Die letzten beiden Worte fielen mit einer Explosion zusammen. Ich begriff, dass Chroper Moa - der Große Magister des Ordens vom Bellenden Fisch - gerade die Welt der Lebenden verlassen hatte und in die Liste der vom Kleinen Geheimen Suchtrupp gelösten Fälle einging.
»Das war's«, sagte Lonely-Lokley und zog seine Handschuhe wieder an. »Es ist einfacher, eine Sache zu beenden, als sie zu beginnen. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sir Max?«
»Nein, aber das hole ich demnächst nach - versprochen.«
»Sir Schürf, Sie sind wie immer in Topform«, hörten wir Juffin hinter uns sagen. »Tut mir leid, dass ihr mich so lange entbehren musstet, aber ich hatte Melamori und Melifaro noch einen Vortrag über vorsichtige Ermittlungsarbeit zu halten.«
»Sir Juffin, ich hab Ihnen doch gesagt, wir sollten damit keine Zeit verplempern, um nicht das Spannendste zu versäumen«, schimpfte Lady Melamori empört. »Jetzt ist der Böse tot, und ich hab nichts davon mitgekriegt! Furchtbar!«
»Das Spannendste?«, fragte mein Chef stirnrunzelnd. »Wissen Sie, was in diesem Keller das Spannendste ist?«
»Natürlich«, rief Melifaro triumphierend. »Der Geheimgang, der von hier zur Burg Jafach führt. Der ältere Sohn von Gartoma Chatl Min war einer der bedeutendsten jüngeren Magister im Orden des Siebenzackigen Blattes, des Wohltuenden und Einzigen Ordens. Ist es das, was Sie so spannend finden, Sir Juffin?«
»Ihr seid Blitzmerker, Leute«, stellte unser Chef fast gerührt fest. »Gratuliere! Heute kann der Große Magister Nuflin endlich ruhig schlafen. Das passiert bekanntlich nicht oft. Schade, Schürf, dass Sie Chroper so übereilt getötet haben.«
»Aber Sir, Sie wissen doch, wie mit rebellischen Magistern, die schon drei Mordversuche unternommen haben, zu verfahren ist!«
»Schon gut - Sie haben ja alles richtig gemacht. Ich hätte nur gern gewusst, was dieser Verrückte mit dem Leuchtenden Siebenblatt anfangen wollte. Soweit ich weiß, gibt es nur einen, dem das Amulett nützt: dem Großen Magister Nuflin nämlich. Oder täusche ich mich da?«
Eine gewisse Unsicherheit in der Stimme von Sir Juffin verlieh dem Abschluss dieses Kriminalfalls eine eigenartige Note. Allerdings hatten wir ihn auch noch nicht ganz gelöst.
Wir kehrten ins Haus an der Brücke zurück und brachten den bewusstlosen Hausbesitzer Gartoma Chatl Min in ein kleines Zimmer, das wir provisorisch zum Krankenlager umfunktioniert hatten. Wir entschieden uns, den alten Mann erst aufzuwecken, wenn wir ihm den Gürtel abgenommen hatten. Weitere Probleme nämlich konnten wir wirklich nicht brauchen.
»Geht ruhig alle nach Hause«, sagte Juffin freundlich. »Alle bis auf ... Max, könntest du mir noch ein wenig helfen?«
»Natürlich«, sagte ich offenherzig.
Mir hatte bereits davor gegraut, nach Hause gehen zu müssen, wo nicht nur meine flaumigen Katzen Armstrong und Ella auf mich warteten, sondern auch süße Erinnerungen, die ich nicht an mich heranlassen wollte.
Ich sah, wie andächtig Lady Melamori den Boden rund um ihre Füße musterte. Die Aussicht, nach Hause zurückzukehren, löste auch in ihr offenbar keine Begeisterung aus. Ihr Zustand war nicht besser als meiner, vielleicht gar um einiges schlimmer, weil nicht nur ich in der Nacht zuvor gefunden hatte, wonach ich lange suchte.
Ich tat das Erste, was mir in den Sinn kam, und meldete mich per Stummer Rede bei Melifaro.
»Wenn du Lady Melamori jetzt nicht nach Hause begleitest, bist du ein Volltrottel.«
Melifaro wäre vor Erstaunen beinahe vom Stuhl gefallen und musterte mich frappiert.
»Tu, was ich dir sage!«
»Was ist denn in dich gefahren, Sir Nachtantlitz? Ich dachte, die Bewohner der Grenzgebiete wären besonders eifersüchtig.«
»Ich bin da eine Ausnahme. Jetzt hör auf zu schwatzen. Ende.«
Ich ließ Melifaro und Melamori stehen und flüchtete in mein Büro. Hätte ich vielleicht doch eifersüchtig sein sollen?
Nach ein paar Minuten kam Sir Juffin zu mir.
