie ist keine alltägliche Gabe. Viele Menschen würden all ihren Reichtum dafür opfern. Denk darüber nach, was du hier lernen könntest. Denk darüber nach, wie du deine Fähigkeiten nutzen könntest, um anderen zu helfen.«

Einen Moment lang schien sie ins Wanken zu geraten, dann verhärtete sich ihre Miene wieder. »Die Kontrolle meiner Magie ist alles, was ich hier lernen will.«

Er nickte langsam. »Wenn das wirklich so ist, dann wird diese Kontrolle auch das Einzige sein, was wir dir geben können. Viele von uns werden sehr überrascht sein, wenn sie hören, dass du aus freien Stücken in die Hütten zurückkehren willst. Viele Magier werden nicht verstehen, warum jemand, der sein ganzes Leben in Armut verbracht hat, ein solches Angebot ausschlägt. Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du keinen großen Wert auf Reichtum und Luxus legst.« Er zuckte die Achseln, dann lächelte er. »Und ich werde nicht der Einzige sein, der dich dafür bewundert. Allerdings solltest du wissen, dass ich mir größte Mühe geben werde, dich zum Bleiben zu bewegen.«

Zum ersten Mal, seit er ihre Bekanntschaft gemacht hatte, lächelte sie. »Vielen Dank für die Warnung.«

Rothen, der plötzlich sehr zufrieden mit sich war, rieb sich die Hände. »Nun, das wäre also geklärt. Wollen wir jetzt mit dem Unterricht anfangen?«

Sie zögerte, dann schob sie ihren Stuhl ein wenig näher an seinen heran. Erheitert über ihren Eifer, griff er nach ihren ausgestreckten Händen.

Er schloss die Augen, verlangsamte seine Atmung und suchte die Aura, die ihn in Soneas Geist führen würde. Sie beherrschte die Kunst des Visualisierens inzwischen recht gut, und er fand sich sofort vor einer offenen Tür wieder. Nachdem er hindurchgetreten war, kam er in einen vertrauten Raum. In der Mitte des Raums stand Sonea.

Ein Gefühl von Entschlossenheit lag in der Luft. Er wartete auf die gewohnte Störung in der Szene, aber nichts Unerwünschtes erschien in dem Raum. Überrascht und ehrlich erfreut, nickte er Soneas Abbild zu.

— Zeig mir die Tür zu deiner Magie.

Sie drehte sich um. Als Rothen ihrem Blick folgte, fand er sich vor einer weißen Tür wieder.

— Jetzt öffne die Tür und hör mir genau zu. Ich werde dir zeigen, wie du deine Magie kontrollieren kannst.

Cery ließ sich auf die Knie sinken und stieß ein wütendes Zischen aus.

Er hatte sein Gefängnis gründlich untersucht, und wann immer er mit den Fingern auf die flink umherhuschenden, achtbeinigen Faren gestoßen war, hatte ihm der Atem gestockt. Seine Suche hatte ergeben, dass die Mauern aus großen Ziegelsteinen bestanden und der Boden aus festgetretenem Lehm. Die Tür war eine massive Holzplatte mit schweren, eisernen Angeln.

Sobald die Schritte des Magiers verklungen waren, hatte Cery einen Dietrich aus seinem Mantel gezogen und nach der Tür getastet. Nachdem er das Schlüsselloch gefunden hatte, hatte er sich an dem Schloss zu schaffen gemacht, bis der Mechanismus sich drehte, aber die Tür hatte sich trotzdem nicht öffnen lassen.

Er konnte sich daran erinnern, dass er zuerst laut aufgelacht hatte, als ihm klar geworden war, dass der Magier die Tür überhaupt nicht verschlossen hatte. Er hatte das Schloss nicht aufgebrochen, sondern vielmehr einrasten lassen.

Abermals hatte er sich mit dem Schloss beschäftigt und es wieder geöffnet – nur um feststellen zu müssen, dass er die Tür immer noch nicht öffnen konnte. Da er nach dem Verschwinden des Magiers jedoch gehört hatte, wie dieser einen Schlüssel umdrehte, musste es wohl ein zweites Schloss geben.

Er hatte allerdings keines entdecken können, was bedeutete, dass das Schloss, das die Tür versperrte, nur auf der Außenseite ein Schlüsselloch hatte. Also hatte er seinen Dietrich in den Spalt zwischen Tür und Rahmen geschoben und tatsächlich den Eindruck gehabt, dass er auf einen Widerstand stieß.

Als er sein Drahtwerkzeug jedoch wieder herausziehen wollte, klemmte es fest.

