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»Das ist ja furchtbar! Na gut, gehen wir ins Fressfass. Sollte inzwischen jemand kommen, wird Kurusch das schon erledigen. Stimmt's, mein kluger Vogel?«, fragte Juffin und streichelte die weichen Federn des Buriwuchs.

Kurusch schien sehr zufrieden.

Natürlich blieben wir länger im Fressfass. Nach zwei Tassen Kamra nahmen wir ein langes, sättigendes Frühstück zu uns, das mich davon überzeugte, der vorfestliche Alptraum gehöre der Vergangenheit an.

»Glaub nicht, dass du gleich nach Hause gehen kannst, Max«, ermahnte mich Juffin. »Mittags findet das feierliche Verteilen der Geschenke des Königs statt. Soviel ich weiß, ist auch für dich eine Kleinigkeit vorgesehen.«

»Kann mir Sir Kumba Kurmak mein Geschenk nicht vorab geben?«

»Wie kommst du denn darauf? Natürlich nicht!«

»Ich hab zwar nichts gegen ein Geschenk, aber ich habe zwei Tage lang Melifaros Schlaf gerettet, und das Einzige, wovon ich jetzt träume, ist mein Bett.«

»Das wirst du schon noch aushalten. Nicht schmollen, Max. Ich habe für dich etwas richtig Hübsches arrangiert. Und jetzt trink noch was.«

Juffin stellte mir eine große, bauchige Keramikflasche hin, die auf einen üppigen Inhalt schließen ließ.

»Das ist doch ...«

»Leise, leise - ja, das ist es«, flüsterte Juffin, und sein Lächeln zeigte, dass ich ein wenig Kachar-Balsam bekommen würde - das süßeste Erzeugnis der Verbotenen Magie und das einzige Mittel, mein Wohlbefinden in jeder Lage zurückkehren zu lassen. In meiner damaligen Verfassung kam es wie gerufen.

»Da klopft mir doch jemand auf den Rücken«, meinte ich plötzlich. »Ist vielleicht Sir Kofa in der Nähe?«

»Wer sonst?«, murmelte ein älterer Herr mit langer Nase, der sich gerade am Nachbartisch niederließ.

Na bitte - Sir Kofa Joch höchstpersönlich, wie immer, aber in fremder Gestalt, die konspirativen Zwecken diente.

»Gerade wollte ich Sie verhaften, meine Herrschaften. Aber eventuell nehme ich auch Bakschisch von Ihnen, Max. Denn anders als Sie habe ich in den letzten vierzig Stunden kein Auge zugetan. Na ja, so gut wie kein Auge ... Zu den sündigen Magistern mit den letzten Tagen des Jahres!«

Mit Feuereifer öffnete ich die Flasche.

»Ihr seid ja außer Rand und Band, Kinder«, meinte Juffin lächelnd. »Magie achten Grades an einem öffentlich zugänglichen Ort? Das ist Amtsmissbrauch!«

»Na schön, Juffin. Wenn Sie wollen, zeigen Max und ich uns an ... und Sie natürlich auch. Dann werden wir ja sehen, wie Sie damit umgehen.«

Schon lange hatte ich Sir Kofa Joch nicht mehr so ausgelassen erlebt. Er wirkte so verjüngt, als wäre er noch nicht mal geboren.

Am Mittag landeten wir in der Kanzlei für Auszeichnungen und Stipendien, wo sich schon andere Preiswürdige versammelt hatten. Noch nie hab ich so viele Geheimagenten auf einem Haufen gesehen, dachte ich und konnte mir ein Lächeln kaum verkneifen. Glücklicherweise wollte es die Ironie des Schicksals, dass ich gegen das Zeremoniell verstoßen durfte, da ich den Todesmantel trug. Auch im Haus an der Brücke konnte ich mir vieles herausnehmen, und weder die zitternden Mitarbeiter von General Bubuta Boch noch ihr Chef, der unter seiner Wichtigkeit schnaufte, durften mir etwas befehlen.

Heute aber wirkte Bubuta geistesabwesend. Mir fiel auf, seine langen und lauten Monologe seit Tagen nicht gehört zu haben. Auch ihn nahm sicher die schweifende Unruhe des Jahreswechsels in Beschlag.

Schließlich gab mir der dicke und sympathische Sir Kumba vorab die Königliche Schatulle, und ich konnte nach Hause gehen. Meine Portion Kachar-Balsam im Fressfass war - da man solche Köstlichkeiten für bessere Anlässe aufbewahren sollte - rein symbolisch gewesen und hatte darum längst aufgehört zu wirken. Daheim warteten meine Katzen auf mich, die die Bekanntschaft mit Melifaro gewiss erschüttert hatte. Meine Tiere verdienten jetzt Zuwendung und Trost.

»Max«, erreichte mich Juffins Stimme auf der Türschwelle. Ich drehte mich um.

