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Sir Kofa nahm Nuli kurz entschlossen die Tafel aus der Hand, studierte sie und meinte dann: »Interessant. Wie ich sehe, hatten Reeder und Kapitän außer Gürteln nichts zum Verkaufen dabei. Das scheinen eher Touristen als Händler zu sein.«

»Na ja, sie haben mir erzählt, sie wollen sich in Echo mit Ware eindecken. Und das ist ja wohl ihr gutes Recht«, meinte Nuli Karif.

»Ach - sie wollen hier teuer einkaufen, was sie in Tascher, wo alles viel billiger ist, niemals loswerden können? Dieser Agon muss wirklich geschäftstüchtig sein! So was rechnet sich nur, wenn er seine Ware in Echo nicht kauft, sondern stiehlt. In diese Richtung sollten wir vielleicht ermitteln. Ist eigentlich noch jemand auf dem Schiff, Nuli?«

»Natürlich - der Kapitän und ein Teil der Mannschaft.

Sie essen im Wirtshaus und bewachen ansonsten Schiff und Ladung. Das ist ein ziemlich teures Bötchen - hab ich Ihnen das schon erzählt? Aber es befindet sich nichts Interessantes darauf - ich hab das schon überprüft.«

»Wir klären jetzt selbst, um was für ein Schiff es sich da handelt und ob sich dort wirklich nichts Interessantes finden lässt. Vielen Dank für die Kamra, Nuli, doch ich gebe Ihnen einen guten Rat: Trinken Sie lieber das hiesige Gebräu. Ich glaube, Ihrem Mitarbeiter Du Idun ist das Gesöff aus Iraschi auf den Magen geschlagen. Es schmeckt bitter, und mein Bauch tut mir schon nach einer Tasse weh. Und bleiben Sie ganz Ohr: Wenn Sie irgendwann noch was über diese Gürtel hören, melden Sie sich bitte jederzeit per Stummer Rede bei mir. Ich beschlagnahme alle Unterlagen über die Alte Jungfer. Das war's. Schönen Tag noch, Nuli. Wir gehen jetzt, Max.«

Auch ich verabschiedete mich von dem sympathischen Zollbeamten, und wir gingen in den Hafen, um uns das Schiff anzusehen und den Kapitän kennen zu lernen.

Das Segelschiff war wirklich hübsch - genau wie der Kapitän, ein wohlproportionierter Schönling mit langem Zopf und einem Bart bis zur Taille. Er begrüßte uns schon an der Gangway. Auch seine Kleidung war interessant, denn er trug eine weit geschnittene schwarze Hose und eine ebenso großzügige schwarze Jacke, die ihm bis zu den Knien reichte. Sollte er den bewussten Gürtel tragen, dann unter seinen Kleidern.

»Kapitän Gjata. Stehe zu Diensten«, stellte er sich trocken vor. Er sprach mit so lustigem wie schwerem Akzent. Lob und Preis sei den Magistern!, dachte ich. Zum Glück kommt er nicht aus Iraschi - sonst brauchten wir einen Dolmetscher.

»Kleiner Geheimer Suchtrupp der Stadt Echo. Wir möchten Ihr Schiff inspizieren«, meinte Sir Kofa ebenso trocken.

»Es gehört Herrn Agon und ist für Fremde nicht zugänglich«, erklärte der Kapitän.

»Der Kleine Geheime Suchtrupp darf im gesamten Vereinigten Königreich durchsuchen, was immer er mag«, entgegnete Sir Kofa. So verbindlich sein Ton auch war - in ihm schwang etwas Bedrohliches mit, das mir neu war.

»Ich kann nur wiederholen, meine Herren, dass ich Befehl habe, keine Fremden an Bord zu lassen. Und so leid es mir tut: Notfalls sterbe ich in Erfüllung dieses Befehls.«

Kapitän Gjata wirkte nicht wie ein Fanatiker und ähnelte auch keinem Verbrecher, doch was wusste ich schon von Verbrechern? Er hatte müde, traurige Augen, und als er vom Sterben sprach, klang das beinahe träumerisch.

Sir Kofa meldete sich per Stummer Rede bei mir. »Sei auf alles gefasst, Max. Ich will ihn nicht töten, aber du merkst selbst, dass etwas mit ihm nicht stimmt.«

Dann wandte er sich erneut an den Kapitän.

