Выбрать главу

»Schon gut, du Schnorrer. Warum hast du dir eigentlich noch immer keine eigene Flasche zugelegt?«

»Weil ich geizig bin. Haben Sie das noch nicht bemerkt?«

Mein Chef lachte erleichtert. Anscheinend gewann ich meine alte Form zurück. Zu wissen, dass ich meinen Schmerz mit jemandem teilte, ließ mich wieder aufleben. Etwas Ähnliches war am Vortag Kapitän Gjata widerfahren. Außerdem wusste ich jetzt, dass ich kein verschmähter Galan aus einem schmalzigen Liebesroman war, sondern ein Mensch, der sich mit seinem Schicksal abfinden musste. Auch das war zwar schmerzhaft, aber leichter zu ertragen.

Nach ein paar Tropfen Kachar-Balsam fühlte sich unser Gefangener schon viel besser, und als er merkte, dass er keinen Gürtel mehr trug, fiel er vor uns auf die Knie. Seine Dankbarkeit allerdings war uns zu wenig.

»Erzähl uns lieber, wer dir dieses Schmuckstück angedreht hat«, sagte Juffin.

»Sein Name ist Chroper Moa. Er kommt aus Ihrer Gegend ...«

»Mehr brauchst du nicht zu sagen«, unterbrach ihn Juffin und wandte sich an mich. »Das ist der Große Magister des Ordens vom Bellenden Fisch. Dieser Orden ist nicht besonders mächtig, doch sein Chef hatte immer eine enorme Fantasie.«

Juffin sah wieder den Reeder an, der daraufhin zusammenfuhr und finster dreinschaute. Das konnte ich gut verstehen, denn mein Chef hatte ihm einen vernichtenden Blick zugeworfen.

»Was hat er von dir gewollt, Agon?«

»Nur eins: Er will an einen großen Talisman kommen - Genaueres weiß ich nicht. Ich sollte nur ein paar nützlichen Leuten diesen Gürtel umlegen. Dann meldete sich Chroper per Stummer Rede bei ihnen und sagte ihnen, was er brauchte.«

»Und wem hast du den letzten Gürtel angelegt?«

»Niemandem. Diesmal hat Chroper mich von Tascher nach Echo begleitet. Anscheinend hat er gemerkt, dass die ganze Sache ohne ihn kein erfolgreiches Ende nehmen würde. Ich habe immer getan, was er mir befohlen hat. Mein größter Erfolg war, diesem Apati Chwen einen Gürtel umgelegt zu haben, aber er hat leider eine wertlose Kopie des Glänzendes Siebenblattes gestohlen. Nach diesem Misserfolg war Chroper ein ganzes Jahr sauer auf mich und hat mir dann gesagt, er werde mich nach Echo begleiten und mich danach von meinem Gürtel befreien.«

»Damit du deine Geschäfte auf eigene Rechnung fortsetzen kannst, ja?«, rief Juffin und verzog angewidert das Gesicht. »Die Gürtelträger sind ausgezeichnete Diebe, stimmt's? Sie tun, was man ihnen befiehlt, und verraten ihre Auftraggeber nicht. Das hat dir gefallen, Agon, gib's zu! Wie viel Diebesgut hast du denn in dein sonniges Tascher geschafft?«

»Nichts dergleichen habe ich getan!«

»Sei doch still. Ich habe alle größeren Diebstähle in Echo untersucht. Sie fanden stets dann statt, wenn dein Schiff hier im Hafen lag. Willst du noch mehr hören?«

Der bärtige Reeder blickte stumm auf den Boden. Juffin lächelte.

»Ich sehe schon - ich muss dir nichts weiter erzählen. Jetzt verrätst du mir, wo sich dein Freund Chroper aufhält. Und wenn ich ihn mit deiner Hilfe finde, hast du Glück. Dann musst du nämlich nur deinen Kapitän bezahlen, ich schicke dich zurück nach Tascher, und du darfst nie wieder ins Vereinigte Königreich einreisen. Deine übrigen Fahrten interessieren mich ohnehin nicht. Sollte ich Chroper allerdings nicht finden, leg ich dir wieder deinen hübschen Gürtel um - verstanden?«

»Ich weiß wirklich nicht, wo er ist!«, rief Agon panisch. »Er hat mir nie erzählt, wo er sich aufhält.«

»Das war lobenswert vorsichtig«, stellte Juffin fest. »Es wäre allerdings auch seltsam gewesen, wenn Chroper Moa dir sein Versteck verraten hätte. Aber du bekommst noch eine Chance: Es würde mir reichen, wenn du mir sagst, wo er gestern war.«

»Gestern haben wir uns nach dem Mittagessen auf einen Krug Kamra im Goldenen Widder getroffen, aber ich weiß nicht ...«

»Gut, dass es nicht zum Mittagessen, sondern hinterher war«, meinte Juffin und verzog das Gesicht. »Dieser Widder ist doch eine sündhaft teure Klitsche und hat obendrein einen lausigen Koch. Für einen Gourmet wie Chroper wäre das nichts gewesen. Gut. Max, kümmere dich um unseren Gast. Er wird uns begleiten - kann ja sein, dass wir ihn brauchen.«

Verständnislos sah ich Juffin an, doch dann fiel der Groschen.

