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»Das versteh ich gut. So bin ich auch ... Sagen Sie mir bitte, Lady Tanita, was Karri in der Freizeit getan hat. Man muss sich ja selbst von der liebsten Arbeit mitunter erholen.«

»Mit dieser Behauptung wäre Karri absolut nicht einverstanden gewesen. Seine einzige Methode, sich zu erholen, bestand darin, hinterm Tresen zu stehen und ein wenig mit den Gästen zu plaudern. Vielleicht werden Sie es mir nicht glauben, doch er ging sogar in andere Wirtshäuser nur mit dem Ziel, die kulinarischen Geheimnisse der Konkurrenz zu knacken. Und das ist ihm immer gelungen. Karri hat nie eine Lehre als Koch gemacht. In seiner Jugend war er Bote in der Kanzlei der Zufriedenheit. Die Trunkene Flasche habe ich von meiner Großmutter geerbt. Zuerst dachten wir, wir müssten das Lokal den Angestellten überlassen, da wir nicht mal Kamra kochen konnten. Einige fahre war Karri nur Aushilfskoch und hat schmutzigste Arbeiten verrichtet. Dann hat er plötzlich einen Salat zubereitet - einen ganz normalen Salat -, aber die Leute meinten, so etwas Leckeres hätten sie seit Beginn der Epoche des Gesetzbuchs nicht gegessen. Dabei hatte Karri nur dem Koch bei der Arbeit zugesehen und sich dabei etwas ausgedacht.«

»Ist Ihr Mann oft auf die Jagd gegangen?«, wollte ich wissen.

Lady Tanita sah mich fragend an.

»Auf die Jagd nach Kochrezepten, meine ich.«

»Ziemlich oft ... Alle zwölf Tage bestimmt, manchmal öfter. Er hat sogar gelernt, seine Gesichtszüge zu verändern, weil kein Koch seine Geheimnisse gern an jemanden vom Fach ausplaudert. Dieser Argwohn ist ganz natürlich, müssen Sie wissen, denn der Konkurrenzdruck ist sehr groß.«

»Na sehen Sie! Und gerade haben Sie mir noch erzählt, Sie hätten ein ganz normales Leben geführt! Obwohl Ihr Mann Karwen in fremder Gestalt die Geheimrezepte seiner Kollegen geknackt hat! Sie werden mir sicher Recht geben, wenn ich sage, dass das kein typisches Verhalten ist ... Aber verzeihen Sie bitte meinen besserwisserischen Ton. Ich habe mir leider angewöhnt, wie ein Kriminalbeamter daherzureden.«

»Schon gut, Sir Max. Sie könnten auch wie ein Friedhofswärter reden. An meiner Lage ändert das ohnehin nichts. Und wenn Sie lächeln, vergesse ich sogar, dass Karri nicht mehr unter uns weilt.«

»Lady Tanita«, begann ich ernst, »denken Sie bitte daran, dass es außer unserer Welt noch andere Welten gibt. Das kann ich beschwören. Ihr Mann befindet sich an irgendeinem weit entfernten Ort. Wissen Sie, als meine Großmutter starb - die einzige Person in meiner Familie, die ich wirklich geliebt habe -, sagte ich mir, sie sei bloß weggefahren, und wir könnten sie nun nicht mehr sehen; das sei natürlich schlimm, aber immerhin lebe sie irgendwo weiter. Glauben Sie mir, Lady - vom Tod weiß niemand mehr als ich«, sagte ich und knetete den Saum meines schwarzen Todesmantels.

Wer hätte das gedacht? Meine naive religiöse Überzeugung hat dieser armen Frau wirklich geholfen! Jedenfalls lächelte sie gedankenverloren.

»Bestimmt haben Sie Recht, Sir Max. Ich wüsste nur gern, was für eine Welt das sein mag und ob es Karri dort gefällt. In einer anderen Welt zu sein ist besser, als nirgendwo zu sein. Aber irgendwann kommt auch für mich die Zeit, und dann werde ich ihn finden - meinen Sie nicht auch?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete ich ehrlich. »Aber ich hoffe es sehr. Wir werden alle gleich hinter der Schwelle, die die Welten trennt, jemanden suchen gehen.«

»Sie sind wirklich ein guter Mensch, Sir Max.«

»Erzählen Sie das aber niemandem, sonst kann ich nicht mehr normal arbeiten. So wie es ist, ist es für alle am besten. Die Verbrecher haben so große Angst vor meinem Mantel, dass sie keine größeren Untaten begehen.«

Die Erinnerung an den tödlich verängstigten Herrn Ploss ließ mich lächeln, und das brachte mich auf eine recht kluge Frage.

