Er liebte Hazel auf eine Art, die ihm klarmachte, daß er noch nie jemand anderen wirklich geliebt hatte. Katie war mehrere Jahre lang seine Geliebte gewesen, aber auch seine Mätresse und somit in Wirklichkeit nur eine weitere Dienerin. Sie war eine Spionin des Imperiums gewesen, und sie hatte versucht, ihn zu töten, als die Nachricht von seiner Ächtung gekommen war. Er hatte Katie, ohne zu zögern, getötet. In Owens Familie hatte es nie viel Liebe gegeben, ganz besonders nicht von seinem Vater, der ständig unterwegs gewesen war. So hatte Owen gelernt, ohne Liebe zu leben. Doch dann war Hazel in sein Leben geplatzt, und alles hatte sich schlagartig geändert. Manchmal konnte er sie nicht ansehen, ohne daß ihm der Atem zu stocken drohte, und wenn sie zu ihm sprach, schlug sein Herz schneller. Ihr seltenes Lächeln brachte ihn in eine gute Laune, die stundenlang anhielt.
Um ehrlich zu sein – Owen hätte gut ohne Liebe leben können. Sie verkomplizierte die Beziehung zwischen ihnen und lenkte ihn von wichtigeren Dingen ab. Aber es schien, als hätte er in dieser Sache keine große Wahl. Owen liebte Hazel, trotz all ihrer zahlreichen Fehler, oder vielleicht sogar gerade deswegen. Auch wenn er es ihr niemals beichten könnte. Sie würde ihn bestenfalls auslachen oder ihm sagen, daß er sich zur Hölle scheren sollte. Und schlimmstenfalls wäre sie nett, freundlich und verständnisvoll, während sie ihm einen Korb gab, und er wußte nicht, ob er das ertragen könnte. Owen wußte nichts über Liebe oder Liebende, aber selbst er wußte, daß Hoffnung besser war als Desillusion.
In seinem Komm-Implantat klingelte ein lautloses Signal.
Owen sah, wie Hazels Kopf herumruckte, als der Alarm auch in ihrem Implantat ertönte. Sie steckte das Schwert ein und kletterte auf ihren Gravschlitten, einsatzbereit wie immer.
Owen schob die Lektronenkodes in eine Innentasche, zog den Reißverschluß zu und startete seinen eigenen Schlitten. Das Implantat zeigte ihm einen Sensorausblick auf das Hauptlandefeld, das sich unter ihnen erstreckte. Überall standen Schiffe in allen Formen und Größen, die stetig größer wurden, während sie sich rasch der Oberfläche näherten. Es gab nirgendwo einen freien Platz, auf dem das Schiff der Hadenmänner hätte landen können, doch das war nicht weiter schlimm. Es war nicht beabsichtigt, daß sie landeten. Owen grinste. Wenn alles nach Plan verlief, würden sie jetzt ihre Tarnfelder abschalten. Und dann würde es wirklich interessant werden.
Die Hadenmänner schwebten direkt über dem Hauptkontrollturm, als es soweit war. Unter ihnen vergaßen die Leute ihre Ortungsgeräte, starrten nach oben auf die gewaltige goldene Nadel und brachen in Hysterie und Panik aus. Eine Menge Geschrei, und alle rannten wirr durcheinander. Owen konnte ihnen nachfühlen. Als Golgatha das letzte Mal ein Hadenmann-Schiff aus derartiger Nähe gesehen hatte, waren die Kyborgs als Feinde der Menschheit gekommen, um die Verteidigung des Heimatplaneten auszuschalten. Und auch damals hatten sie die planetaren Sicherheitseinrichtungen umgangen. Jedenfalls ging das aus ein paar geheimgehaltenen Berichten hervor, über die Owen zufällig gestolpert war, als er nach etwas anderem gesucht hatte.
Der visuelle Eindruck erlosch, und Owen lächelte Hazel zu.
Sie grinste zurück. In diesem Chaos würde niemand die beiden Gravschlitten bemerken. Owen hielt die Kontrollen mit festem Griff. Nur noch wenige Augenblicke, und er würde keine Zeit mehr haben, um nervös zu sein. Er hoffte nur, daß Hazel sich genauso, zuversichtlich fühlte, wie sie aussah. Es wäre zu schön, wenn wenigstens einer von ihnen guten Mutes war. Ein weiteres Signal ertönte in Owens Kopf, und die großen Schleusentüren unter ihnen glitten zur Seite. Die Temperatur im Frachtraum sank mit schmerzhafter Schnelligkeit, und Owen sah helles Sonnenlicht durch den sich verbreiternden Spalt. Er hob seinen Schlitten ein wenig und schwebte nun dicht über dem Boden. Hazel folgte seinem Beispiel und steuerte ihr Gefährt dicht neben Owen. Die Türen glitten weiter auf, und jetzt konnten sie auch das Landefeld unter sich erkennen. Es war noch ziemlich weit bis zur Oberfläche. Owen atmete tief durch und dirigierte seinen Schlitten durch den Spalt. Hazel folgte dichtauf, und zusammen fielen sie aus dem Bauch des goldenen Schiffs und schossen nach unten in Richtung des Landefelds.
