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Mit diesen Worten endete der Brief. Das kleine Stück Papier hatte offenbar nicht gereicht, alle Gedanken des unglücklichen Mannes aufzuzeichnen.

»Woran ist er eigentlich gestorben?«, fragte ich.

»Gute Frage. Alles ging sehr schnell. Er war bei herrlichem Wetter spazieren, als plötzlich der Blitz einschlug. Von dem armen Mann blieb nur ein Häufchen Asche. Dann donnerte es, und ein Wolkenbruch prasselte nieder. Zwei Dutzend Tage regnete es ununterbrochen, und das Erdgeschoss des Gefängnisses stand unter Wasser. Damals sind über ein Dutzend Gefangene geflohen. Nunda ist nämlich nicht so gut bewacht wie Cholomi. Weißt du, Max - von Anfang an war ich geneigt, meinem Landsmann zu glauben. Sein Gedächtnisverlust ist nur ein Zeichen dafür, welch enormer Macht er sich gegenübersah. Wie stark mag er sich erschreckt haben, um die Erinnerung zu verlieren? Seit dem letzten Brief und seinem merkwürdigen Tod bin ich sicher, dass er mich auf die Spur einer der seltsamsten Geschichten gebracht hat, die ich je ... Hast du eine Frage, Max?«

»Ja. Gibt es - von Abenteuern und Ängsten Ihrer unglücklichen Landsleute abgesehen - etwas, wovon Sie mir noch nicht erzählt haben?«

»Bravo, Max. Deine Intuition funktioniert einwandfrei - auch wenn sie gar nicht nötig ist, denn ich wollte dir sowieso davon berichten. Es gibt eigentlich nichts Besonderes, keine heiße Spur, nur eine kleine Beobachtung. Weißt du, ich hatte solche Zweifel, dass ich mir die Teppiche, die aus Kettari kamen, genau ansah. Ich würde meinen Kopf verwetten, dass sie ein wenig nach Verbotener Magie gerochen haben - auch wenn sie ohne solche Magie hergestellt worden sein mögen. Seltsam: Bisher konnte ich Magie selbst an Menschen spüren, die - wie du - bis über beide Ohren in einer mysteriösen Sache steckten, ohne es zu merken. Aber dass auch Gegenstände derart magisch aufgeladen sein können, ohne offensichtliche Zeichen dieser Aufladung zu zeigen, ist mir neu.«

Ich zuckte die Achseln. »Und das Haus von Sir Maba Kaloch? Es ist doch von Magie umgeben, damit man es nicht finden kann! Und es ist doch wohl ein lebloser Gegenstand - oder hab ich da schon wieder etwas missverstanden?«

»Nein, du hast völlig Recht. Außerdem hast du mir bestätigt, dass ich die beste Lösung für dieses kleine, aber interessante Problem gefunden habe.«

»Nämlich?«

Trotz meiner Frage wusste mein Herz die Antwort bereits und machte einen Freudensprung. Juffin nickte gedankenverloren.

»Erraten, Max - du schließt dich einer Karawane nach Kettari an und findest heraus, wie der Hase läuft. Schlimmstenfalls bringst du dir nur einen neuen Teppich mit. Du musst deine Wohnung ja noch einrichten. Wenn mich schon ein Tabu daran hindert, selbst in meine Heimat zu fahren, kannst wenigstens du es versuchen. Das macht keinen Unterschied.«

»Wieso nicht? Ich bin zwar bereit, diese Reise für Sie zu machen, aber besonders nützlich werde ich nicht sein.«

»Woher willst du das denn wissen? Geheimnisse offenbaren sich am liebsten Neulingen - vor allem Glückspilzen wie dir. Wir älteren, erfahrenen Leute bleiben besser zu Hause und machen uns Gedanken. Ich bin schon vor längerer Zeit zu dem Schluss gekommen, dass dieser Fall wie geschaffen für dich ist. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass du so schnell reif dafür wärst. Na ja, andererseits glaube ich nicht, dass der Einsatz besonders gefährlich wird.»

