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Als ich mich einigermaßen gefasst hatte, wusch ich mich, kleidete mich an und ging zum Haus an der Brücke. Schließlich saß in meinem Handballen noch immer der Bärtige, den ich verhaftet hatte und der sich nun als Zaubermittel gegen meinen Liebeskummer erweisen mochte. Als Talisman jedenfalls hatte er mir kein Glück gebracht.

Ob es auch zu den Traditionen von Echo gehörte, den Partner, den man im Stadtteil Rendezvous getroffen hatte, um eine Nacht mit ihm zu verbringen, am nächsten Morgen zu bestehlen?

Jedenfalls musste ich mich zu Fuß zum Haus an der Brücke aufmachen. Jeder Stein auf dem Weg dorthin schien ein Hindernis zu sein. Noch vor kurzem seid ihr hier zusammen entlanggegangen, erinnerten mich die Häuser in der Straße der alten Münzen. Ich fühlte mich elend. Und dann tat ich, was mir in meiner kläglichen Situation das Beste schien: Ich meldete mich per Stummer Rede bei Juffin Halli: »Ich bin auf dem Weg zu Ihnen, Sir, und habe eine Überraschung für Sie dabei. Hat sich im Gürtelfall eigentlich etwas Neues ergeben?«

»Also lebst du noch und wurdest in der Nacht nicht ermordet?«, erkundigte sich mein Chef.

»Heute Nacht hat es zwar zwei Attacken auf mein Leben gegeben, aber das gehört nicht hierher. Juffin, klären Sie mich bitte auf.«

Wie üblich musste ich mich so sehr auf die Stumme Rede konzentrieren, dass ich an nichts sonst zu denken vermochte. Und das war gut so.

»Natürlich. Pass auf: Melifaro hat noch gestern Abend die Identität des Getöteten ermittelt. Der junge Mann heißt Apati Chlen. Aber dieser Name sagt dir nichts ... Das war eine bekannte Geschichte, die vor zwei Jahren passiert ist, und zwar in der Familie Moni Mach. Beteiligt war Ikassa Moni Mach, ein Großneffe von Sir Nuflin Moni Mach persönlich. Zu ihm war Apati Chlen gekommen, der Sohn einer ehemaligen Freundin seiner Frau. Die Chlens waren noch in der Traurigen Zeit auf ihr Landgut in Uriuland gezogen, schickten den jungen Apati aber in die Hauptstadt, damit er etwas aus seinem Leben machte. Der Junge wohnte ein halbes Jahr im Haus von Familie Moni Mach und begann dort - wie ich glaube - eine Lehre. Dann verschwand er und nahm das Weiße Siebenblatt mit. Wir haben ermittelt, dass der junge Apati kurz vor diesem Skandal in einem Laden am Hafen einen elegant schillernden Gürtel gekauft hat. Sir Ikassa erinnert sich genau daran - darum gibt es keinen Zweifel.«

Plötzlich scholl mir die Stimme von Sir Juffin laut entgegen: »Guten Morgen, Max! Du bist ja so schnell zu Fuß, wie du A-Mobil fährst!«

Jetzt erst bemerkte ich, dass ich bereits auf der Schwelle unseres Büros stand.

»Oder ich fahre so langsam, wie ich gehe. Aber eins habe ich nicht verstanden: Was hat der junge Apati der Familie Moni Mach eigentlich gestohlen?«

Ich versuchte tapfer so zu tun, als sei nichts passiert. Ich wollte nicht, dass Juffin mich tröstete und Bedauern darüber äußerte, dass es mir nicht gelungen war, eine Affäre am Arbeitsplatz anzuzetteln. Mein Chef sah mich aufmerksam an, schüttelte den Kopf und gab mir eine Tasse Kamra. Seine Augen waren voller Mitgefühl. Oder bildete ich mir das bloß ein?

»Er hat das Weiße Siebenblatt gestohlen, Max, unbedeutenden Nippes, eine Kopie des Glänzenden Siebenblattes, des Großen Amuletts des gleichnamigen Ordens also. In der Ordensepoche gab es viele Gerüchte über die enorme Kraft des Amuletts. Ich kann dir aber verraten, dass all diese Gerüchte purer Unsinn sind. Das Glänzende Siebenblatt kann nur eins: Sir Nuflin Glück bringen.«

»Das ist doch nicht wenig.«

»Aber viel ist es auch nicht. Und das Weiße Siebenblatt kann nicht einmal das - es ist ein völlig nutzloses Accessoire. Übrigens haben wir ermittelt, dass die Alte Jungfer vor gut einer Woche in den Hafen eingelaufen ist. Also hat der arme Apati sehr lange Ferien in Tascher gemacht, bevor er zu seinen Verwandten nach Echo zurückgekehrt ist. Und weißt du, woran er gestorben ist?«

»An dem Versuch, seinen prächtigen Gürtel abzunehmen?«

»Fast - er hat es nicht selbst getan, sondern wurde beraubt. Was mit dem armen Apati passiert ist, kannst du dir ja gut vorstellen. Das muss ein schrecklicher Tod gewesen sein.«

Ich zuckte zusammen.