»Ich verstehe: Befehl ist Befehl. Also werden Sie mit uns eine A-Mobil-Fahrt antreten müssen. Ich hoffe, Ihr Arbeitgeber hat Ihnen das nicht auch verboten.«

»Nein«, sagte der Kapitän so irritiert wie erleichtert. »Davon war nicht die Rede.«

»Prima. Dann übergeben Sie den Befehl über das Schiff Ihrem Ersten Offizier, damit Ihr Gewissen rein bleibt.«

Der Kapitän verschwand, um seinen Stellvertreter zu instruieren, und ich sah Sir Kofa erstaunt an.

»Ist dieses Verhalten für die Bewohner von Tascher normal?«

»Natürlich nicht - der Mann steht eindeutig unter magischem Einfluss. Dabei handelt es sich allerdings höchstens um weiße Magie vierten Grades, und die ist bekanntlich erlaubt. Soll Juffin sich jetzt mit ihm beschäftigen! Daran werden Sie sicher noch Ihren Spaß haben.«

»Und was ist mit dem Schiff?«

»Zu den Magistern damit! Ich hab mich per Stummer Rede im Haus an der Brücke gemeldet. In einer halben Stunde kommen Lonely-Lokley und ein Dutzend Kollegen von der Stadtpolizei - das ist das beste Durchsuchungskommando überhaupt. Da ist unser heroischer Kapitän ja schon. Gut, dass er einverstanden ist, mitzukommen.«

»Stehe zu Diensten, meine Herren«, sagte der Kapitän und verbeugte sich galant.

Die ganze Fahrt über sah der Kapitän begeistert aus dem Fenster. Die Tatsache, verhaftet zu sein und ins Haus an der Brücke gefahren zu werden, störte ihn nicht weiter. Er genoss die Fahrt durch die Stadt sichtlich. Das verstand ich sehr gut, denn Echo ist wunderschön. Eigentlich hätte ich mich längst daran gewöhnen sollen, statt mich immer aufs Neue für die Herrlichkeiten der Stadt zu begeistern.

Im Haus an der Brücke hatte sich einiges verändert: Der Saal der allgemeinen Arbeit war leer, und die Köche waren nach Hause geschickt worden, um zu einem günstigeren Zeitpunkt wieder vorzusprechen. Weder Melamori noch Melifaro waren im Büro. Sie waren bestimmt losgezogen, um ein neues Geheimnis zu lüften. Als wir Sir Juffin über den Weg liefen, leckte er sich beinahe die Lippen und musterte Kapitän Gjata wie eine hungrige Katze eine Flasche Milch.

Für mich war das Verhör anfangs langweilig. Juffin fragte den Kapitän zunächst pedantisch nach zahllosen Details der Schiffsausrüstung, den Handelskontakten seines Chefs, der Biografie aller Mitglieder der Mannschaft und Ähnlichem. Herr Gjata beantwortete einige dieser Fragen sehr ruhig, verstummte dagegen auffällig bei anderen, die meiner Meinung nach ebenso harmlos waren. Sir Juffin reagierte auf diese Dickköpfigkeit unendlich langmütig.

»Ihr Helfer - wie war noch gleich sein Name ... ah ja, Herr Chaka - hat also früher auf Schiffen des Vereinigten Königreichs gearbeitet. Das klingt interessant, Herr Kapitän«, sagte Juffin seltsam monoton. »Sehr interessant.«

Der hübsche Kapitän kniff plötzlich die Augen zusammen und fiel bewusstlos zu Boden. Juffin wischte sich erschöpft den Schweiß vom Gesicht.

»Was für ein kräftiger Mann. Kräftig und doch tief verunsichert. Aber ich habe ihn beruhigen können«, seufzte mein Chef und fuhr lehrerhaft fort: »Bei verzauberten Menschen muss man vorsichtig sein, Max. Ich hätte bei ihm sofort Magie anwenden können, aber weil wir noch nicht wissen, was wir mit ihm tun sollen ... Weißt du - die Wechselwirkung verschiedener Zaubersprüche führt manchmal zu erstaunlich unkontrollierbaren Reaktionen. Als ich noch ein junger und dummer Gehilfe des Sheriffs meiner Heimatstadt Kettari war, traf ich eines Tages auf eine verzauberte Dame. Sie verhielt sich wie eine Besessene, und ich musste mir einiges zurechtzaubern, um meine Haut zu retten. Wie du weißt, hat sich diese Geschichte weit weg von Echo zugetragen, und in der Provinz ist die Magie primitiver als hier. Deswegen hatte ich nicht mit Überraschungen gerechnet. Aber die Frau, die ich damals verhörte, kreischte unvermittelt auf und zerfiel in zahllose Einzelteile. Ich stand unter Schock, und mein Chef - der alte Sheriff von Kettari -brauchte vierundzwanzig Stunden, um alles in Ordnung zu bringen.«