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»Hab ich mich also schon wieder dumm angestellt?«

Mir wurde die Sache allmählich peinlich, obwohl der Scherz von Sir Maba gar nicht schlecht gewesen war.

»Ach, Schwamm drüber, Juffin. Ich hoffe nur, dass das Haus in der Straße der alten Münzen nach meinem Wegzug nicht neu vermietet wird. Vielleicht kehre ich ja irgendwann dorthin zurück.«

»Das wird sich zeigen. Und jetzt befrei deinen Gefangenen.«

Der Reeder Agon, den die Strapazen der letzten Tage sichtlich erschöpft hatten, meldete sich per Stummer Rede bei seinen Leidensgenossen und landete dann auf dem improvisierten Krankenlager.

Müde legte ich den Kopf auf den Tisch. Wir waren allesamt Leidensgenossen: die Opfer der Gürtelmode; die Köche, die den Ohrring Ochola tragen mussten; Melamori,

ich und die übrigen Besucher des Stadtteils Rendezvous sowie alle anderen, all die Opfer der Umstände - egal, ob sie durch Zaubersprüche oder Schicksalsschläge heraufbeschworen worden sein mochten.

»Alles halb so schlimm, mein Lieber«, hörte ich Lady Sotova sagen. Ihre Stimme riss mich aus depressiven Gedanken und versetzte mich in die hübsche Gegenwart zurück, in der mich eine Tasse frische Kamra und angenehme Arbeit erwarteten.

Ich lächelte.

»Kaum treffe ich einen netten Menschen, zeigt sich, dass Gedankenlesen zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehört.«

»Ach was, Max«, wiegelte die alte Lady ab. »Du hast bloß ein finsteres und niedergeschlagenes Gesicht gemacht - wie alle Leute, die über ihre Probleme grübeln. Wo bleiben eigentlich die armen Gürtelträger?«

»Sotova, du bist fast eine Stunde früher dran als geplant«, meinte Juffin. »Hab noch etwas Geduld.«

»Du machst mir wirklich eine Freude, Juffin. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt ein paar Minuten nichts zu tun hatte.«

»Mit einer längeren Verschnaufpause kannst du leider nicht rechnen. Die Gürtelträger kommen jeden Moment. Da ist schon der Erste.«

Der Neuankömmling war derselbe Mann, den Sir Kofa und ich am Anfang der ganzen Verwicklungen im Wirtshaus Gerb Iraschi gesehen hatten. So ein Zufall!

Die kleinen Hände von Lady Sotova wirkten an den Gürtelträgern wahre Wunder. Dabei stand ihr Mund nicht eine Sekunde stilclass="underline" Jedem Geheilten sprach sie ihr Mitgefühl aus, machte sich dabei jedoch auf subtile Weise über ihn lustig. Danach mussten die glücklich Befreiten uns für eventuelle Rückfragen noch mitteilen, wo sie sich in den nächsten zwölf Tagen aufhalten würden. Obwohl Kurusch über so viel langweilige Arbeit sehr empört war, speicherte der treue Vogel die Informationen der Gürtelträger fleißig. Der Arme konnte ohnehin nicht anders, denn sein phänomenales Gedächtnis ließ ihn alles im Kopf behalten.

»Diese Leute werden doch keine Scherereien mit der Justiz bekommen, oder?«, wollte ich wissen.

»Natürlich nicht«, beruhigte mich Juffin. »Wie kann man jemanden verurteilen, der keinen freien Willen hat? Manchmal hast du wirklich seltsame Ideen. Der einzige Kandidat für eine Gerichtsverhandlung ist Reeder Agon, der auf eigene Initiative unerlaubte Handlungen begangen hat. Aber er soll möglichst rasch ins sonnige Tascher verschwinden, denn er ist so überflüssig wie ein Holzsplitter in der Ferse. Ach, Sotova - wir haben noch jemanden für dich, der dir bestimmt gefällt. Komm, gehen wir nach nebenan.«

Dort lag der alte Gartuma Chatl Min auf seinem Krankenlager. Erstaunt stellte ich fest, dass sein Anblick in mir keinen Widerwillen auslöste. Gleich darauf wurde der Mann entlassen. Juffin drückte ihm zum Abschied noch eine lange Liste von Handwerkern in die Hand, die ihm bei der Renovierung seines Hauses helfen konnten. Freilich war kaum damit zu rechnen, dass der alte Mann mit dieser Liste etwas anzufangen wusste.

Im Morgengrauen betrat ich mein neues Haus. Ella und Armstrong begleiteten mich durch alle sechs Zimmer und miauten dabei vorsichtig. Sir Juffin hat seltsame Vorstellungen davon, wie ein bescheidenes Häuschen auszusehen hat. Kaum hatte ich die Zimmer flüchtig inspiziert, warf ich mich aufs Bett und schlief wie ein Stein. Diesmal träumte ich nicht von Melamori. Sie schien schon zu meiner Vergangenheit zu gehören.