Hinter ihnen schlossen sich die weiten Türen mit lautem Krachen, und das Schiff der Hadenmänner schoß davon, während sich bereits ein halbes Dutzend Imperialer Verteidiger an die Verfolgung gemacht hatte. Sie feuerten mit allem, was sie hatten. Die Kraftfelder des goldenen Schiffs flammten hier und da kurz auf, aber sie schienen die feindlichen Treffer mühelos auszuhalten. Niemand beachtete die beiden winzigen Gestalten, die auf ihren Gravschlitten zur Oberfläche herabschwebten. Sie waren zu klein für die schweren Sensoren des Raumhafens, und sie bewegten sich zu schnell für das nackte Auge. Der Plan war ganz einfach. Das Schiff der Hadenmänner würde noch eine Weile herumhängen und die Aufmerksamkeit auf sich lenken, während Hazel und Owen ihre Mission in Angriff nahmen. Es würde einige Zeit dauern, bis der Raumhafen genug Verteidiger zusammengezogen hätte, um das goldene Schiff in Bedrängnis zu bringen. Bis dahin wäre Owens und Hazels Mission bereits erfüllt, und das Hadenmann-Schiff würde zurückkehren und sie wieder aufnehmen. Dann würden sie mit Höchstgeschwindigkeit von Golgatha fliehen und in den Hyperraum springen, bevor das Imperium seine Aktionen koordinieren konnte.
Ein sehr einfacher Plan. Owen mochte einfache Pläne. Je komplizierter ein Plan war, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß irgend etwas schiefgehen konnte. Owen machte sich keine Gedanken, daß dem goldenen Schiff etwas zustoßen könnte. Die Stärke der Schutzschirme von Hadenmann-Schiffen war legendär, und es war mit allen Arten von Waffen bestückt, von denen Owen einige noch nicht einmal benennen konnte. Er hatte den aufgerüsteten Männern das Versprechen abgenommen, daß sie ihre Waffen nur zur Selbstverteidigung und nur im Notfall einsetzen würden. Es ging nicht an, die Rebellion mit einem blutigen Massaker zu beginnen. Die Menschen würden einen ganz falschen ersten Eindruck gewinnen, und der erste Eindruck war immer der wichtigste. Die aufgerüsteten Männer hatten freundlich genickt und an den richtigen Stellen Ja und Nein und Selbstverständlich gesagt. Owen hatte sich damit zufriedengegeben und gehofft, daß sie sich auch daran halten würden.
Das Kraftfeld des Schlittens schaltete sich automatisch ein, als er wie ein Stein nach unten sackte, um ihn vor dem rauschenden Wind zu schützen. Geschwindigkeit war im Augenblick alles, worauf es ankam. Owen und Hazel mußten aus dem Bereich des Raumhafens verschwinden und in der überfüllten Stadt untertauchen, bevor irgend jemand sie entdeckte.
Die pastellfarbenen Wohntürme der Stadt ragten vor Owen in den Himmel. Er verringerte seine Geschwindigkeit ein wenig, als er durch Straßenschluchten und zwischen den Türmen hindurch raste. Die Schilde erloschen, um Energie zu sparen, und der kalte Wind schlug über Owen zusammen. Owens Augen begannen zu tränen. Er verkniff das Gesicht und konzentrierte sich auf den Stadtplan, den er sich zuvor gründlich eingeprägt hatte. Es war nicht sehr weit, aber der Weg war nicht leicht zu finden – besonders dann nicht, wenn man nicht beabsichtigte, den normalen Verkehrswegen zu folgen. Owen raste an einem schwebenden roten Licht vorbei und zwängte sich dicht zwischen einem Turm und einem entgegenkommenden Bus hindurch. Er erhaschte einen kurzen Blick auf Gesichter mit weit aufgerissenen Mündern, dann war er vorbei. Owen grinste und aktivierte sein Kommimplantat auf dem abgeschirmten Kanal.