»Woher wissen Sie, dass er beraubt wurde? Vielleicht hat Apati auf alle Verbote gepfiffen und den Gürtel einfach abgenommen? Jeder kann doch auf alles pfeifen und tun, was er will, oder?«

»Ohne an die Konsequenzen seines Handelns zu denken? Findest du diese Hypothese nicht etwas kühn? Den Räuber haben wir übrigens inzwischen gefunden. Auch er ist tot. Er hat seine Neuerwerbung anprobiert und sie danach wieder ausziehen wollen - armer Kerl. Die Polizei hat die Leiche gestern Abend hierher gebracht, kurz nachdem du gegangen bist. Jetzt liegen beide friedlich nebeneinander. Du kannst sie dir ansehen, wenn du magst.«

»Ah ja«, sagte ich kühl. »Und wie geht es unserem Kapitän?«

»Nach dem intensiven Gespräch, das wir mit ihm geführt haben, schläft Gjata tief und fest. Er hat uns Folgendes erzählt: Der Reeder Agon hat ihn vor vier Jahren als Kapitän eines seiner Handelsschiffe eingestellt und ihm den schrecklichen Gürtel zum Beweis seiner Freundschaft geschenkt. Unser Gjata hat ihn gleich anprobiert und ist so - wie wir inzwischen wissen - in Agons Falle getappt. Kaum hatte er begriffen, dass er sich gewissermaßen selbst gefangen gesetzt hatte, sagte Agon, es werde ihm nichts geschehen - vorausgesetzt, er erfülle die Befehle, die er bekomme. Gjata musste nichts Kompliziertes tun - er sollte die Alte Jungfer nur im Liniendienst zwischen Echo und Tascher verkehren lassen und das Schiff vor neugierigen Blicken schützen. Der Kapitän hat die Mannschaft immer persönlich zusammengestellt. Aber vor der letzten Reise hat Agon ihm einen neuen Schiffskoch aufgezwungen. Und das Wichtigste: Der Neuling trug keinen Gürtel. Dabei war auch Gjata überzeugt, dass sich Agon vor seinem eigenen Protege fürchtete. Ahnst du die Zusammenhänge, Max? Ich glaube, dieser Koch steht im Zentrum des Falls. Aber den werden wir auch noch erwischen. Nach der Ankunft in Echo jedenfalls ist er verschwunden. Darum hat die Mannschaft im Wirtshaus gegessen. Na ja, die Aussagen des Kapitäns haben uns weitergeholfen. Er möchte sich dir gegenüber unbedingt erkenntlich erweisen, denn er glaubt, du hast ihm Seele wie Körper gerettet. Aber was für ein Geschenk hast du mir eigentlich mitgebracht? Zeig mal?«

»Nur nichts übereilen, Juffin! Ich hab einen Gürtelträger dabei. Er wollte mich zwar mit einem Messer umbringen, aber wie Sie sehen, ist es gut ausgegangen. Bis jetzt verstehe ich allerdings nicht, wie mir das gelungen ist. Ich habe nur ein auf mich zielendes Messer gesehen, dann hab ich mich in Luft aufgelöst und mich nach kaum einer Sekunde wohlbehalten wieder materialisiert.«

»Ich weiß«, sagte Juffin lächelnd. »Du hast viel Glück gehabt, aber alles, was du sonst getan hast, war einfach schrecklich. Du hast dich wie ein kleiner Junge benommen - schämst du dich gar nicht?«

»Na ja, dass ich ein Dummkopf bin, hab ich schon lange geahnt.«

Ich erinnerte mich noch daran, den Unbekannten durch eine Grimasse erschreckt zu haben, und musste kurz lächeln.

»Melifaro wäre von meinem Handeln begeistert gewesen, meinen Sie nicht?«

»Der schon«, sagte Juffin lachend. »Aber wie du den Bärtigen verfolgt hast, Max, war einfach furchtbar. Er hat dich sofort bemerkt und ist ins erstbeste Viertel geflohen, in dem viele Leute auf der Straße waren. Dir beizubringen, wie man jemanden verfolgt, wird genauso schwer, wie dich in einen anständigen Koch zu verwandeln. Es wäre leichter, dich unsichtbar zu machen.«

»Juffin?«, fragte ich vorsichtig. »Haben Sie mich etwa die ganze Zeit beobachtet?«

»Ich hatte Besseres zu tun, Max. Unter anderem musste ich arbeiten. Ich war im Geiste bei dir, solange es nach Blut roch. Ich wollte dir helfen, doch du hast es allein geschafft. Kannst du dich erinnern, wie dein kurzzeitiges Verschwinden abgelaufen ist?«