»Hältst du wirklich die ganze Nacht durch, Max? Zum Glück bin ich nicht auf deine Hilfe angewiesen. Lass nur deinen Freund frei. Kannst du überhaupt noch ohne ihn leben?«
»Meinen Freund? Den hatte ich ja ganz vergessen!«
Ich musste in mich hineinlachen, denn ich hatte mich so daran gewöhnt, den Reeder Agon dabeizuhaben, dass mir gar nicht mehr bewusst war, ihn herumzuschleppen.
»Brauchen Sie den guten Mann sofort?«
»In etwa einer Stunde, wenn du so lange warten kannst. Lady Sotova hat versprochen, vorbeizukommen. Agon soll sich dann per Stummer Rede bei allen Gürtelträgern melden und sie ins Haus an der Brücke bestellen, wo Lady Sotova ihnen helfen wird, sich von ihrem zweifelhaften Schmuckstück zu befreien. Das ist für sie ein Klacks, wie du selbst gesehen hast.«
»Nach Hause gehe ich heute bestimmt nicht. Lady Sotova ist fantastisch, finden Sie nicht?«
Sir Juffin räusperte sich. »Ich weiß nicht recht. Womöglich. Max, wir bekommen gleich Abendessen, und deinen kleinen Freund kannst du später befreien. Wenn ich richtig verstanden habe, hast du keine Lust, nach Hause zu gehen.«
Ich zuckte die Achseln. »Das wissen Sie doch.«
»Prima - dann bin ich nicht der Einzige, der im Morgengrauen vor Müdigkeit zusammensacken wird. Bist du eigentlich noch nicht auf die Idee gekommen, es wäre leichter und angenehmer, dein Leben zu ändern, als die ganze Zeit mit feuchten Augen durchs Haus an der Brücke zu irren?«
»Darauf bin ich wirklich noch nicht gekommen. Ich bin ein ziemlicher Dummkopf, was?«
»Mitunter schon«, sagte Juffin lächelnd. »Willst du in der Altstadt bleiben? Vielleicht wäre es für dich ja besser, in die Neustadt umzuziehen? Dort hättest du die Möglichkeit, dein wahres Talent zu zeigen und A-Mobile kaputtzufahren.«
»Umzuziehen wäre eine gute Idee. Ich sollte tatsächlich mal ausprobieren, wie es ist, in der Neustadt zu wohnen. Dort hat eine nette Lady irgendwo ein Wirtshaus eröffnet. Als es ihr schlecht ging, hab ich ihr den gleichen Ratschlag gegeben, den Sie jetzt mir geben. Es ist seltsam, wie leicht man anderen raten kann, sich selbst aber oft nicht zu helfen weiß. Doch Sie tun mir Unrecht - ich habe bisher noch kein A-Mobil zu Schrott gefahren.«
»Bestimmt ist es bald so weit. Jetzt nimm diesen Schlüssel und merk dir die Adresse: Straße der gelben Steine 18. Ich hab mich bemüht, etwas Hübsches für dich zu finden, damit du dich wohl fühlst.«
»Ich schätze, dort gibt es mindestens zehn Badewannen.«
»Falsch - es sind nur acht. Viele Neubauten haben sogar noch weniger, aber ich hab so meine Grundsätze.«
»Ich möchte mich bei Ihnen aufs Allerherzlichste bedanken, damit ich nicht später - wie der Große Magister Nuflin einmal gesagt hat - vor Ihnen auf die Knie fallen muss«, rief ich errötend und begriff allmählich, was mein Chef für mich getan hatte. »Sie haben mir das Leben gerettet, Juffin. Soll ich den Saum Ihres Lochimantels küssen? Wie ich sehe, wäre Ihnen das nicht recht. Wann haben Sie in all dem Trubel eigentlich geschafft, das neue Haus für mich zu organisieren?«
»Wozu dient wohl die Stumme Rede? Und wofür hat man jüngere Mitarbeiter? Jetzt iss aber, anstatt dummes Zeug zu reden. Den Minizoo und deine übrigen Habseligkeiten kann ein Bote in deine neue Wohnung bringen,
am besten wohl Urf. Der kennt sich in deinem Haushalt doch schon aus.«
»Sie sind ja sehr gut über meine Lebensumstände informiert. Allerdings gibt es ein kleines Problem: In meinem Haus in der Straße der alten Münzen befindet sich ein Kissen, das eine Ritze zwischen den Welten abdichtet.«
Juffin kicherte erst in sich hinein, lachte dann aber schallend los. Fragend sah ich ihn an. Woher mochte seine Heiterkeit rühren?
»Das ist alles Quatsch, Max. Maba Kaloch hat bloß gescherzt. Er mag solche Witze. Du hättest dein Kissen nicht annähen müssen und kannst es mitnehmen, wohin du willst. Das Geheimnis liegt weder im noch unterm Kissen. Ach, Max, ich liebe deine unfreiwillige Komik.«