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»Ich fürchte, Sie haben Recht. Könnten Sie uns vielleicht eine Tasse Kamra anbieten und drei Minuten still sein? Um fünf Minuten bitte ich gar nicht erst, denn das wäre zu viel verlangt. Was halten Sie davon?«

»Ich bin begeistert! Und die Kamra kommt gleich. Welche Sorte hätten Sie denn gern, Sir Max - hiesige oder iraschische? Oder möchten Sie vielleicht eine Kamra aus Arwaroch? Ach nein, die ist ja schon weg. Meine Mitarbeiter sind nicht gerade fleißig, trinken aber die ganze Zeit Kamra aus sooo großen Tassen«, sagte Sir Nuli und malte mit seinen kleinen Händen fußbodenvasengroße Tassen in die Luft. Ich war beeindruckt.

»Wenn Sie nicht übertreiben, Sir, haben Ihre Leute wirklich einen harten Job«, sagte ich mitfühlend. »Es ist nicht leicht, solche Krüge zu stemmen.«

»Natürlich nicht! Glauben Sie etwa, ich flunkere Ihnen etwas vor? Meine Leute kommen ganz schön ins Schwitzen«, sagte Nuli in vollem Ernst. »Dafür verdienen sie aber auch gut. Dieser Kafa Chani hat nur drei Jahre bei uns gearbeitet und danach schon ein Schiff chartern können. Hab ich Ihnen davon schon erzählt? Vermutlich wird er demnächst Waren nach Echo schmuggeln, und ich kann ihn dann jagen. Tolle Sache, was? Ah, hier ist ja die Kamra«, sagte Sir Nuli, schnupperte an den frisch aufgetragenen Krügen und setzte zu einer neuen Tirade an. »Das ist iraschische Kamra - eine exotische, aber sehr gute Sorte. Wo sonst können Sie in Echo etwas so Fantastisches bekommen? Greifen Sie zu, meine Herren, obwohl ich eigentlich verpflichtet bin, das ganze Zeug wegzuschütten. Ach, da ist ja der alte Tjuwin«, rief Sir Nuli und wies in einen entlegenen Winkel seines vollgestopften Büros, in dem ein weißer Fleck flimmerte. »Sir Max, Sie kennen unseren Tjuwin noch nicht. Also stelle ich Sie ihm vor: Das ist mein Vorgänger Sir Tjuwin Sali Wawa, gestorben im 52. Jahr der Epoche des Gesetzbuchs bei dem Versuch, den schlimmsten Schmuggler der Ordensepoche zu durchsuchen. An den bürgerlichen Namen dieses Schmugglers kann ich mich nicht mehr erinnern. Man hat ihn mal Weißer Vogel, mal Sonne in der Brusttasche genannt. Schmuggler sind romantische Leute, müssen Sie wissen. Aber auch er hat das Gefecht nicht überlebt. Der alte Tjuwin war nämlich sehr tapfer, und wäre er an jenem Abend nicht so betrunken gewesen, hätte ihn der Weiße Vogel sicher nicht erledigt. Ist das nicht eine tolle Geschichte?«

»Dann ist das da hinten also ein Gespenst?«, fragte ich erschrocken und musterte die flimmernde Stelle.

»Was sonst? Der alte Mann ist heute nicht allzu gut in Form, denn normalerweise hat er menschliche Konturen. Vielleicht schämt er sich ja vor Ihnen. Übrigens war Sali Wawa bei seinem Tod so betrunken, dass sein Gespenst bis heute benebelt ist. Aber es ist hart im Nehmen und hilft mir sehr. Manchmal erscheint es einem Kapitän und brüllt -Schluss mit dem Geschwätz!«. Dann öffnen die Schmuggler ohne Diskussion all ihre Verstecke, und ich kann früher schlafen gehen, wovon ich gern Gebrauch mache. Dieser Tjuwin ist ein großartiger Kerl, der völlig in seiner Arbeit aufgeht. Nun gut - Sir Kofa,

was führt Sie eigentlich zu mir? Ich merke doch, dass Sie nicht grundlos gekommen sind.«

»Sir Nuli, zwei Minuten kann ich das noch aushalten. Wenn Sie bis dahin nicht still sind, werden Max und ich Sie fesseln und knebeln und Ihnen dann erzählen, worum es geht - klar?«

»Was reden Sie denn da, Sir Kofa? Hab ich Ihnen etwa verboten zu berichten, warum Sie gekommen sind? Ich hab doch sofort erraten, dass Ihnen etwas auf der Seele liegt. Meine Herren, ich bin ganz Ohr. Verraten Sie mir nur vorher bitte, ob die Geschichte über Melifaro und Tschemparkaroke stimmt.«

»Sündige Magister!«, rief Sir Kofa und rollte die Augen. »Natürlich nicht! Das hätten Sie sich doch denken können. Offenbar sind Sie von diesem Tschemparkaroke besessen. Und jetzt, Sir Nuli, strengen Sie Ihr großartiges Gedächtnis an. Es geht um Schmuggel, also ...«

»Da sind Sie bei mir falsch«, plapperte Nuli munter weiter. »Ich kann Ihnen aber sagen, an wen Sie sich wenden müssen.«

»Hören Sie mir doch erst mal zu!«, brüllte Sir Kofa.

