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Juffin lächelte verträumt, als sei das die hübscheste Erinnerung seiner Jugend gewesen.

»Was haben Sie mit dem Kapitän angestellt? Haben Sie ihn hypnotisiert?«

»Ich habe keine Ahnung, was Hypnose sein soll. Ich hab ihn nur ruhiggestellt. So ruhig war er noch nie - das schwöre ich bei allen Magistern. Jetzt können wir ihm seine schicken schwarzen Sachen abnehmen.«

Wie zu erwarten, trug der Kapitän unter seiner schwarzen Jacke den teuren Gürtel, der genauso aussah wie die beiden, die Sir Kofa und ich am Abend zuvor gesehen hatten.

»Das ist wirklich eine ernste Sache«, sagte Juffin lächelnd. »Sir Kofa, Sir Max - schauen Sie mal, wie schmutzig die Jacke ist. Max, hast du dazu etwas zu sagen?«

»Na ja, auf einer so langen Reise wie der von Tascher nach Echo kann man nicht immer auf seine Kleidung achten«, begann ich zögernd.

»Unsinn! Jacke wie Hose des Kapitäns sind in einwandfreiem Zustand. Hast du das nicht erkannt?«

»Er hat nur sein Hemd seit langem nicht gewechselt«, mischte sich Sir Kofa ein, »weil ...«

»... er den Gürtel überm Hemd trägt«, sagte ich, als ich endlich begriff. »Der Gürtel lässt sich nicht abnehmen, und auch der Mann in der Leichenhalle ist kein Vagabund. Er hat seinen Gürtel genauso wenig ablegen können und musste darum immer weiter in seiner alten Skaba herumlaufen.«

»Endlich hast du verstanden«, sagte Sir Juffin erfreut. »Der Mann in der Leichenhalle hat seine Skaba schon sehr lange, vielleicht ein paar Jahre nicht gewechselt. Interessant! Und die Alte Jungfer ist vor höchstens acht Tagen in Echo eingelaufen. Sir Kofa, das müssen Sie exakt recherchieren. Setzen Sie sich dazu am besten mit Nuli Karif in Verbindung. Er soll seine Unterlagen daraufhin durchsehen. Versuchen Sie bitte auch, Melifaro zu erreichen, dem ich befohlen habe, die Identität des Verstorbenen zu klären, der aber bisher nicht wieder aufgetaucht ist. Ich habe den Eindruck, ich habe ihm da eine sehr schwierige Aufgabe gestellt. Max und ich werden den armen Kapitän derweil bis ins kleinste Detail analysieren.«

»Alles klar, Sir Juffin. Was gehen mich Ihre Geheimnisse an! Ich habe meine eigenen«, sagte Sir Kofa, lächelte listig und schloss die Tür hinter sich.

»Wir haben ihn weggeschickt«, begann ich vorsichtig, »weil ...»

»Stell bitte keine dummen Fragen. Den Luxus, sich in Anwesenheit Dritter mit Wirklicher Magie zu beschäftigen, kann sich vielleicht Sir Maba Kaloch erlauben - ich nicht. Du übrigens auch nicht. Und ohne Wirkliche Magie können wir unseren tapferen Kapitän leicht aus Versehen umbringen. Das wäre erstens ungerecht, und zweitens kann er uns bestimmt noch nützlich sein. Jetzt sieh mir genau zu. Bei dir weiß man nie, wie die Sache endet.

Wenn du den Eindruck hast, mir helfen zu können, tu es. Wenn nicht, dann halt ein wenig Abstand.«

Juffin seufzte, krempelte die Ärmel hoch und wollte den Gürtel berühren, doch seine Fingerspitzen konnten sich ihm nur bis auf einen Millimeter Abstand nähern. Juffins Bemühungen schlugen mich so sehr in Bann, dass ich in eine Art Trance geriet, ohne die Wichtigkeit des Geschehens zu begreifen.

Ich träumte, Kapitän Gjata zu sein, und fühlte mich sehr schlecht, weil ich allmählich begriff, was passierte. Dieser seltsame alte Mann - der Ehrwürdige Leiter also -tat, als wollte er mir helfen, doch ich wusste: Würde er meinen Gürtel berühren, müsste ich sterben. Und mein Tod würde ewig währen und unendlich qualvoll sein.

»Juffin«, sagte ich undeutlich, weil ich die Zunge kaum bewegen konnte. »Lassen Sie das! Sonst töten wir ihn, egal, welche Absichten wir haben mögen. Das weiß ich genau!«

»Das weißt du nicht«, antwortete Juffin ruhig. »Das alles weiß Kapitän Gjata, und er sagt durch dich nur das, was man ihm eingeredet hat. Gut möglich, dass nichts davon stimmt. Sei also still und versuch, dein Mitgefühl zu beherrschen. Zu viel Mitleid kann sehr gefährlich sein.«

Juffin probierte es noch ein paar Mal, und schließlich berührten seine Fingerspitzen den Gürtel.