»Natürlich.«

Eine Bewegung reichte, und der Reeder landete wieder zwischen Daumen und Zeigefinger meiner Linken. Langsam hatte ich das Gefühl, Agon und ich seien unzertrennlich.

Melifaros Kopf tauchte in der Tür auf.

»Alle sind versammelt, Sir Juffin. Sie sollten nicht so viel arbeiten. Sir Nachtantlitz, auch du wirkst müde. Aber selbst Lonely-Lokley ist ja manchmal erschöpft.«

»Was man gern tut, ermüdet nie«, erklärte ich belehrend.

Ich stürmte in den Saal der allgemeinen Arbeit, als wollte ich mich von einem Wolkenkratzer stürzen: schnell, entschieden und ohne an die Folgen zu denken.

»Nun, meine Damen und Herren«, vernahm ich Juffins Stimme hinter meinem Rücken, »unser Ziel heißt Goldener Widder. Lady Melamori - Sie übernehmen dort die Initiative. Auf geht's!«

»Mit dem größten Vergnügen«, brummte Melamori nickend und mied dabei meinen Blick. Das war sicher besser so.

»Unser Gegner ist sehr ernst zu nehmen. Es handelt sich um Magister Chroper Moa. Haben Sie von ihm gehört, Melamori?«

»Ist das nicht der Große Magister des Ordens vom Bellenden Fisch? Und der soll gefährlich sein?«, fragte sie und zuckte hochmütig die Achseln.

»Auch manche weniger wichtige Orden haben gefährliche Geheimnisse«, sagte Lonely-Lokley und schüttelte missbilligend den Kopf. »Lady Melamori, im Hinblick auf Ihre Sicherheit sollten Sie das nicht vergessen. Und im Hinblick auf unsere Sicherheit natürlich auch nicht.«

»Haben Sie verstanden, Lady? Sie sollen die Nase nicht so hoch tragen«, mischte sich Juffin ein. »Und jetzt los, Leute. Max, du setzt dich ans Steuer. Jede Minute zählt. Du hast die einmalige Chance, den Kleinen Geheimen Suchtrupp fast vollzählig zu vernichten. Ich kann mir kaum vorstellen, was Kofa und Lukfi ohne uns anfangen sollten.«

»Kofa wird weiter essen, und Lukfi wird unser Fehlen nicht mal bemerken«, entgegnete Melifaro. »Und niemand wird uns auch nur eine Träne nachweinen.«

»Ich glaube, so eine Katastrophe wäre ein ernsthafter Verlust für das Vereinigte Königreich«, erklärte Lonely-Lokley mit Nachdruck.

Melifaro kicherte in sich hinein.

»Während ihr über unseren Tod spekuliert habt, sind wir schon angekommen«, sagte ich lächelnd. »Ihr seid mir vielleicht Helden! Bitte alle aussteigen. Melamori, du gehst vor und zeigst dem Magister, was du kannst.«

Meine Entschiedenheit überraschte mich selbst. Juffin und Melifaro wechselten einen Blick und tuschelten kurz wie Schüler miteinander. Sogar die düster dreinblickende Lady Melamori musste ein wenig lächeln. Sir Schürf Lonely-Lokley musterte uns wie schwierige, nichtsdestotrotz aber geliebte Kinder.

Dann zog die Verfolgungsmeisterin ihre Schuhe aus, betrat das Wirtshaus und durchquerte das Lokal.

»Ich hab ihn! Ein Magister ist leicht zu finden, Sir Juffin«, rief sie. »Das hier ist seine Spur. Er muss irgendwo in der Nähe sein - das schwöre ich bei Ihrer Nase.«

»Schwören Sie lieber bei Ihrer Nase. Meine brauch ich noch.«

Sir Juffin sah aus wie ein Angler, der einen kapitalen Wels gefangen hat.

Melamori folgte Chropers Spur, während wir uns wieder ins A-Mobil setzten und darauf warteten, dass sie uns per Stummer Rede informierte, wohin wir fahren sollten. Nach genau einer halben Stunde legte Juffin mir die Hand auf die Schulter.

»Kennst du die Straße der vergessenen Dichter, Max?«

»Davon höre ich zum ersten Mal - gibt es die wirklich?«

»Mach dir darüber keine Gedanken, sondern fahr einfach hin. Halt dich Richtung Burg Jafach. Es ist nur eine enge Gasse, und ich sag dir Bescheid, wo du abbiegen musst.«

Die Straße der vergessenen Dichter war tatsächlich eng und ziemlich heruntergekommen, denn zwischen den Steinen auf den Mosaikgehsteigen wuchs Unkraut.