Выбрать главу

»Soweit sich das Zeug rauchen lässt, das hier als Tabak gilt. Aber zum Glück habe ich Streichhölzer dabei, keine Sorge.«

»Sorge? Angst hab ich! Zünde also endlich deine Pfeife an. Das ist die einzige Lichtquelle, die wir hier haben.«

»Du willst mich wohl umbringen?«

Rasch stopfte ich meine Pfeife. Melifaros Idee war großartig. Ich brauchte nur einen kleinen Zug zu nehmen, da erhellte schon ein schwaches rötliches Licht die Dunkelheit. Wir standen auf der Schwelle zu einem kleinen Zimmer, das voller Schränke stand und sehr seltsam wirkte. Etwas Ähnliches hatte ich in meiner Heimat oft gesehen, nicht aber in Echo, wo die wenigen, stets eleganten Dinge des täglichen Gebrauchs Kunstwerken ähneln.

Da die Aufnahmekapazität meiner Lungen beschränkt war, standen wir bald wieder im Dunklen.

»Was war denn das?«, wollte Melifaro wissen und zupfte am Saum meines Todesmantels. »Mach noch einen Zug, Max, bitte.«

»Wenn du mir weiter solche Befehle gibst, bringe ich dir das Quarzen bei«, sagte ich gereizt. »Das ist ja beschämend - ein erwachsener Mann, der nicht rauchen kann!«

»Mit achtzehn hab ich die Pfeife meines Bruders geklaut, seine Tabakdose leer geraucht und mich dadurch fast vergiftet. Mach bitte noch etwas Licht, Max. Was liegt denn da vorn?«

»Du willst mich wohl tatsächlich umbringen«, sagte ich, trat an einen Schrank heran und nahm erneut einen mächtigen Zug. Sündige Magister! Das war ja gar kein Schrank - das war ein Käfig! Und darin lag ein Mensch und schlief anscheinend. Jedenfalls reagierte er weder auf uns noch auf meine Rauchwolken.

»Der ist weder tot noch lebendig«, konstatierte Melifaro. »Versuch es bei ihm mal mit Stummer Rede, Max. Das ist eine sehr interessante Erfindung. So kann man sogar mit einer Wurst reden.«

Der Teufel muss mir eingeflüstert haben, auf Melifaro zu hören. Die »sehr interessante Erfindung« erwies sich als die ekelhafteste Erfahrung meines Lebens. Zuerst hatte ich den Eindruck, selbst eine lebende Wurst zu sein, die die ganz und gar menschliche Fähigkeit hatte, über sich und ihr Schicksal nachzudenken. Ich war eine Wurst, die träumte, verspeist zu werden. Ich konnte mich partout nicht aus dem Spinnennetz dieses Wahns befreien. Dann spürte ich eine Ohrfeige, die so kräftig war, dass mir die Pfeife aus dem Mund flog, landete an der gegenüberliegenden Wand und prallte mit dem Knie schmerzhaft gegen einen weiteren Käfig.

»Was ist los mit dir, Max?«, fragte Melifaro mit zitternder Stimme. »In was wolltest du dich da eben verwandeln? Wer hat dir das gezeigt? Was passiert hier überhaupt!?«

»Das weiß ich selbst nicht«, seufzte ich, tastete nach meiner erloschenen Pfeife und hob sie auf.

Ein Zug aus der Pfeife erschien mir plötzlich ungemein erstrebenswert, denn bekanntermaßen rauchen Würste nicht. Der bittere Geschmack des Krauts, das man hier für Tabak hält, hätte mir bestätigt, ein Mensch zu sein. Ein paar Sekunden später allerdings wusste ich wieder, wer ich bin.

»Mein Freund, manchmal staune ich selbst über mich«, gab ich zu. »Und ich fürchte mich sogar vor mir. Vermutlich bin ich eine Gefahr für die Öffentlichkeit.«

»Vielleicht gehörst du ja zu den ehemaligen Großen Magistern, die mit Beginn der Epoche des Gesetzes in die Leeren Länder flüchteten. Womöglich hat Juffin dir eine neue Persönlichkeit eingepflanzt, und du hast deine Vergangenheit vergessen.«

»Das will ich nicht hoffen. Vielen Dank für die Ohrfeige - dadurch hast du mir wahrscheinlich das Leben gerettet. Hast du dieses Mittel schon an Toten erprobt? Vielleicht funktioniert es ja dort auch.«

»•Nichts zu danken, Max. Mir war schon lange danach, und plötzlich hatte ich einen guten Grund dafür. Aber was war mit dir los?«

••Ich hab versucht, den Mann im Käfig per Stummer Rede zu erreichen, und war dabei vermutlich etwas übereifrig. Statt - wie üblich - Magie zweiten Grades zu benutzen, hab ich wohl irgendwas im Hunderterbereich erwischt. Bei mir war das schon immer so: Selbst mein Rührei ist ständig versalzen.«

••Tja ... Aber schau dich um, Max. Dort vorn gibt's was Interessantes.«

Ich drehte mich um, entdeckte etwas im Käfig und sah es mir mithilfe meiner Pfeife genauer an. Sündige Magister! Das war ja wieder eine Pastete, die ihre menschlichen Konturen noch nicht ganz verloren hatte - eine sehr aromatisch riechende Pastete in Skaba und Lochimantel.

