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Ich war so verwirrt, dass ich vergaß, mich über die sechste Zigarette zu freuen, die mir wie von selbst in die Hand gesprungen zu sein schien.

Im Haus an der Brücke herrschte der alltägliche Wahnsinn. Ein abgemagerter und schlecht gelaunter Melifaro diskutierte mit einem runden Dutzend Köchen, die den Ohrring Ochola unbedingt an diesem Abend noch bekommen wollten.

»Meine Herren, ich arbeite nur bis Sonnenuntergang. Sehen Sie die Sonne noch irgendwo am Himmel? Oder haben Sie nicht auch den Eindruck, dass es massiv dämmert? Na also - kommen Sie bitte morgen wieder.«

Die Köche, die stundenlang im Saal der allgemeinen Arbeit ausgeharrt hatten, scharrten verärgert mit den Füßen und hofften noch immer, Melifaro würde nur ein wenig jammern und ihnen dann doch noch einen Ohrring verpassen.

»Stört es Sie so sehr, morgen wiederzukommen?«, fragte ich freundlich. »Wenn Sie dafür keine Zeit haben, kann ich mich ja jetzt mit Ihnen beschäftigen. Ist jemand interessiert?«

Erschrocken musterten die Köche meinen schwarzgoldenen Todesmantel und verließen nacheinander den Saal. Nach einer Minute war ich mit Melifaro allein.

»Vielen Dank, Sir Nachtantlitz«, sagte er und lächelte müde. »Ich hätte nicht gedacht, dass es in Echo so viele Köche gibt. Heute habe ich hundertfünfzig Männer beringt - ist das nicht unglaublich? Und ich bin nicht so abgehärtet, wie dieser Unmensch Juffin vermutet. Aber jetzt lege ich mich schlafen. Morgen beginnt die Fron von neuem.«

Ich ging in mein Büro. Es war leer - Sir Juffin war bestimmt in ein Wirtshaus gegangen, um die segensreichen kulinarischen Folgen seiner Gesetzesreform zu genießen.

»Max«, sagte Lady Melamori, die plötzlich in der halb offenen Tür stand, »bist du schon da?«

»Nein«, entgegnete ich mit gespielter Entrüstung. »Du hast Halluzinationen!«

»Das hatte ich mir schon gedacht«, meinte sie und setzte sich auf die Armlehne meines Schreibtischstuhls.

»Kannst du mir Kamra geben? Ich hab Lust, ein wenig mit dir zu plaudern. Heute möchte ich nicht spazieren gehen. Weißt du, in letzter Zeit schlafe ich schlecht. Ich wollte dich fragen ...«

»Schieß los!«

Doch in diesem Augenblick kam der Bote vom Fressfass. Melamori schenkte sich ein wenig Kamra ein und versenkte den Blick darin. Also würden wir uns die nächsten zehn Minuten nicht unterhalten (einige ihrer Gewohnheiten kannte ich inzwischen ja schon). Nach kurzem Zögern holte ich eine Zigarette aus der Manteltasche. Zu den Magistern mit der Heimlichtuerei! Sollte mich Lady Melamori auf den Glimmstängel ansprechen, konnte ich immer noch behaupten, ein Päckchen davon aus meiner wilden Heimat als Geschenk bekommen zu haben.

Doch Melamori fragte nicht nach meinen Zigaretten.

»Ich träume jede Nacht von dir«, stellte sie mürrisch fest, »und wollte dich fragen, ob du das mit Absicht machst.«

Reinen Gewissens schüttelte ich den Kopf, denn ich hatte ihre Träume nicht im Geringsten manipuliert und hatte auch keine Ahnung, wie das gehen sollte.

»Auch ich träume von dir - was ist daran so seltsam?

Ich denke viel an dich, und du erscheinst in meinen Träumen. Mehr nicht. So läuft das immer.«

»Ich meine etwas anderes. Bist du sicher, dass du keine Magie einsetzt?«

Ich lachte herzlich.

»Das kann ich gar nicht, Melamori. Frag Juffin! Er hat sich sehr gequält, mir ein paar elementare Dinge beizubringen.«

Das war etwas untertrieben, denn ich lernte schnell und leicht. Aber ich hatte den Eindruck, es würde nicht schaden, ein wenig tiefzustapeln. Die nette Lady sollte mich ruhig für beschränkt halten - das würde sie besser schlafen lassen.

