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»Genießen!? Sie scherzen wohl, Sir Kofa! Nach dieser Nacht werde ich eine Woche fasten.«

»Wenn Sie sich da mal nicht täuschen, mein Freund.

Jetzt lasse ich Ihnen das geheimnisvollste Gericht der alten Küche servieren.«

»Nein!«, rief ich, kniff die Augen zu und schüttelte den Kopf. »Bei allem Respekt, Sir Kofa - das lehne ich ab.«

»Nur keine überstürzten Entscheidungen! Sie wissen doch noch gar nicht, worauf ich hinauswill. Es ist absolut nicht dramatisch, Sir Max. Ich will Sie nicht weiter mästen, sondern von der Völlerei heilen - Ehrenwort!«

»Also los«, meinte ich erfreut. »Dafür ist es höchste Zeit.«

Mit diesen Worten verließen wir das Gerb Iraschi.

»Wenn Sie irgendwann Vorhaben, sich ins Koma zu fressen, gehen Sie in den Leeren Topf«, verkündete Sir Kofa. »Merken Sie sich die Adresse: Straße der Versöhnung 36. Ich hab so eine Ahnung, dass Sie dort oft vorbeisehen werden.«

Im Leeren Topf war es recht voll, aber die Bedienung war ziemlich fix. Schon nach ein paar Minuten kam ein Kellner mit einem kleinen Servierwagen zu uns. Mit der Lässigkeit eines erfahrenen Pharmazeuten hantierte er mit seinen Phiolen herum. Ich sah ihm interessiert zu. Sündige Magister - fast hätte ich mich übergeben. Der Mann öffnete eine Dose, entnahm ihr ein ranzig wirkendes Stück Speck und zerließ es in einer Pfanne. Nach einer Minute goss er das geschmolzene Fett in ein hohes Glas und wiederholte die Prozedur. Ich schluckte angewidert und wandte mich ab. Sir Kofa hingegen nahm ungerührt sein Glas und leerte es, ohne mit der Wimper zu zucken.

»Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Trinken Sie ruhig! Ich will mich nicht über Sie lustig machen - ich will Ihnen nur helfen! Riechen Sie wenigstens mal daran.»

Gehorsam schnupperte ich an meinem Glas, und tatsächlich roch es nicht widerlich. Im Gegenteiclass="underline" Ein leichter Duft nach Minze kitzelte meine Nasenflügel. Ich seufzte und trank das Zeug in einem Zug. Es war nicht so schlimm wie erwartet. Ehrlich gesagt war es sogar recht angenehm - als hätte ich ein Glas mit Wasser verdünnten Pfefferminzlikör getrunken.

»Und?«, fragte Sir Kofa fürsorglich. »Dass Sie so leicht zu beeinflussen sind, hätte ich nicht gedacht. Aber gut, gehen wir. Übrigens - was Sie da gerade getrunken haben, war der verflüssigte Knochen einer Wasserratte. So seltsam es klingen mag: Dieses Getränk sollten Sie sich merken.«

Kaum waren wir auf der Straße, musterte mich Sir Kofa erneut.

»Haben Sie wirklich keinen Hunger mehr, Max? Wir könnten noch ein paar interessante Lokale besuchen.«

»Zu den Magistern mit Ihnen! Ich wage gar nicht mehr, an Essen zu denken.«

»Wie Sie meinen. Sie können auch schon ins Haus an der Brücke gehen, denn gleich geht ohnehin die Sonne auf. Vergessen Sie aber nicht, Kurusch Piroggen zu kaufen. Er hat sie wirklich verdient.«

»Natürlich nicht. Und danke für Ihren Anschauungsunterricht! Das war die interessanteste Nacht meines Lebens.«

»Das will ich hoffen, Sir Max. Gute Nacht.«

Auf dem Weg zum Haus an der Brücke löste ich mein Versprechen ein und ging ins Fressfass, um ein Dutzend Piroggen zu kaufen. Kurusch wird sie bestimmt nicht alle auf einmal essen, dachte ich, aber es ist besser, ihn fürstlich dafür zu belohnen, dass ich meinen Arbeitsplatz habe verlassen dürfen.

Der appetitliche Duft des frischen Gebäcks brachte mich auf den Gedanken, mal wieder eine Kleinigkeit zu essen. Sündige Magister - ich musste verrückt sein! Wofür hätte nach dieser Schlemmernacht in meinem Magen noch Platz sein sollen?

