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Sie starrte ihn ungläubig an. »Aber damit brecht Ihr die Gesetze der Gilde.«

Er nickte langsam. »Das ist mir bewusst.« Verschiedene Gefühle spiegelten sich auf seinem Gesicht wider. Schließlich erhob er sich und trat ans Fenster. »Es gefällt mir nicht, wenn Menschen dazu gezwungen werden, etwas zu sein, was sie nicht sein wollen«, fuhr er fort. »Sieh dir das an.« Er durchquerte den Raum und streckte ihr die Hände hin. Die Haut auf den Innenflächen war schwielig und voller Narben.

»Schwertkampf. Ich bin ein Krieger, wie du so scharfsinnig bemerkt hast. Diese Disziplin entspricht am ehesten dem, was ich mir einmal für mein Leben gewünscht habe. Als Junge habe ich davon geträumt, Schwertkämpfer zu werden. Ich habe jeden Tag viele Stunden geübt und davon geträumt, einmal von den größten Lehrern ausgebildet zu werden.«

Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Dann wurde mein magisches Potenzial entdeckt. Es war nicht besonders groß, aber meine Eltern wollten einen Magier in der Familie haben. Ich würde ihrem Haus großes Ansehen einbringen, sagten sie. Also zwang man mich, der Gilde beizutreten. Ich war zu jung, um mich dagegen aufzulehnen, zu unsicher, um wirklich davon überzeugt zu sein, dass die Magie nicht meine wahre Berufung war. Meine Kräfte sind nicht stark, und obwohl ich gelernt habe, sie geschickt zu nutzen, finde ich keinen Gefallen daran. Ich habe mich weiter in den Kampfkünsten geübt, obwohl die meisten Magier nur Verachtung für einen ehrlichen Kampf Mann gegen Mann übrig haben. Aber ich halte daran fest, denn näher kann ich meinem Lebenstraum nicht kommen.«

Er sah zu ihr auf, und seine Augen leuchteten. »Ich werde nicht zulassen, dass Rothen dir das Gleiche antut. Wenn du der Gilde nicht beitreten willst, dann werde ich dir bei der Flucht helfen. Aber du musst mir vertrauen. Die Gesetze und die Politik der Gilde sind kompliziert und verwirrend.« Er kehrte zu seinem Sessel zurück, nahm aber nicht wieder Platz. »Also, soll ich dir helfen?«

Sonea blickte auf den Tisch hinab. Ferguns Geschichte und die Leidenschaft, mit der er sie vorgetragen hatte, hatten sie beeindruckt, aber einige Teile davon bereiteten ihr Unbehagen. Sie würde abermals zum Flüchtling werden, um ihre Magie zu behalten. War es das wirklich wert?

Dann überlegte sie, was Cery dazu sagen würde. Warum sollten die höheren Klassen allein ein Anrecht auf Magie haben? Wenn die Gilde keine Vertreter der unteren Klassen akzeptierte, warum sollten diese Menschen dann nicht ihre eigenen Magier haben?

»Ja.« Sie sah ihm in die Augen. »Aber ich muss noch darüber nachdenken. Ich kenne Euch nicht. Bevor ich zu irgendetwas mein Einverständnis gebe, möchte ich überprüfen, was Ihr mir über Mentoren erzählt habt.«

Er nickte. »Das verstehe ich. Denk darüber nach, aber lass dir nicht zu lange Zeit. Es ist Rothen inzwischen gelungen, Administrator Lorlen davon zu überzeugen, dass er Recht daran tut, wenn er alle anderen Magier von dir fern hält, bis du Kontrolle gelernt hast. Zweifellos geht es ihm darum, die Wahrheit vor dir zu verbergen. Ich gehe ein hohes Risiko ein, indem ich mich über die Entscheidung des Administrators hinwegsetze. Ich werde versuchen, schon bald noch einmal herzukommen, aber bis dahin musst du eine Antwort für mich haben. Eine dritte Gelegenheit wird sich mir vielleicht nicht bieten.«

»Wenn Ihr wiederkommt, werde ich mich entschieden haben.«

Fergun blickte zur Tür hinüber und seufzte. »Ich sollte besser gehen. Es wäre nicht gut, wenn er mich hier bei dir vorfände.«

Er trat zur Tür, öffnete sie einen Spaltbreit und spähte hinaus. Er bedachte sie mit einem letzten, grimmigen Lächeln, dann war er verschwunden. Die Tür fiel mit einem Klicken hinter ihm zu.

Wieder allein, starrte Sonea geistesabwesend auf den Tisch, während die Worte des Magiers in ihren Gedanken herumwirbelten. Sie konnte keinen Grund dafür entdecken, warum Fergun sie hätte belügen sollen, aber sie würde jede seiner Behauptungen überprüfen: Hatten die Magier wirklich die Möglichkeit, ihre Kräfte zu blockieren? Gab es in der Gilde Mentoren? Und traf es zu, was er ihr über zerstörte Träume erzählt hatte? Wenn sie Rothen vorsichtig ausfragte, konnte sie ihn vielleicht dazu bringen, ihr einen großen Teil dessen, was Fergun gesagt hatte, zu bestätigen.

