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Vinara lächelte. »Natürlich ist Stärke nicht der entscheidende Test für einen Novizen. Welche Talente hat sie bisher gezeigt?«

Rothen schürzte die Lippen. »Ihre Fähigkeit, zu visualisieren, ist sehr gut. Das wird ihr bei den meisten Disziplinen helfen. Außerdem hat sie ein hervorragendes Gedächtnis. Und sie ist eine intelligente und aufmerksame Schülerin.«

»Hat sie ihre Kräfte denn überhaupt schon einmal erprobt?«, fragte ein rotgewandeter Magier.

»Seit ihrer Ankunft hier nicht mehr. Sie begreift sehr wohl, welche Gefahren ihre Magie birgt.«

Damit hatten die Fragen noch lange kein Ende genommen. Dannyl erblickte in einer Gruppe sich nähernder Magier einen blonden Haarschopf. Er rückte dichter an Rothen heran und wartete auf einen geeigneten Moment, um ihm eine Warnung zuzuflüstern.

— Lord Dannyl.

Einige Magier blinzelten und sahen zu Dannyl hinüber. Als Dannyl die Gedankenstimme erkannte, schaute er sich suchend im Raum um und entdeckte Administrator Lorlen in seinem gewohnten Sessel. Der Magier in den blauen Roben deutete auf Rothen und gab Dannyl dann ein Zeichen.

Dannyl nickte lächelnd und beugte sich zu Rothen vor. »Ich glaube, der Administrator will dich retten.«

Inzwischen hatte Fergun die Gruppe erreicht. Eine vertraute Stimme fügte sich in das Geplapper ein, und einige der Leute drehten sich zu dem Krieger um.

»Entschuldigt mich bitte«, sagte Rothen. »Ich muss mit Administrator Lorlen sprechen.« Er neigte höflich den Kopf, dann schob er Dannyl sanft in Lorlens Richtung.

Als Dannyl sich noch einmal umdrehte, begegnete sein Blick für einen Moment dem Ferguns. Die Lippen des Kriegers verzogen sich zu einem zufriedenen Lächeln.

Als sie Lorlen erreicht hatten, bedeutete der Administrator ihnen, neben ihm Platz zu nehmen. »Guten Abend, Lord Rothen, Lord Dannyl. Setzt Euch und erzählt mir, welche Fortschritte Sonea macht.«

Rothen blieb stehen. »Ich hatte gehofft, unter vier Augen mit Euch darüber reden zu können, Administrator.«

Lorlen zog die Brauen in die Höhe. »Meinetwegen. Wollen wir in den Bankettsaal gehen?«

»Das wäre mir lieber, ja.«

Der Administrator erhob sich und geleitete sie zu einer Tür in der Nähe. Als sie hindurchtraten, flackerte eine Lichtkugel über Lorlens Kopf auf und beleuchtete einen riesigen Tisch, der den größten Teil des Raumes einnahm.

Lorlen zog sich einen der Stühle am Tisch heran und setzte sich. »Was macht Euer Bein, Lord Dannyl?«

Dannyl blickte überrascht auf. »Es ist besser geworden.«

»Eure Beschwerden scheinen heute Abend zurückgekehrt zu sein«, bemerkte Lorlen. »Ich habe gesehen, dass Ihr wieder humpelt.«

»Das liegt an der Kälte«, erwiderte Dannyl.

»Ah, verstehe.« Lorlen nickte, dann wandte er sich Rothen zu. »Was wolltet Ihr mit mir besprechen?«

»Ich habe vor zwei Tagen mit den Kontrollübungen begonnen«, antwortete Rothen. Lorlen runzelte die Stirn, ließ Rothen jedoch weitersprechen. »Ihr wolltet Euch nach zwei Wochen von ihren Fortschritten überzeugen und habt mich gebeten, sie zuvor mit einem anderen Magier bekannt zu machen. Da sie jedoch noch keine allzu großen Fortschritte gemacht hat, wollte ich sie bisher nicht mit Besuchern ablenken, denke aber, dass sie in Kürze so weit sein dürfte. Könntet Ihr Euren Besuch noch um einige Tage verschieben?«

Lorlen musterte Rothen gelassen und nickte schließlich. »Um einige Tage, aber nicht länger.«

»Vielen Dank. Da wäre jedoch noch etwas. Eine Möglichkeit, die wir besser von Anfang an in Betracht ziehen sollten.«

Lorlen zog die Brauen in die Höhe. »Ja?«

»Sonea möchte der Gilde nicht beitreten. Ich habe…« Er seufzte. »Um ihr Vertrauen zu gewinnen, habe ich ihr versichert, dass wir sie gehen lassen werden, falls sie den Wunsch haben sollte, in die Hütten zurückzukehren. Schließlich können wir sie nicht zwingen, das Gelübde abzulegen.«

»Habt Ihr ihr auch erklärt, dass wir in diesem Fall ihre Kräfte blockieren würden?«