Ein schwerer, dunkler Schmerz flutete durch meinen Kopf. Was ich da spürte, tat nicht nur furchtbar weh, sondern war ein Vorgeschmack des Todes. Welcher Dummkopf hat behauptet, der Tod bedeute Ruhe? Er bedeutet vielmehr widerwärtigste Hilflosigkeit und unendlichen Schmerz, als werde einem der Leib auf ewig von reißenden Zähnen in Stücke gerissen. Der Tod von Kapitän Gjata jedenfalls war von dieser Art.

»Aber ich bin nicht Kapitän Gjata«, schien jemand neben mir zu denken, obwohl es doch meine eigenen Gedanken waren. Ich lebte schließlich noch und war kein zerfetzter Körperteil des armen Kapitäns. Diese Erkenntnis wirkte wie eine Erlösung.

Allmählich klang das Gefühl ab, der Kapitän zu sein und seine Schmerzen zu erleiden. Ich fand in jenen feierlichen Rhythmus zu mir zurück, den Ravel im »Bolero« angeschlagen hat. Es war wunderbar, wieder zu sehen, zu atmen und den Stuhl unterm Hintern zu spüren. Meine Kleider waren durchgeschwitzt, doch selbst das empfand ich als angenehm. Ich erinnerte mich an den dummen Spruch Tote schwitzen nicht! und musste lächeln.

Juffin erhob sich aus der Hocke und musterte mich erstaunt. Der verflixte perlmuttfarbene Gürtel fiel zu Boden.

»Alles in Ordnung, Max?«

»Ich komme langsam wieder zu mir. Der Kapitän - ist er tot?«

»Nein, du hast ihn gerettet, mein Junge.«

»Ich? Wie das?«

»Du hast die Hälfte seines Schmerzes auf dich genommen, und das können Gesunde überleben. Doch der Gürtel hat sich verstellt wie ein heimtückischer Mensch, und als ich schon glaubte, er sei nicht mehr gefährlich ... Na ja, jetzt verstehst du alles.«

Ich nickte erschöpft. Mir war schwindelig, und ich sah alles ringsum wie in zitternden Aspik eingelegt. Juffins Stimme drang aus weiter Ferne zu mir.

»Trink ein wenig von deinem Lieblingsgetränk.«

In meinem Mund ging die Sonne auf, denn Juffin flößte mir Kachar-Balsam ein. Also würde ich bald wieder in Ordnung sein. Zwar hörte die Welt prompt auf zu zittern, doch meine Munterkeit war noch nicht zurückgekehrt.

»Ihr habt euch den Schmerz redlich geteilt, aber der Kapitän ist leider nicht so rasch wieder zu Kräften gekommen«, meinte Juffin. »Das macht aber nichts, denn wir geben ihn in die Obhut von Sir Abilat, und morgen wirst du staunen, dass er wieder ganz gesund ist. Ich glaube, wir lösen diesen Fall wesentlich leichter, wenn unser Kapitän zu singen beginnt. Vorhin, Max, hast du übrigens eine Vorstellung davon bekommen, wie es Köchen ergeht, die dumm genug sind, verbotene Magie anzuwenden, obwohl sie den Ohrring Ochola tragen. Erinnerst du dich? Du hattest mich gefragt, wovor sie Angst haben -jetzt weißt du es, denn Erfahrung ist die beste Lehrmeisterin. Übrigens bist du gerade sehr tapfer gewesen.«

»Ich war nicht tapfer, sondern ein Opfer der Umstände«, seufzte ich. »Ich hatte einfach keine Wahclass="underline" Ich musste den armen Mann retten.«

»Ob du die Wahl hattest oder nicht - tapfer warst du auf jeden Fall«, erklärte Juffin kategorisch, reichte mir ein zweites Mal den Kachar-Balsam, zwinkerte mir dabei mit erhobenem Zeigefinger zu und sagte: »Aber Maß halten, Max! Ich glaube, du weißt noch nicht, dass man dieses Gebräu inzwischen überall kaufen kann, weil zu seiner Herstellung höchstens Magie achten Grades erforderlich ist. Ich hatte mich bisher nicht getraut, dir das zu sagen.«

»Dann bin ich von nun an unsterblich«, meinte ich lächelnd. »Niemand kann mich mehr um die Ecke bringen, und mein Leben hat endlich einen Sinn! Ich werde eine Flasche Balsam pro Tag trinken und erleben, was Glück bedeutet.«

»Wunderbar, Max, jetzt bist du wieder ganz der Alte«, sagte Sir Juffin erfreut. »Vorhin warst du nur ein Schatten deiner selbst. Aber ich glaube, du brauchst trotzdem Erholung. Geh also heim und versuch zu schlafen. Diesen Fall klären wir ohnehin frühestens morgen.«

»Ich soll nach Hause gehen und das Interessanteste verpassen? Halten Sie mich für so dumm?«