Aber nicht mehr heute Abend. Der Besuch des Magiers hatte sie zu sehr aus dem Gleichgewicht gebracht, um Rothen mit der Gelassenheit gegenüberzutreten, mit der sie dieses Gespräch führen musste. Also stand sie auf, ging in ihr Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.

23

Rothens Freund

»Heute hat kein Unterricht stattgefunden.«

Rothen blickte von dem Buch auf, in dem er gelesen hatte. Sonea lehnte am Fenstersims, und ihr Atem hatte einen kleinen Kreis aus Dunst auf der Glasscheibe hinterlassen.

»Nein«, erwiderte er. »Es ist Freitag. Am letzten Tag der Woche findet kein Unterricht statt.«

»Was tut Ihr dann an diesem Tag?«

Er zuckte die Achseln. »Das hängt ganz von dem einzelnen Magier ab. Einige von uns besuchen die Rennen, treiben Sport oder gehen anderen Interessen nach. Andere nutzen die Gelegenheit zu einem Besuch bei ihren Familien.«

»Und was ist mit den Novizen?«

»Sie tun das Gleiche, obwohl die älteren Novizen den Tag im Allgemeinen zum Lernen nutzen.«

»Und sie müssen natürlich die Fußwege begehbar halten.«

Sie beobachtete etwas, das draußen vor dem Fenster geschah. Rothen erriet, was es war, und kicherte. »Die Aufsicht über die Fußwege gehört zu den vielen Pflichten, die Novizen im ersten Jahr ihrer Ausbildung zu erfüllen haben. Danach verrichten sie solche Arbeiten nur noch zur Strafe.«

Sie sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Zur Strafe?«

»Für kindische Streiche oder Respektlosigkeit den Magiern gegenüber«, erklärte er. »Sie sind ein wenig zu alt, um sie übers Knie zu legen.«

Ihre Mundwinkel zuckten, und sie wandte sich wieder zum Fenster um. »Deshalb macht er also ein so mürrisches Gesicht.«

Rothen bemerkte, dass sie mit den Fingern leise gegen den Fensterrahmen trommelte, und seufzte. Zwei Tage lang hatte sie große Fortschritte gemacht, hatte die Kontrollübungen schneller begriffen als jeder andere Novize, den er in der Vergangenheit unterrichtet hatte. Heute jedoch hatte ihre Konzentrationsfähigkeit sie mehrmals verlassen. Obwohl sie diesen Umstand gut zu verbergen wusste und damit bewies, dass ihre geistige Disziplin sich verbessert hatte, war doch offenkundig, dass ihr irgendetwas im Kopf herumging.

Zuerst hatte er die Schuld bei sich selbst gesucht. Er hatte ihr nicht erzählt, dass Dannyl später vorbeikommen würde, weil er befürchtet hatte, die Aussicht auf den Besuch eines fremden Magiers könnte sie vom Unterricht ablenken. Sie hatte jedoch gespürt, dass er etwas vor ihr verborgen hielt.

Als ihm sein Fehler zu Bewusstsein kam, hatte er ihr von dem Besuch erzählt.

»Ich habe mich schon gefragt, wann ich weitere Magier kennen lernen würde«, hatte sie erwidert.

»Wenn du heute Abend niemanden sehen willst, kann ich ihn bitten, ein andermal zu kommen«, hatte er ihr angeboten.

Sie hatte den Kopf geschüttelt. »Nein, ich würde mich sehr freuen, Euren Freund kennen zu lernen.«

Angenehm überrascht von ihrer Reaktion, hatte er versucht, den Unterricht fortzusetzen. Es war ihr immer noch schwer gefallen, sich auf die Übungen zu konzentrieren, und er hatte ihre wachsende Ungeduld gespürt. Jedes Mal, wenn sie eine Pause gemacht hatten, war Sonea zum Fenster zurückgekehrt, um hinauszublicken.

Während er sie verstohlen beobachtete, überlegte er, wie lange sie nun schon in seinem Quartier eingesperrt war. Es war leicht, zu vergessen, dass diese Räume für Sonea ein Gefängnis waren. Sie musste ihrer Umgebung inzwischen müde sein, und wahrscheinlich langweilte sie sich auch.

Was bedeutete, dass dies ein guter Zeitpunkt war, um ihr Dannyl vorzustellen. Auf jene, die ihn nicht kannten, wirkte der hochgewachsene Magier einschüchternd, aber mit seiner freundlichen Art gelang es ihm im Allgemeinen sehr schnell, die Menschen für sich einzunehmen. Rothen hoffte, dass Sonea sich an Dannyl gewöhnen würde, bevor Lorlen seinen ersten Besuch machte.