Kurusch wirkte sehr glücklich und stürzte sich sofort auf die Leckereien. Ich schlüpfte wieder in meinen Todesmantel und betrachtete mich im Spiegel. Was für ein seltsamer Anblick! Meine normalen Gesichtszüge traten langsam wieder unter dem falschen Antlitz hervor. Ich hatte also kurzzeitig zwei Gesichter, und das eine arbeitete sich langsam durch das andere hindurch. Ich schauerte zusammen und ging mich rasch waschen. Auf dem Rückweg musterte ich mich erneut. Endlich erkannte ich meine gute alte Fratze wieder und hätte fast geweint - so glücklich war ich darüber, schon so berühmt zu sein, meine Gesichtszüge verändern zu müssen, um inkognito zu bleiben. Es mag Geschmackssache sein, den Todesmantel als Grund meiner Berühmtheit gutzuheißen, aber mir gefiel es.

Ich kehrte in mein Büro zurück. Kurusch wurde gerade mit der dritten Pirogge fertig und futterte nur noch mit gedämpfter Begeisterung, konnte also kaum noch Hunger haben. Neidisch betrachtete ich den Vogel und aß auf einen Satz fünf Piroggen. Ich hatte tatsächlich wieder Appetit bekommen. Der verflüssigte Knochen einer Wasserratte ist ein wunderbarer Verdauungstropfen - ich fühlte mich, als hätte ich seit Tagen nichts gegessen.

Daheim träumte ich erneut von Melamori. Die unsichtbare Wand, die uns trennte, verschwand plötzlich, und die Lady setzte sich neben mich. Meine Reglosigkeit belustigte sie. Und sie war sehr mutig, weil ich viele gefährlich echt wirkende Küsse bekam. Tatsächlich aber konnte von echten Küssen natürlich nicht die Rede sein. Dann verschwand sie, und ich erwachte.

Melamori verließ meine Träume stets bei Sonnenaufgang, also wenn die Menschen aufstehen, um zur Arbeit zu gehen. Diesem Umstand allerdings schenkte ich weiter keine Aufmerksamkeit. Das einzig Greifbare, was ich besitze, sind meine Träume.

Kurz vor Mittag nickte ich zum Schnurren meiner Katzen wieder ein. Deshalb hörte ich Sir Kofa, der sich bei mir per Stummer Rede meldete, nicht gleich.

»Max, genug gefaulenzt! Hier zeichnen sich interessante Entwicklungen ab. Also ...«

»Gehen wir etwa wieder zusammen essen?«

»Nein, diesmal werden wir zusammen arbeiten. Erinnern Sie sich an die beiden Gürtelbesitzer?«

»Natürlich. Aber ich brauche mindestens eine Stunde, um mich stadtfein zu machen.«

»Sie sind aber eitel! Na gut, bis in einer Stunde.«

Ich sprang aus dem Bett. Der schlafende Armstrong zuckte nicht mal mit den Ohren, Ella hingegen wachte auf und schritt auf Sammetpfötchen zu ihrem Napf hinüber. Ich musste also auch noch meinen Katzen zu fressen geben. Für langwieriges Wildern in den Tabakrevieren meiner alten Heimat reichte die Zeit ohnehin nicht mehr. Zum Glück hatte ich mir bereits einen Notvorrat zusammengehamstert.

Im Saal der allgemeinen Arbeit drängten sich schon wieder viele Köche. Mitleidig nickte ich Melifaro zu und betrat mein Büro, wo der bis zur Unkenntlichkeit verwandelte Sir Kofa, der diesmal krauses Haar, ein leicht gerötetes Gesicht und große Augen hatte, mit Sir Juffin tuschelte. Als die beiden mich sahen, verstummten sie sofort.

»Haben Sie Geheimnisse vor mir? Staatsgeheimnisse etwa?«

»Wie man's nimmt«, meinte Sir Juffin. »Schau bitte kurz in der Leichenhalle vorbei. Das wird ein lehrreicher Ausflug für dich sein, und wir können uns weiter ungestört unterhalten.«

Gehorsam ging ich in die Leichenhalle, die sich in dem Teil des Hauses an der Brücke befindet, in dem die Stadtpolizei untergebracht ist. Sündige Magister! Wer hätte gedacht, dass plötzlich alles so schnell ging: Dort lag doch tatsächlich der Mann im teuren gelben Lochimantel, den ich gestern mit Sir Kofa Joch gesehen hatte! Nur seinen Gürtel trug er nicht mehr. Ob es sich um einen Raubmord handeln mochte? Eigentlich kam dieses Delikt in Echo selten vor. Ich zog meinen Dolch, um zu prüfen, ob Magie im Spiel gewesen war, doch der Zeiger bewegte sich nicht. Aber wenn ich mir unbedingt die Leiche ansehen sollte, musste damit etwas faul sein -bloß was?

Als Erstes fiel mir auf, dass es weder Blut- noch Kampfspuren gab. Ob der Mann vergiftet worden war? Doch passte das zu einem Raubmord? War dieser Fall nicht eher etwas für Sir Juffin als für Kofa Joch und mich?

Ich sah mir die Leiche näher an. Etwas stimmte nicht damit, doch obwohl ich buchstäblich mit Händen greifen zu können glaubte, was es sein mochte, kam ich einfach nicht darauf.