»Ach nein? Als Sie mich ins Gefängnis Cholomi schickten, um mit dem kurzbeinigen Gespenst aufzuräumen, waren Sie sich auch gewiss, dass ich alles rasch lösen würde. Und was ist daraus geworden?«

»Na was schon? Du hast alles bravourös erledigt - wie ich es prophezeit hatte.«

»Fast hätte ich alles verdorben - sogar zweimal nacheinander.«

"Fast zählt nicht, Max. Du musstest schnell handeln und hast einige Entscheidungen darum etwas nervös getroffen. Für jemanden, der damals erst hundert Tage in unserer Welt gelebt hat, ist das völlig normal - findest du nicht?«

»Melifaro hat sich eine nette Geschichte über mich ausgedacht. Er sagt, ich sei ein entlaufener rebellischer Magister, der sein Gedächtnis verlor, als er einen Schlag auf den Kopf bekommen hat. Sind Sie sicher, dass es nicht so war, Sir?«

Diese Hypothese brachte Juffin zum Lachen. Ich wartete kurz und fuhr dann fort: »Sie wissen doch, dass ich gegen Gefahr nichts einzuwenden habe - besonders dann nicht, wenn ich monatelang Bürodienst geschoben habe. Aber erklären Sie mir bitte, warum Sie davon ausgehen, die Reise sei ungefährlich. Haben Sie keine dunklen Ahnungen?«

Juffin nickte ernst.

»Ahnungen habe ich schon - und mehr als das. Über Kettari habe ich schon mit Sir Maba Kaloch gesprochen. Er weiß über die ganze Sache Bescheid, hat aber seine eigene Meinung über die Situation, wie du dir wahrscheinlich bereits gedacht hast. Er hat mich beruhigt und gemeint, was auch immer dort passiert sei, bedrohe den Rest der Welt nicht, und man solle sich daher lieber mit heiteren Dingen befassen. Selbstverständlich hat Maba Kaloch sehr eigene Ansichten darüber, was heitere Dinge sind. Außerdem ist der alte Mann von der Idee begeistert, dass du hinfährst. Ich wüsste gern, warum. Wie auch immer - ich möchte alle Details dieser Geschichte erfahren, für die ich mich stets mehr interessiert habe, als es meine Pflicht gewesen wäre. Und ich habe jetzt einen exzellenten Grund, dein nicht besonders leichtes Leben noch schwerer zu machen. Was sagst du dazu?«

»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll. Wer ist eigentlich dieser alte Sheriff von Kettari? Dieser Machi Ainti, von dem im letzten Brief Ihres Landsmanns die Rede war? Sie waren doch auch mal Sheriff dort. Haben Sie sich etwa unter anderem Namen in Echo eingeschlichen, Sir?«

»Ich? Unsinn! Ich war Sir Machis Nachfolger, und eine Zeit lang war der alte Herr sogar mein Chef. Wenn man dich in dreihundert Jahren fragt, wer eigentlich Juffin Halli war, und du Lust haben solltest, diese Frage zu beantworten, dann erzähl von mir das Gleiche, was ich dir über Machi berichten könnte. Übrigens hat mich der Alte nicht aus einer anderen Welt abschleppen müssen. Nur wir zwei sind echte Sonderlinge.«

Fragend sah ich Sir Juffin an. Hatte also Machi Ainti ihm all die wunderbaren Dinge beigebracht, die man als Unsichtbare oder Wirkliche Magie bezeichnet? Mein Chef nickte bestätigend. Er wusste, welche Frage mir auf der Zunge lag. Unser tiefes gegenseitiges Verständnis jagte mir einen Schauer über den Rücken.

»Ich kann nur ergänzen, dass der alte Mann vor dreihundert Jahren verschwand. Na ja, eigentlich hat er Kettari verlassen und mir zum Abschied gesagt: »Jetzt bist du an der Reihe, Juffin. Und versuch ja nicht, dich per Stummer Rede bei mir zu melden - davon würdest du nur Kopfweh kriegen.- Machi ist immer sehr schweigsam gewesen - ganz anders als ich. Mit mir hast du wirklich einen guten Vorgesetzten erwischt, Max - bedank dich dafür bei den Dunklen Magistern.«