Meine Nerven waren kurz vor dem Zerreißen. Anscheinend waren wir auf eine ganz große Sache gestoßen, und das viel schneller als erhofft. Aber ich spürte darüber keine Erleichterung.

»Siehst du das?! Melifaro, er verarbeitet sie zu köstlichen Gerichten. Dieses Vieh! Melde dich per Stummer Rede beim Suchtrupp. Ich brauche dringend Lonely-Lokley - je schneller, desto besser.«

»Ja«, flüsterte Melifaro. »Und ich muss dringend aufs Klo. Mir ist kreuzübel, denn auch wir haben gegessen, was er gekocht hat.«

»Tu dir keinen Zwang an«, meinte ich ungerührt. »Aber ich glaube nicht, dass er uns Menschenfleisch vorgesetzt hat. Ich hoffe, der Bucklige hat nur ein einziges Spezialgericht und serviert es nur auserwählten Gästen.«

»Lonely-Lokley kommt gleich«, erklärte Melifaro. »Ich hab ihn gebeten, ein paar Polizisten mitzubringen. Max, was für ein Ekelfass haben wir hier eigentlich angestochen? Komm, sehen wir uns die übrigen Käfige an.«

»Willst du das wirklich? Ohne mich! Ich habe keine Lust, mich nach einem guten Essen zu übergeben. Ich bin anders erzogen.«

»Du machst wohl wieder Witze, Sir Nachtantlitz? Als ob es bei euch in den Grenzgebieten irgendein gutes Restaurant gäbe! Schlimmer, als es jetzt ist, kann es sowieso nicht werden. Vielleicht leben die Menschen in den anderen Käfigen ja noch.«

»Kann sein. Geh und schau dich um. Mir reicht's.«

Ich wandte mich von dem Ekel erregenden Spezialgericht ab und sog an meiner Pfeife. Der hiesige Tabak ist gar nicht so schlimm - Ehrenwort!

»Max, ich hab mich geirrt«, erreichte mich Melifaros Stimme, die mir enorm laut und hell erschien. »Es gibt etwas noch Schlimmeres. Komm und gib mir noch etwas Licht. Und schließ die Augen, wenn du das nicht sehen willst.«

Natürlich sah ich doch hin. Ich habe schon immer gewusst, dass meine Neugier mich zugrunde richten wird. Eine Pastete im Lochimantel sieht schon schlimm aus, aber wenn sie dann noch bis zur Gürtellinie verspeist ist, während die Beine intakt sind ... Sündige Magister! Zum Glück musste ich mich nicht übergeben, weil mein Magen sehr robust ist. Egal, wie viel Ekel er ertragen muss - er arbeitet unbeeindruckt weiter. Aber ich konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten, sondern fiel zu Boden, als wäre ich kein Mensch, sondern eine volle Einkaufstasche.

Dann begriff ich, dass wir nicht mehr allein waren.

Alles war wie im Traum. Innerhalb von Sekunden zog -wie man so sagt - das ganze Leben an mir vorbei.

Ich sah eine bucklige, nicht eben große und ziemlich stämmige Silhouette sowie den Schatten einer Türklinke. Der Koch wollte in seiner Küche aufräumen. Er war aufgeregt und dachte nicht an die Folgen seines Tuns. Binnen Momenten begriff ich, dass auch ich im Käfig landen und als Pastete enden konnte. Dann erkannte ich, dass der bucklige Itulo verrückt war.

Der Koch hatte eine Axt und einen Seidenfaden dabei, mit denen man in Echo Truthähne schlachtet. Er war gekommen, uns brave Agenten zu töten, die wir uns zwischen seinen Käfigen herumtrieben. Von Anfang an hatte er nicht die leiseste Chance, aber das kümmert Wahnsinnige bekanntermaßen nicht.

Ich drehte mich noch mal nach den schrecklichen Folgen von Itulos Kochkünsten um. Sündige Magister! Er mochte so lecker kochen, wie er wollte: Menschen durften dafür nicht sterben - erst recht nicht auf so bestialische Weise.

Ich wollte böse werden, doch es klappte nicht. Ich blieb ruhig, und mir war sogar alles ziemlich egal. Die verflixten Atemübungen, die Lonely-Lokley mir beigebracht hatte, hatten aus dem nervösen Max einen entsetzlich ausgeglichenen Menschen gemacht. Also würde es keinen Wutausbruch geben. Solange ich aber gute Laune hatte, war Spucken zwecklos und allenfalls ein schlapper Bluff.