Gegen Mittag weckte mich Kofa Joch per Stummer Rede.

»Ich warte im Goldenen Widder auf Sie, Sir Max. Ich schätze, Sie finden den Weg dorthin.«

»Juffin meint aber, die Küche dort sei furchtbar«, opponierte ich halbherzig.

»Das dürfen Sie nicht ernst nehmen. Juffin gehört zu den schlimmsten Snobs von Echo - wie alle Provinzler, die seit über hundert Jahren in der Hauptstadt leben. Hier gefällt es Ihnen sicher. Übrigens erwartet Sie auch Ihr Schuldner.«

»Schuldner? Sir Kofa, bitte lassen Sie mich schlafen.«

»Es ist Kapitän Gjata. Sie haben ihm doch das Leben gerettet, und er will sich nun erkenntlich erweisen. Ehrlich gesagt, Sir Max - ich will nicht neidisch sein, aber dieser Gjata hat ein ernstes Gesicht und genauso ernste Absichten. Er ist bereit, dreihundert Jahre auf Sie zu warten - Hauptsache, er kann seine Schulden begleichen. Je schneller Sie kommen, desto mehr kriegen Sie zu essen. Ende.«

Die Reise nach Kettari

Schönen Tag noch, Sir Nachtalptraum«, rief Melifaro mit einem Lächeln, das seine Gesichtszüge beinahe gesprengt hätte.

»Gute Nacht, Sir Tagesschreck.«

Melifaro sah mich einen Moment verwirrt an und nickte dann begeistert.

»Hoho, gar kein so schlechter Witz! Hast du dir den selbst ausgedacht?«

»Nein, den hab ich von Lonely-Lokley.«

»Ach, komm«, meinte Melifaro und lachte los.

Wir saßen im Fressfass. Mein Kollege aß nach einem harten Tag zu Abend, und ich frühstückte vor einer nicht minder anstrengenden Nacht. Gleich würde ich im Büro sitzen, die berauschenden Frühlingsdüfte einatmen, die durchs halb geöffnete Fenster drangen, und mich nur zu bald mit Lonely-Lokleys therapeutischen Atemübungen beschäftigen müssen. Was die anging, war Sir Schürf -der Mann, der niemals lachte - Spezialist.

Frühling ist keine gute Zeit, um gebrochene Herzen zu heilen. Also war auch ich nicht der glücklichste Mensch. Wenn Melifaro mich etwas länger gekannt hätte, wären ihm meine sarkastischen Untertöne nicht entgangen. Sündige Magister - ich war noch nicht mal ein halbes Jahr in Echo! Erstaunt schüttelte ich den Kopf.

»Was ist los?«, fragte Melifaro interessiert.

»Nichts. Ich hab nur daran gedacht, wie lange ich mich nun hier herumtreibe. Im letzten halben Jahr ist wirklich kaum etwas passiert und dennoch ...«

»... hast du in dieser Zeit viele Existenzen ruiniert«, beendete Melifaro meinen Satz. »Welche Zukunftspläne hast du eigentlich?«

»Nichts Spezielles. Auf die Dauer werdet ihr sowieso alle nach meiner Pfeife tanzen.«

»Sir Juffin hat mich gebeten, dir zu sagen, dass du nicht immer alles so ernst nehmen sollst«, meinte Melifaro. In seiner Stimme lag ein gewisser Neid.

»Will er mir schon wieder ein unbekömmliches Abenteuer aufdrücken? Da macht er sich falsche Hoffnungen: Ich kann alles verdauen!«, rief ich streitlustig.

Innerlich aber jauchzte ich vor Freude. Dass Sir Juffin mir eine unlösbare Aufgabe aufhalsen wollte, war genau das, wonach ich mich seit Monaten sehnte.

Melifaro seufzte. »Er will dich unter vier Augen sprechen. Auf seiner Stirn steht ein furchtbares Geheimnis. Ich glaube, du wirst vielen entlaufenen Magistern die Kehle durchbeißen müssen - und ich werde vermutlich mein Leben lang nur ein ahnungsloser Beobachter eurer heillosen Intrigen bleiben.«

»Na dann geh ich mal ins Haus an der Brücke. Heillose Intrigen? Das klingt sehr verheißungsvoll.«

»Was ist, willst du nicht aufessen? Du brennst wohl darauf, an die Arbeit zu gehen, Sir Nachtantlitz?«

»Ich will weder aufessen noch bezahlen«, sagte ich leichthin und schlüpfte in meinen Todesmantel. »Ich bin so Furcht erregend, dass ich mir alles erlauben kann.«

Mit diesen Worten verschwand ich. Melifaro hätte sieher noch stundenlang plaudern können, doch mich erfüllte inzwischen eine merkwürdige Mischung aus Hoffnung und Neugier.