»Die Kyberratten lassen Störprogramme ablaufen, um diesen Turm zu isolieren«, erklärte Stevie Zwo. »Niemand da draußen wird erfahren, was hier vor sich geht, bis alles vorüber ist.«
Owen runzelte zweifelnd die Stirn. »Lektronenhacker sind nicht gerade für ihre Zuverlässigkeit berühmt.«
»Denen könnt Ihr vertrauen«, entgegnete Stevie Eins. »Und wenn auch nur aus dem einen einzigen Grund, daß sie Angst haben, wir treten ihnen in den Hintern, wenn sie es vermasseln.«
»Richtig«, pflichtete Stevie Drei bei.
Owen und Hazel wandten sich plötzlich um und spähten nachdenklich die Treppe hinab. Hazel zog ihre Pistolen, und Owen wandte sich erneut den drei Stevie Blues zu. »Wir bekommen Besuch«, sagte er.
»Seid Ihr auch Esper oder so was?« fragte Stevie Eins.
»Eher ›so was‹«, erwiderte Owen. »Der Investigator muß sich nach unten zurückgezogen und seine Leute alarmiert haben. Es dauert nicht mehr lange, und wir stehen hüfttief in Sicherheitsleuten.«
»Das ist noch nicht alles«, bemerkte Stevie Zwo. »Sie haben einen ESP-Blocker dabei. Ich spüre, wie meine Kräfte schwinden, je näher sie kommen.«
»Na wunderbar«, murrte Hazel. »Kann sonst noch was schiefgehen?«
»Eine ganze Menge, jedenfalls wenn wir nur hier herumstehen und auf sie warten«, antwortete Owen. »Darf ich vorschlagen, daß wir uns in den Rechnersaal zurückziehen?«
»Zu spät«, sagte Stevie Drei. »Sie sind bereits da.«
Die drei Klone zogen ihre Schwerter mit der gleichen schnellen, geübten Bewegung und traten vor, um den Treppenabsatz zu blockieren. Owen und Hazel stellten sich neben sie, die Waffen gezückt, gerade rechtzeitig, um eine einzelne große Gestalt zu sehen, die auf dem letzten Treppenabsatz unter ihnen in Sicht kam. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, und unter dem Umhang war ein schwerer Kampfanzug zu erkennen. Der Mann wirkte wie Mitte Dreißig und sah nicht sonderlich gut aus. Seine dunklen Augen und sein Lächeln waren eiskalt, und selbst so, wie er jetzt dastand, mit leeren Händen und unbewaffnet, erweckte er einen sehr gefährlichen und selbstbewußten Eindruck. Stevie Zwo pfiff leise durch die Zähne.
»Seine Boshaftigkeit Lord Dram persönlich. Ich denke, wir sollten uns jetzt geehrt fühlen. Normalerweise läßt er Esper nur aus sicherer Entfernung ermorden.«
»Diesmal kann er den Turm nicht einfach in die Luft jagen und verbrennen«, sagte Stevie Eins. »Die Eiserne Hexe packt ihn bei den Eiern, wenn die Steuerbehörde zerstört wird.«
Owen und Hazel warfen sich nachdenkliche Blicke zu.
»Dieser Mann ist definitiv tot«, erklärte Owen. »Ich habe seine Leiche gesehen.«
»Aber wer, zur Hölle, ist das dann?« fragte Hazel. »Ein Klon? Weiß das jemand am Hof? Oder war der, den wir sterben sahen, der Klon?«
»Sollten wir Eurer Unterhaltung folgen können?« erkundigte sich Stevie Eins.
»Ich werde es später erklären«, antwortete Owen. »Immer vorausgesetzt, es gibt ein Später. Für den Augenblick müßt Ihr mir einfach glauben, wenn ich Euch sage, daß die Dinge nun ein ganzes Stück komplizierter geworden sind. Der Witwenmacher ist ein wichtiger Teil des Imperiums, den wir ganz vergessen hatten. Das Rebellenhauptquartier muß unbedingt davon erfahren.«
»Ich habe eine bessere Idee«, sagte Hazel. Sie hob ihre Projektilwaffe und feuerte eine Garbe auf Dram. Das Treppenhaus echote dröhnend, als die Kugeln in die Stahlwände einschlugen, aber Drams Grinsen wankte nicht eine Sekunde. Das Holobild flackerte ein wenig, und das war auch schon alles.
»Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, daß jemand in meiner Position persönlich hier erscheinen und sich mit Rebellenabschaum abgeben würde, oder vielleicht doch?« fragte Dram gelassen. »Die unteren Stockwerke dieses Turms sind inzwischen abgeriegelt und von meinen Leuten besetzt. Es gibt keinen Ausweg. Ihr könnt nirgendwo mehr hin. Ergebt euch, und Ihr bleibt zumindest so lange am Leben, bis Ihr vor einem Gericht gestanden habt.«
Die Stevie Blues starrten ihn mit wilden Blicken an. Stevie Eins spuckte aus. »Wieso glaubst du nur, wir würden einem verräterischen Schuft wie dir noch glauben? Du kamst zu uns als ein Mann namens Huth, und wir vertrauten dir. Im Gegenzug hast du uns an die Eiserne Hexe und die Imperialen Wachen verraten. Hunderte guter Männer und Frauen mußten an jenem Tag ihr Leben lassen, nur weil sie Esper oder Klone waren. Wir werden lieber sterben, als uns dir zu ergeben!«
»Ganz wie ihr meint«, erwiderte Dram, und sein Holobild verschwand wie eine geplatzte Seifenblase. Die stählernen Treppen erzitterten, als eine Armee hinaufgestürzt kam. Owen feuerte mit dem Disruptor über das Geländer, doch der Energiestrahl prallte wirkungslos von einem Schild ab. Die Esper konzentrierten sich, und eine Flammenwand erschien mitten auf der Treppe. Doch der Schild rückte unbeirrt weiter vor und schob die Flammen vor sich weg, die stetig schwächer wurden, je näher der ESP-Blocker kam. Die Stevie Blues blickten Owen und Hazel ratlos an.
»Seht nicht mich an«, beschwerte sich Hazel. »Mir sind die Ideen ausgegangen. Wie lange läuft das verdammte Programm noch, Owen?«
»Kann nicht mehr lange dauern. Vielleicht ein paar Minuten.
Aber wir dürfen uns nicht in diesem Raum einkesseln lassen.«
»Und ein paar Minuten bleiben uns auch nicht mehr. Was haltet ihr davon, wenn wir eine Barrikade errichten?«
»Schaden kann es jedenfalls nicht«, antwortete Owen. Und dann: »Seht Ihr, Hazel? Wenn Ihr müßt, dann habt Ihr auch Ideen. Stevies, wenn Ihr vielleicht mit anfassen könntet…?«
Die Rebellen rannten in den Rechnerraum zurück und packten alles, was nicht an Ort und Stelle angeschweißt war. Sie schoben und zerrten die Apparate hinaus in den Korridor und zur Treppe. Dann kippten sie sie einfach hinunter. Der Weg war augenblicklich vollständig blockiert, und der gegnerische Vormarsch kam zu einem unerwarteten Halt. Schutzschilde waren exzellent, wenn es um das Abfangen von Kugeln oder Disruptorstrahlen ging, aber mit mehreren hundert Kilogramm ineinander verkeilten Büromobiliars hatten auch sie ihre Schwierigkeiten. Die Wachen blieben stehen, um sich zu beratschlagen, während Dram ihnen von unten wütende Befehle zuschnarrte. Owen und Hazel grinsten sich an und dann die Stevies…, und dann wirbelten sie alle gleichzeitig herum, als eine Glocke die Ankunft des Aufzugs signalisierte.
»Das sollte unmöglich sein«, erklärte Stevie Eins verblüfft.
»Die Kyberratten sollten die Aufzüge außer Betrieb setzen!«
»Vertraue niemals jemandem, der ein unnatürliches Verhältnis mit einem Datenlaufwerk hat«, warf Stevie Zwo ein.
»Richtig«, stimmte Stevie Drei zu.
Die Rebellen verteilten sich mit erhobenen Pistolen und Schwertern vor der Lifttür. Mit einemmal war es wieder vollkommen still. Owens Hände schwitzten, und er wünschte, er hätte genug Zeit gefunden, sie abzuwischen. Die Glocke des Aufzugs ertönte erneut, und die Türen glitten zur Seite, um den Blick auf einen mittelgroßen, tadellos gekleideten Mann mit stark zerfurchtem Gesicht und langem, sorgfältig frisiertem weißem Haar freizugeben. Er lächelte die Wartenden vereinnahmend an. Die Stevies atmeten erleichtert auf und senkten die Waffen.
»Wir hätten es wissen müssen«, sagte Stevie Zwo. »Wenn es jemanden gibt, der an einer ganzen Armee von Wachen vorbeischlüpfen und einfach so hier hereinspazieren kann, dann seid Ihr das.«
»Ihr wißt, wie das ist«, erwiderte der Neuankömmling mit tiefer Baßstimme. »Ich liebe gute Auftritte. Und nun seid doch bitte so freundlich und stellt mich Euren Freunden vor. Pistolen machen mich immer so nervös.«
»Dieser alternde Halunke hier nennt sich Alexander Sturm«, erklärte Stevie Eins. »Unverbesserlicher Rebell, Abenteurer und Schmeißfliege par excellence. Held der Rebellion, professioneller Wäscheständer und ganz allgemein eine der sieben biblischen Plagen. Wir geben uns nur aus dem Grund mit ihm ab, weil er es immer wieder fertigbringt, die Imperialen Wachen wie dumme Anfänger aussehen zu lassen.«