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»Warum nicht?«

Er kicherte. »Wenn wir sämtliche Verwandten eines jeden Magiers hier unterbringen wollten, müssten wir den ganzen Inneren Ring der Stadt der Gilde einverleiben.«

»Natürlich«, bemerkte sie trocken. »Was passiert, wenn die Kinder erwachsen werden?«

»Wenn sie magisches Potenzial haben, treten sie im Allgemeinen der Gilde bei. Wenn nicht, müssen sie die Gilde verlassen.«

»Wohin gehen sie dann?«

»Zu Verwandten in der Stadt.«

»In den Inneren Ring.«

»Ja.«

Sie dachte über seine Worte nach, dann blickte sie ihn an. »Leben auch Magier in der Stadt?«

»Einige wenige. Man sieht es nicht gern.«

»Warum nicht?«

Er lächelte schief. »Vergiss nicht, dass wir einander im Auge behalten sollen, um sicherzustellen, dass keiner von uns sich zu intensiv mit Politik beschäftigt oder sich an einer Verschwörung gegen den König beteiligt. Wenn zu viele von uns außerhalb der Gilde lebten, wäre das deutlich schwieriger.«

»Warum gestattet man trotzdem einigen Magiern, es zu tun?«

Sie hatten das Ende des Korridors erreicht und machten sich auf den Weg nach unten.

»Dafür gibt es viele Gründe, die von Fall zu Fall ganz verschieden sind. Alter, Krankheit.«

»Gibt es auch Magier, die sich dagegen entschieden haben, der Gilde beizutreten – die zwar die Kontrolle ihrer Magie erlernt haben, aber nicht, wie man sie benutzt?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein. Die Kräfte der jungen Männer und Frauen, die sich uns anschließen wollen, sind anfangs nur latent vorhanden, sie sind noch nicht geweckt worden. Erst wenn klar ist, dass sie der Gilde beitreten wollen, werden ihre Kräfte aktiviert, und dann müssen sie sofort deren Kontrolle erlernen. Denk daran, dass du ein Einzelfall bist. Deine Kräfte haben sich von allein entwickelt, was normalerweise nie geschieht.«

Sie runzelte die Stirn. »Hat schon jemals ein Magier die Gilde verlassen?«

»Nein.«

Bevor sich ihr Gespräch weiterentwickeln konnte, hörten sie von unten Dannyls Stimme – und die eines anderen Magiers. Rothen verlangsamte seine Schritte, um Sonea reichlich Zeit zu geben, sich der Anwesenheit dieses anderen Magiers bewusst zu werden.

Als der Mann die Treppe heraufgeschwebt kam, ohne mit den Füßen den Boden zu berühren, wich Sonea zurück. Rothen erkannte den Magier und begrüßte ihn mit einem Lächeln.

»Guten Abend, Lord Garrel.«

»Guten Abend«, erwiderte der Magier und zog dann die Augenbrauen in die Höhe, als er Sonea bemerkte.

Sonea starrte den Magier mit weit aufgerissenen Augen an. Als Garrel das höhergelegene Stockwerk erreicht hatte, setzte er die Füße auf den festen Boden des Korridors. Er sah Sonea zwar nur kurz, aber mit deutlichem Interesse an, dann ging er seiner Wege.

»Levitation«, erklärte Rothen Sonea. »Beeindruckend, nicht wahr? Dazu gehört eine Menge Talent. Nur etwa die Hälfte von uns ist dazu in der Lage.«

»Ihr auch?«, fragte sie.

»Früher habe ich mich ständig der Levitation bedient«, antwortete Rothen. »Aber inzwischen bin ich aus der Übung. Dannyl kann es.«

»Ah, aber ich bin nicht so ein Angeber wie Garrel.« Dannyl stand am unteren Ende der Treppe.

»Ich ziehe es vor, meine Beine zu benutzen«, erklärte Rothen Sonea. »Mein ehemaliger Mentor sagte immer, dass körperliche Ertüchtigung genauso notwendig sei wie geistige Übung. Vernachlässige den Körper, und…«

»… und du vernachlässigst den Geist«, beendete Dannyl mit einem Stöhnen Rothens Satz. »Sein Mentor war ein weiser und aufrechter Mann«, sagte er dann zu Sonea. »Lord Margen hatte sogar etwas gegen Wein.«

»Das muss wohl der Grund gewesen sein, warum du ihn nie besonders gemocht hast«, bemerkte Rothen lächelnd.

»Ein Mentor?«, wiederholte Sonea.