»Lady Tanita, denken Sie bitte scharf nach: Hatte Ihr Mann spezielle Pläne für den letzten Tag des Jahres? Könnte er sich vor dem Jahreswechsel noch die Erfüllung eines besonderen Versprechens vorgenommen haben? Hat er vielleicht ein außergewöhnliches kulinarisches Geheimnis knacken oder ein besonders raffiniertes Gericht kreieren wollen? Könnte es sein, dass er dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt hat?«

Ich konnte mich schwer von meiner Lieblingshypothese trennen, wonach in Karris Tod ein unbekannter rebellischer Magister verwickelt war, denn ich hatte mich daran gewöhnt, dass hinter jedem außergewöhnlichen Gegenwartsereignis ein schweres Erbe der Vergangenheit steht. Vielleicht hatte der Wirt ja einem gefährlichen Magister ein Rezept entlocken wollen.

»Karri hat mich nicht in die Geheimnisse seiner Kochkunst eingeweiht. Er mochte es, mich zu überraschen. Wissen Sie, Sir Max, Karri fühlte sich ... na ja, wie ein Großer Magister. Und das war er auch, wenn er am Herd stand. Aber ich glaube, Sie haben Recht: In letzter Zeit hat Karri das Haus täglich für zwei, drei Stunden verlassen und hatte immer seine furchtbare weißblonde Perücke dabei. Und dann blieb er bis in die frühen Morgenstunden in der menschenleeren Küche. Und am letzten Abend wirkte er überaus zufrieden. Ja, Sir Max, ich glaube, Sie haben Recht: Karri dürfte ein fremdes Geheimnis geknackt haben.«

»Und Sie wissen natürlich nicht, wessen Geheimnis?«, fragte ich ohne große Hoffnung auf eine positive Antwort.

»Nein, Sir Max, wirklich nicht. Ich weiß bloß, dass Karri sich nur für die allerbesten Köche interessiert hat. Kennen Sie den Koch vom Gesättigten Skeletth-

»Natürlich, ich wohne doch gleich um die Ecke. Ihnen, Lady Tanita, kann ich es ja beichten: Als ich gemerkt habe, dass der Koch dort mit Schwarzer Magie zweiten Grades etwas übertreibt, hab ich gleich gedacht, dass man dort gut frühstücken kann.«

»Eben! So eine niedrige Stufe hat Karri nie interessiert. Das war unterhalb seiner Vorstellung von Kunst.«

»Nicht schlecht. Damit wird der Kreis der Verdächtigen deutlich kleiner. Sie erleichtern mir meine Arbeit wirklich sehr. Welche Wirtshäuser erfreuten sich denn der besonderen Wertschätzung Ihres Mannes?«

»Lassen Sie mich kurz nachdenken. Er hat die Konkurrenz nur ungern gelobt, aber das Fressfass und der Bucklige Itulo waren natürlich die allerbesten. Der Gefräßige Truthahn und der Dicke Mann an der Kurve gehörten auch dazu. Von den Wirtshäusern mit einem Skelett im Namen hat er nur am Tanzenden Skelett ein gutes Haar gelassen. Wissen Sie, der Koch dort hat irgendwann bei dem legendären Wagata Wach als Aushilfe gearbeitet. Karri hat immer behauptet, die besten Köche seien ohnehin bei reichen Leuten angestellt. Dort hätten sie Zeit genug für ihre Kunst und müssten sich nicht damit herumschlagen, eine Horde angetrunkener Dummköpfe zu ernähren, wie er zu sagen pflegte. Er träumte davon, Schuta Wach kennen zu lernen, den Sohn des großen Wagata, aber das war unmöglich. Die reichen Familien und ihre Köche - das ist wirklich eine geschlossene Gesellschaft. Vielleicht hat Karri sich ja in die Küche eines Privathaushalts eingeschlichen? Aber eigentlich glaube ich nicht daran. Das wäre selbst für ihn eine zu abenteuerliche Recherche gewesen.«

Vielen Dank, Lady Tanita. Jetzt weiß ich genug. Seien Sie mir bitte nicht böse, wenn ich mich irgendwann per Stummer Rede bei Ihnen melde. Mir kann stündlich eine dumme Frage in den Sinn kommen. Machen Sie sich also auf das Schlimmste gefasst.«

»Als ob es noch schlimmer werden könnte«, meinte Lady Tanita lächelnd. »Sir Max, ich kann niemanden sonst um Rat fragen - vielleicht können Sie mir ja sagen, was ich machen soll, um nicht verrückt zu werden, wie Sie es gestern genannt haben.«