Das wirkte: Der Mann war still, rückte seine Brille zurecht und bekam eine konzentrierte Miene. Kofa seufzte erschöpft und fuhr fort: »Ich weiß, dass Sie sich jede kleinste Besonderheit merken. Bitte versuchen Sie sich zu erinnern, ob Ihnen in den letzten Tagen jemand mit einem auffälligen Gürtel begegnet ist. Und bitte: Ich brauche keine Informationen über alle Gürtel, die Sie je gesehen haben. Mich interessiert nur ein recht breiter, perlmuttfarben schimmernder Gürtel aus unbekanntem Material. Das war's schon. Sie dürfen jetzt den Mund aufmachen - immerhin haben Sie lange brav ausgehalten.«

»So einen Gürtel hab ich gesehen«, rief der Mann vom Zoll begeistert und sah Sir Kofa und mich siegesgewiss an. »Das war erst vor kurzem, fragt sich nur, wo und bei wem. Sie wissen doch, Sir Kofa, wie viele Leute sich hier herumtreiben - und das ist auch gut so: Schließlich sind wir im Hafen. Wozu brauchten wir einen Hafen, wenn niemand käme? Na ja, ich denke, ich habe den Gürtel dieses Jahr gesehen, also in den letzten zwölf Tagen -das ist doch schon was, oder? Ich hab gleich zu Du Idun gemeint, wir sollten die Gürtelträger verhaften, damit wir weiter die coolsten Jungs der Hauptstadt bleiben. Ich weiß noch, dass ich die Gürtelträger sagte - also müssen es mindestens zwei gewesen sein. Und jetzt fällt mir ein, dass Du Idun seit sechs Tagen krankgemeldet ist. Ob er wirklich so kränklich ist oder ob er sich seine Zipperlein nur einredet, weiß ich bis heute nicht. Aber wenden Sie sich lieber an ihn - er weiß sicher, womit er sich vor der Krankmeldung beschäftigt hat, denn er ist sehr misstrauisch, und wenn er krank ist, erinnert er sich an alle, die er davor getroffen hat, und versucht, seine Frau zu überzeugen, jemand habe ihn durch den bösen Blick verhext. Ich melde mich gleich mal per Stummer Rede bei ihm und frage ihn nach dem Gürtel, und Sie trinken bitte Ihre Kamra. Wenn Ihre Tasse leer ist, schenken Sie sich ruhig nach. Sie ahnen ja nicht, wie viel wir davon noch haben!«

Sir Nuli Karif schwieg und wirkte dabei sehr konzentriert. Anscheinend hatte er auf Stumme Rede umgeschaltet.

Nach einer halben Stunde war mir klar, dass auch die Stumme Rede unseren redseligen Gastgeber nicht bremsen konnte. Sir Kofa zog eine zornige Grimasse und hustete vernehmlich. Nuli nickte, zuckte schuldbewusst die Achseln und unterhielt sich unhörbar weiter. Nach einigen Minuten stand er auf und verließ das Büro. Fragend schaute ich Sir Kofa an.

»Er will seine Geheimnisse für sich behalten, Max«, klärte mich mein Kollege auf. »Gerüchten zufolge kann ich auch in Stummer Rede geführte Gespräche belauschen.«

»Sind das bloße Gerüchte?«, fragte ich skeptisch.

»Na ja, ich kann das schon, aber es ist sehr mühsam und obendrein ungesund. Wissen Sie, gewisse Dinge soll man lassen. Außerdem ist es besser, die Gedanken der Gesprächspartner nach der Unterhaltung zu lesen, obwohl ich das in diesem Fall gar nicht vorhabe - soll er doch machen, was er will.«

»Ich bitte um Verzeihung, meine Herren«, sagte Sir Nuli, als er endlich wieder in sein Arbeitszimmer kam, strahlte dabei aber kein Schuldbewusstsein, sondern große Zufriedenheit aus. »Erst hat mir mein Gesprächspartner ein Ohr abgekaut, und dann musste ich auch noch ins Bad. Haben Sie unsere neue Toilettenanlage eigentlich schon bewundert? Meine Mitarbeiter haben sie mit all den Schmugglertalismanen geschmückt, die für die Leute in der Burg Jafach nicht interessant genug waren. Das ist ein sehr aufschlussreicher Anblick, meine Herren. Ich habe übrigens die Antwort auf Ihre Frage, Sir Kofa. Regen Sie sich also bitte nicht auf.«

»Dann schießen Sie los, Sir Nuli! Ihr Bad inspizieren wir ein andermal.«

»Das sollten Sie wirklich tun. So was Tolles finden Sie nur bei uns. Aber wie Sie wollen. Du Idun konnte sich sehr gut an alles erinnern. Bei den Gürtelträgern handelt es sich um einen Reeder aus Tascher und seinen Kapitän. Sie sind am fünften Tag des Jahres mit einem schicken Schiffchen hier eingelaufen - es ist viel schicker als die meisten Boote aus Echo und heißt Alte Jungfer. Lustiger Name, was? Und jetzt sage ich Ihnen, wie der Reeder heißt«, meinte Nuli, kroch unter den Tisch, griff nach einem Päckchen sich selbst beschriftender Tafeln und überflog sie aufmerksam. »Hier haben wir ihn schon: Agon heißt er. Alle Bewohner Taschers haben auffällig kurze Namen. Du Idun hat mich noch darauf hingewiesen, dass Agons Schiff unter anderem Gürtel geladen hatte. Wir haben noch Witze darüber gemacht, alle Gürtel zu beschlagnahmen, weil sie ohnehin zu nichts nutz sind. Aber bei ihrer Herstellung wurde lediglich weiße Magie vierten Grades eingesetzt - darum haben wir sie passieren lassen müssen.«