»Das ist eine Tradition der Gilde«, erklärte er. »Als ich Novize war, hat Lord Margen beschlossen, meine Ausbildung zu begleiten, so wie ich Dannyls Ausbildung begleitet habe.«

Rothen schlug den Weg zu Dannyls Räumen ein, und Sonea ging neben ihm her. »Inwiefern habt Ihr ihn begleitet?«

Rothen breitete die Hände aus. »In vielerlei Hinsicht. Vor allem habe ich ihm auf die Sprünge geholfen, wo er Wissenslücken aufwies. In einigen Fällen hatten seine Lehrer sich Versäumnisse zu Schulden kommen lassen, und für manche Dinge war er einfach zu faul gewesen oder hatte zu wenig Begeisterung aufgebracht.« Sonea sah zu Dannyl hinüber, der sichtlich erheitert nickte.

»Außerdem hat Dannyl mir bei meiner Arbeit geholfen und mehr durch Erfahrung gelernt, als er im Unterricht hätte lernen können. Der Grundgedanke dieses Systems besteht darin, einem Novizen zu helfen, auf einem bestimmten Gebiet herausragende Leistungen zu erzielen.«

»Haben alle Novizen Mentoren?«

Rothen schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist nicht üblich. Nicht alle Magier haben Zeit und Lust, die Verantwortung für die Ausbildung eines Novizen zu übernehmen. Nur solche Novizen, die besonders vielversprechend sind, haben Mentoren.«

Sie zog die Augenbrauen in die Höhe. »Warum wollt Ihr dann…« Sie runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf.

Als sie sein Quartier erreicht hatten, legte Dannyl sachte die Hand auf die Tür. Sie schwang nach innen, und ein schwacher Duft von Chemikalien wehte ihnen entgegen.

»Herzlich willkommen«, sagte er und ließ sie eintreten.

Obwohl das Gästezimmer genauso groß war wie das von Rothen, wurde die Hälfte des Raums von langen Tischen vereinnahmt. Darauf standen eigenartige Gerätschaften, und darunter lagerten zahlreiche Kisten. Dannyls Arbeitsutensilien waren jedoch wohlgeordnet und makellos gepflegt.

Sonea schaute sich mit unverhohlener Erheiterung in dem Raum um. Obwohl Rothen schon viele Male in Dannyls Quartier gewesen war, fand er es immer wieder seltsam, ein Alchemieexperiment in einem Wohnraum aufgestellt zu sehen. In der Universität war der Platz begrenzt, daher benutzten die wenigen Magier, die ähnlichen Interessen wie Dannyl nachgingen, häufig ihre eigenen Räume.

Rothen seufzte. »Man kann unschwer erkennen, warum Ezrille die Hoffnung aufgegeben hat, eine Frau für dich zu finden, Dannyl.«

Wie immer schnitt sein Freund eine Grimasse. »Ich bin zu jung zum Heiraten.«

»Unsinn«, entgegnete Rothen. »Du hast einfach keinen Platz für eine Frau, das ist alles.«

Dannyl lächelte und winkte Sonea zu sich heran. Sie trat auf die Tische zu und ließ sich von ihm seine Experimente erklären. Schließlich holte er einige verblasste Bilder hervor, die sie genauestens untersuchte.

»Es ist möglich«, beendete er seinen kleinen Vortrag. »Die einzige Herausforderung besteht darin, dafür zu sorgen, dass das Bild nicht wieder verblasst.«

»Könntet Ihr nicht einen Maler beauftragen, Euch eine Kopie des Bildes anzufertigen, solange die Farben noch frisch sind?«, fragte sie.

»Das könnte ich natürlich tun.« Dannyl runzelte die Stirn. »Wahrscheinlich ließe sich das Problem auf diese Weise umgehen. Der Maler müsste natürlich gut sein. Und schnell.«

Sonea gab ihm die Proben seiner Arbeit zurück und ging zu einer gerahmten Landkarte an der Wand hinüber.

»Ihr habt gar keine Bilder aufgehängt«, sagte sie. »Es sind alles Landkarten.«

»Ja«, erwiderte Dannyl. »Ich sammle alte Landkarten und Pläne.«

Sie ging weiter. »Das hier ist die Gilde.«

Rothen trat neben sie. Der Plan war von dem berühmtesten Architekten der Gilde, Lord Corel, eigenhändig mit säuberlich geschriebenen Erklärungen versehen worden.

»Wir befinden uns hier.« Dannyl zeigte auf eine Stelle der Karte. »Im Magierquartier.« Dann bewegte er den Finger zu einem ähnlichen Rechteck hinüber. »Das ist das Novizenquartier. Alle Novizen, die zur Ausbildung in die Gilde kommen, werden hier untergebracht, selbst wenn sie Familie in der Stadt haben.«

»Warum?«

»Damit wir ihnen das Leben schwer machen können«, antwortete Dannyl prompt. Sonea warf ihm einen raschen Blick zu und schnaubte leise.

»Man entzieht die Novizen dem Einfluss ihrer Familie, wenn sie hierher kommen«, schaltete sich Rothen ein. »Wir müssen sie von den kleinen Intrigen entwöhnen, mit denen die Häuser sich die Zeit vertreiben.«