»Darüber habe ich noch nicht mit ihr gesprochen.« Rothen runzelte die Stirn. »Obwohl ich nicht glaube, dass es ihr viel ausmachen würde. Ich habe sie gewarnt, dass sie in einem solchen Fall ihre Kräfte nicht mehr würde einsetzen können, aber das schien sie eher zu freuen. Ich glaube, sie wäre glücklich, ihre Magie loszuwerden.«

Lorlen nickte. »Das überrascht mich nicht. Bisher hat sie Magie nur als unkontrollierbare, zerstörerische Kraft kennen gelernt.« Er spitzte die Lippen. »Vielleicht solltet Ihr ihr einige nützliche Tricks beibringen, damit sie ein wenig mehr Gefallen an der Sache findet.«

Rothen legte die Stirn in Falten. »Sie sollte ihre Kraft nicht benutzen, bevor sie vollkommene Kontrolle darüber hat, und sobald sie diese Kontrolle erlangt hat, wird sie von uns erwarten, dass wir sie gehen lassen.«

»Sie müsste den Unterschied zwischen einer Kontrollübung und einer Lektion in Magie kennen lernen«, warf Dannyl ein. »Lass in deinem Unterricht einfach ein wenig Informationen über die Benutzung von Magie einfließen. Das wird dir außerdem zusätzliche Zeit verschaffen, um sie zum Bleiben zu bewegen.«

»Aber nicht viel Zeit«, nahm Lorlen den Faden auf. »Auch wenn Fergun nicht genau weiß, wann Ihr mit ihr so weit seid, werdet Ihr ihm nichts vormachen können. Vielleicht gewinnt Ihr dadurch eine zusätzliche Woche, mehr nicht.«

Rothen sah Lorlen erwartungsvoll an. Der Administrator seufzte und strich sich mit der Hand über die Stirn. »Also schön. Sorgt nur dafür, dass er nichts davon erfährt, sonst wird er mir deswegen ewig in den Ohren liegen.«

»Wenn er doch dahinterkommen sollte, sagen wir einfach, wir hätten ihre Kontrolle geprüft«, erklärte Dannyl. »Sie ist schließlich ungewöhnlich stark. Wir wollen doch nicht, dass sie irgendwelche Fehler macht.«

Lorlen warf Dannyl einen anerkennenden Blick zu. Dann schien er etwas sagen zu wollen, schüttelte aber stattdessen den Kopf und wandte sich wieder an Rothen. »Ist das alles, was Ihr mit mir besprechen wolltet?«

»Ja. Vielen Dank, Administrator«, antwortete Rothen.

»Dann werde ich Sonea in einigen Tagen besuchen. Habt Ihr schon einmal darüber nachgedacht, wen Ihr dem Mädchen als Erstes vorstellen wollt?«

Als Rothen vielsagend zu Dannyl hinübersah, blinzelte dieser.

»Mich?«

Rothen lächelte. »Ja, dich. Morgen Nachmittag, wenn es nach mir geht.«

Dannyl öffnete den Mund, um zu protestieren, aber als ihm bewusst wurde, dass Lorlen ihn eingehend beobachtete, besann er sich eines Besseren.

»Na schön«, sagte er widerstrebend. »Nur bring vorher das Besteck in Sicherheit.«

Sonea langweilte sich.

Es war noch zu früh, um schlafen zu gehen. Tania war kurz nach dem Abendessen mit den schmutzigen Tellern fortgegangen, und Rothen war bald darauf ebenfalls verschwunden.

Da sie schon am Morgen das letzte Buch, das Rothen ihr mitgebracht hatte, zu Ende gelesen hatte, lief Sonea jetzt unruhig in ihrem Zimmer auf und ab und betrachtete die Bücherregale und die Zierstücke, die im Raum standen.

Da sie nichts fand, was sie interessierte, trat sie ans Fenster und schaute hinaus. Die Nacht war mondlos, und die Gärten lagen in Dunkelheit gehüllt. Nichts regte sich.

Seufzend beschloss sie, früh zu Bett zu gehen. Sie schob die Papierblende wieder vor das Fenster und wandte sich zu ihrem Schlafzimmer um – nur um im nächsten Moment zu erstarren. Irgendjemand hatte an die Wohnungstür geklopft.

Sie drehte sich um. Rothen klopfte niemals an, bevor er eintrat, und Tanias Klopfen war leise und höflich, nicht so beharrlich und durchdringend wie dieses. Es hatten schon vorher Besucher angeklopft, aber Rothen hatte sie nie hereingebeten.

Als der Besucher abermals klopfte, lief es Sonea einen Moment lang kalt über den Rücken. Vorsichtig stahl sie sich quer durch den Raum zur Tür hinüber.

»Wer ist da?«

»Ein Freund«, kam die gedämpfte Antwort.

»Rothen ist nicht hier.«

»Ich möchte auch nicht mit Rothen reden. Ich möchte mit dir reden, Sonea.«