»Was gibt's denn noch?«

»Du hast noch ein Versprechen zu erfüllen. Es ist besser, so was bis zum Jahresende zu erledigen.«

»Was für ein Versprechen denn?«

»Als du letztes Mal bei mir zu Besuch warst, hast du dem Hund Chuf versprochen, ihn bald zu besuchen.«

»Ist das eine Einladung?«

»Eine Vorladung ist das. Und wenn du meiner Gegenwart noch nicht überdrüssig sein solltest, nimm zur Kenntnis, dass ich bei Sonnenuntergang nach Hause komme und keine Minute später. Ich glaube nicht, dass heute irgendwer im Büro bleiben muss. Bis Mitternacht jedenfalls schafft Kurusch sicher alles allein.«

»Vielen Dank. Natürlich besuche ich Sie gern und esse alles, was auf den Tisch kommt. Danach lande ich bestimmt auf dem Friedhof.«

»Daran zweifle ich nicht. Na gut, geh dich ein wenig erholen.«

Armstrong und Ella begrüßten mich mit unzufriedenem Miauen. In den letzten Tagen hatten sie ihr Frühstück später bekommen als sonst, was an Melifaros Anwesenheit lag, und die Katzen mochten diese Veränderung gar nicht.

»Meine Wollknäuel«, flüsterte ich den beiden sanft zu, während ich ihre Fressnäpfe füllte. »Das alles ist für euch. Jetzt beginnt wieder das normale Leben.«

Meine Neugier war stärker als meine Müdigkeit. Also öffnete ich vor dem Einschlafen die Schatulle des Königs. Vor nicht allzu langer Zeit war es noch schwierig für mich gewesen, eine ähnliche Schachtel zu öffnen, doch jetzt ging es beinahe automatisch. Ich hatte also schon Magie vierten Grades erlernt ... und noch weit mehr.

Diesmal bekam ich etwas sehr Hübsches: eine nicht besonders große Medaille aus weißem Stahl. Dieses Metall hat in Echo, das nicht gerade reich an Bodenschätzen ist, großen Wert. Auf der Medaille war ein dickes, wildes, allem Anschein nach sympathisches Tier dargestellt. Nachdem ich mir das Ganze näher angeschaut hatte, begriff ich, dass der unbekannte Künstler meinen Armstrong oder meine Ella - der Unterschied war schließlich nicht allzu groß - nach seiner Vorstellung abzubilden versucht hatte.

Drei Stunden Schlaf reichten dicke. Ein Tropfen Kachar-Balsam wirkte offenbar wahre Wunder. Aus Spaß an der Freud machte ich alsdann im ganzen Haus Ordnung, pflegte die Katzen und nahm mich sogar meines unrasierten Gesichts an. Dann setzte ich mich ins Gästezimmer und stopfte meine Pfeife mit dem hiesigen Tabak, an dessen Geschmack ich mich allerdings noch immer nicht gewöhnt hatte. Doch mit der Pfeife in der Hand dazusitzen, ist für mich Inbegriff häuslicher Entspannung.

Kurz vor Sonnenuntergang stieg ich in mein A-Mobil und fuhr auf die andere Seite des Churon, also auf das vornehme, gepflegte und Respekt heischende Linke Flussufer der Stadt. Die Straßen waren überwiegend menschenleer, und die Wirte standen traurig nickend im Eingang ihrer Kneipen und hatten die Hoffnung auf Gäste schon beinahe aufgegeben. Auf den Mosaikgehsteigen spazierten Vögel. Die Bewohner von Echo erholten sich still von den Sorgen des vergangenen Jahres und feierten keine Partys. Es gab nur einen ausgiebigen Schlaf, auf den die Hauptstadt so lange gewartet hatte.

Juffin öffnete mir selbst die Tür, weil sein Haushofmeister gleich nach dem Decken des Abendbrottischs freibekommen hatte. Unser Treffen schien dem ermüdeten Kimpa der Gipfel der Exzentrik.

Zuerst nahm ich einen vor Sorge zitternden Chuf in die Arme. Der Hund leckte mir die Nase und drückte mir dann die Schnauze ins Ohr. Ich bevorzuge andere Waschmethoden, entschied mich aber, es zu dulden.

»Ich hab keine Geschenke«, rief ich, nachdem ich mich in einen bequemen Sessel hatte fallen lassen. »Sie wissen doch, wie geizig ich bin. Außer für dich, mein Kleiner. Für dich hat sich doch noch was gefunden.«

Ich öffnete ein winziges Päckchen, in dem sich das Lieblingsgebäck von Chuf und mir befand, das ich im Buckligen Itulo gekauft hatte. Es war enorm lecker und sündhaft teuer. Sir Juffin behauptete, diese Leckerei sei ohne verbotene Magie gar nicht herstellbar. Dennoch war der Bäcker unverdächtig. Seine Backstube wurde alle zwölf Tage kontrolliert - stets erfolglos. Was ein kulinarisches Talent auch ohne Magie nicht alles zaubern kann! Aber das vollständige Fehlen dieser Gabe hatte Juffin bei mir ja erst kürzlich festgestellt.