»Verstehe. Natürlich denke auch ich viel an dich. Doch meine Träume erschrecken mich. Ich wollte dich nur herzlich bitten, keinen Zwang auszuüben, um mich in deinen Träumen erscheinen zu lassen. Warte einfach ab. Dass ich so oft von jemandem träume, ist mir noch nie passiert, und ich brauche ein wenig Zeit, mich daran zu gewöhnen.«

»Natürlich. Ich werde tun, was du befiehlst, grausame Lady. Ich kann warten, Kopfstand lernen und mir sogar die Haare rot färben lassen. Wenn es sein muss, bin ich sehr pflegeleicht.«

»Du willst dir die Haare rot färben lassen? Was sind denn das für Sprüche?«, rief Melamori und kicherte verzückt. »Dass du überhaupt auf so eine Idee kommst ... Weißt du, wie das aussehen würde?«

»Ich wäre der Hübscheste weit und breit«, meinte ich stolz. »Du würdest deinen Augen nicht trauen.«

Kaum war ich allein, schüttelte ich begeistert den Kopf. Meine lang erwartete, innig ersehnte Affäre am Arbeitsplatz trat langsam in ihre heiße Phase. Und die Träume ... Na, wie man hier in Echo sagt: Wir waren uns gegenseitig ans Herz gewachsen und träumten deshalb voneinander. Ich kam nicht auf die Idee, die Fragen von Lady Melamori ernst zu nehmen. Dabei hätte ich ahnen können, dass wir beide den gleichen Traum sahen. Manchmal bin ich erstaunlich begriffsstutzig. Besonders, wenn es mir in den Kram passt.

»Langweilen Sie sich?«, fragte Sir Kofa, der so unvermittelt aufgetaucht war, dass ich wie angestochen aufsprang. »Ziehen Sie sich lieber rasch um, und dann gehen wir.«

»Wohin denn?«, fragte ich neugierig.

»Wohin wohl? Dorthin, wo Wunder geschehen. Ich muss Sie wirklich noch ein wenig erziehen.«

»Und wer soll hierbleiben?«, fragte ich und hatte schon begonnen, den Todesmantel abzulegen. Darunter trug ich eine unauffällige dunkelgrüne Skaba. Ich durfte nicht vergessen, meine Schuhe zu wechseln: Die Mokassins mit Drachenmuster passten absolut nicht zu meinem neuen Outfit.

»Kurusch kann ja die Stellung halten, oder? Er bleibt doch auch immer allein hier, wenn Sie mit Lady Melamori in der Stadt herumspazieren.«

»Max hält es nie lange in seinem Büro aus«, meinte der Buriwuch traurig. »Kaum ist er gekommen, geht er schon wieder. Menschen sind unstete Wesen.«

»Da hast du Recht, Kurusch«, sagte Kofa und lächelte. »Aber du hast doch sicher nichts dagegen, dass ich Sir Max entführe?«

»Nein - sofern er mir eine Pirogge mitbringt«, sagte der kluge, aber leicht korrumpierbare Vogel.

»Mein Süßer, ich kann dir ein Dutzend Piroggen mitbringen«, bot ich ihm an und hüllte mich dabei in einen unauffälligen dunkelbraunen Lochimantel. »Fertig, Sir Kofa.«

»Aber nein! Wollen Sie etwa sofort erkannt werden? Meinen Sie, niemand in Echo kennt Ihr Gesicht? Kommen Sie mal her.«

Er musterte mich skeptisch und massierte mir dann sanft das Gesicht. Das war angenehm, auch wenn es etwas kitzelte. Am Ende zwickte er mich leicht in die Nase.

»Ich glaube, das steht Ihnen besser. Schauen Sie sich mal im Spiegel an.«

Ich ging in den Flur, stellte mich vor den Spiegel und sah mich einer nicht eben sympathisch wirkenden Person gegenüber. Ich schielte leicht und hatte eine lange Nase. Mein Kinn stand deutlich vor, und meine Augenbrauen waren ungemein buschig.

»Können Sie das auch wieder rückgängig machen?«, fragte ich erschrocken. »Dieser Typ gefällt mir nämlich gar nicht.«

»So - dieser Typ gefällt Ihnen nicht? Sie haben noch immer nichts kapiert. So fallen Sie wenigstens niemandem auf! Sie haben jetzt ein ziemlich durchschnittliches Gesicht, Sir Max. Haben Sie das noch nicht bemerkt?«

»Leider nicht. Manchmal bin ich schwer von Begriff. Aber gut, ich bin mit dem neuen Gesicht einverstanden -vorausgesetzt, Sie geben mir demnächst mein altes zurück.«

»Das geht ganz von allein. Spätestens morgen sind Sie wieder der Alte. So ein einfacher Zaubertrick hält nicht lange vor.«

Mit lässiger Geste veränderte Kofa auch sein Gesicht, und wir wurden einander ähnlich wie Brüder, die das Pulver nicht erfunden haben, wobei Kofa der Ältere, ich der Jüngere war.

»Wohin gehen wir eigentlich?«, fragte ich, da ich vor Neugier fast platzte.

»Wissen Sie das auch noch nicht? Wir machen einen Zug durch alle Wirtshäuser. Schließlich stehen wir am Anfang einer neuen Epoche: der Zeit guten Essens. Und ich will nicht, dass Ihre mangelhaften Kenntnisse in diesem Bereich Sie zu einer trostlosen Existenz in dieser schönen, neuen Welt verdammen. Ich bin ein guter Mensch - haben Sie das noch nicht bemerkt?«