Aus Angst, es zu beschädigen, ließ er es in dem Spalt stecken und nahm einen anderen Dietrich aus der Tasche. Diesen schob er ein klein wenig höher als den ersten in den Spalt.

Aber noch bevor er herausfinden konnte, was sein erstes Werkzeug festhielt, verkeilte sich auch das zweite. Fluchend hatte Cery mit aller Kraft daran gezogen – mit dem einzigen Erfolg, dass er den Dietrich dabei verbog.

Mit einem dritten erging es ihm nicht besser. Ganz gleich, wie kräftig er daran zog, auch dieser Dietrich ließ sich nicht wieder herausnehmen, ebenso wenig wie die anderen.

Im Laufe vieler dunkler Stunden hatte er noch mehrmals versucht, seine Werkzeuge wieder zu befreien, ohne Erfolg. Er konnte sich auch nicht vorstellen, was seine Dietriche eigentlich in dem Spalt festhielt. Nichts außer Magie natürlich.

Seine Beinmuskeln verkrampften sich in der Kälte, daher stand er schließlich wieder auf. Der Raum um ihn herum schien sich zu drehen, und er stützte sich mit einer Hand an der Mauer ab. Sein Magen knurrte und sagte ihm, dass seine letzte Mahlzeit viel zu lange zurücklag, aber sein Durst war noch schlimmer. Was hätte er nicht alles gegeben für einen Becher Bol oder ein Glas Pachi-Saft oder auch nur ein wenig Wasser.

Wieder fragte er sich, ob er in dieser Zelle den Tod finden sollte. Wenn die Gilde jedoch seinen Tod wollte, hätte sie das ohne Weiteres arrangieren können, bevor sie seinen Körper irgendwo versteckte. Das gab ihm ein wenig Hoffnung, denn es konnte nur eines bedeuten: Die Pläne der Magier sahen vor, dass er am Leben blieb – für den Augenblick.

Er dachte noch einmal an den anderen Magier – den in den blauen Roben – und konnte sich nicht daran erinnern, in dem Verhalten des Mannes irgendwelche Anzeichen von Verrat bemerkt zu haben. Entweder verstand der Magier sich bestens darauf, Vertrauenswürdigkeit zu heucheln, oder er hatte nichts von Ferguns Plänen gewusst. Wenn Letzteres zutraf, dann war seine Gefangenschaft allein Ferguns Idee gewesen.

Ob der blonde Magier nun auf eigene Faust gehandelt hatte oder nicht, Cery konnte sich nur zwei Gründe für seine Gefangenschaft vorstellen: die Diebe oder Sonea.

Falls die Magier Cery benutzen wollten, um Druck auf die Diebe auszuüben, würden sie enttäuscht werden. So dringend brauchte Faren Cery nun auch wieder nicht.

Vielleicht würden sie versuchen, ihn zu foltern, um Informationen aus ihm herauszubekommen. Obwohl er sich gern eingeredet hätte, dass er dieser Art von Überzeugungskraft widerstehen konnte, wollte er sich doch am Ende nichts vormachen. Er wusste nicht, ob er im Angesicht körperlicher Qualen Stillschweigen bewahren würde.

Es war möglich, dass die Magier, auch ohne zu solchen Mitteln greifen zu müssen, seine Gedanken lesen konnten. In dem Fall würden sie herausfinden, dass er kaum etwas wusste, was sich gegen die Diebe verwenden ließ. Sobald die Magier das begriffen hatten, würden sie ihn wahrscheinlich für alle Zeit der Dunkelheit überlassen.

Aber er bezweifelte, dass es ihnen um die Diebe ging. Wenn es so wäre, hätten sie ihn schon längst danach gefragt.

Nein, die einzigen Fragen, die man ihm gestellt hatte, betrafen Sonea. Auf dem Weg zur Universität hatte Fergun wissen wollen, welcher Art Cerys Beziehung zu Sonea war. Wenn die Magier erfahren wollten, ob Cery ihr etwas bedeutete, dann wollten sie ihn wahrscheinlich als Druckmittel benutzen, um sie zu etwas zu zwingen, das sie nicht tun wollte.

Der Gedanke, dass er ihre Situation noch verschlechtert haben könnte, quälte ihn ebenso sehr wie die Furcht, man könne ihn zum Sterben in diese Zelle geführt haben. Wenn er doch nur nicht der Versuchung erlegen wäre, sich die Universität anzusehen! Je länger Cery darüber nachdachte, desto heftiger verfluchte er sich für seine Neugier.