»Max gut«, meldete sich Chuf bei mir. Für einen Hund beherrschte er die Stumme Rede weit besser als ich.
»Hast du für dieses Gebäck deine ganzen Ersparnisse verbraten?«, fragte Juffin interessiert.
»Die Hälfte. Die andere Hälfte hab ich - um mich Ihres Ausdrucks zu bedienen - für das hier verbraten«, antwortete ich und schnippte wie ein zünftiger Zauberer mit den Fingern. Gleich stand eine kleine dicke Flasche aus dunklem Glas auf dem Tisch.
»Wenn's um Geld geht, lügst du immer. So was gibt es nicht zu kaufen«, sagte Juffin und seufzte träumerisch. »Hat Lady Melamori dir das spendiert? Ich vermute schon lange, dass sie etwas für dich übrighat. Welch kluges, strategisch durchdachtes Vorgehen! Du bist ein Genie, Max. Sich bei ihr einzuschmeicheln, ist die beste Methode, an die Weinvorräte des Ordens des Siebenzackigen Blattes zu kommen. Sehr praktisch. Ich bin beeindruckt.«
»Sie denken also, sie hat mir - wie einem guten Freund -ein Geschenk von ihrem Großvater mitgebracht? Da täuschen Sie sich aber. Ich hab mit ihr gestritten und eine Wette gewonnen.«
»Gestritten?«
»Natürlich. Die Lady ist außerordentlich hitzig. Das wissen Sie doch selbst, oder?«
»Dieser Eigenschaft hab ich nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Und worüber habt ihr euch gestritten?«
»Ich habe ihr gesagt, ich würde mich eine Viertelstunde mit General Bubuta unterhalten, ohne dass er auch nur ein Schimpfwort benutzt. Die Lady hat nicht geglaubt, dass das möglich wäre. Daraufhin bin ich zu Bubuta Boch gegangen und hab die neuesten Zeitungsmeldungen mit ihm besprochen, und er hat mir zugehört und zugenickt, mich dabei innerlich aber bestimmt tausendmal verflucht ... Ich hab bloß ausgenutzt, dass Melamori einige Tage nicht im Haus an der Brücke war und von ein paar Veränderungen im Verhältnis zwischen mir und Bubuta noch nichts wusste.«
»Dafür weiß ich darüber Bescheid. Er soll inzwischen einen nervösen Tick bekommen haben: Wenn er seine Mitarbeiter beschimpfen will, vergewissert er sich erst, dass du nicht in der Nähe bist ... Sündige Magister, Max - wer hätte gedacht, dass du mich so glücklich machen würdest!«
»Das hätten Sie auch einfacher haben und statt meiner einen Vampir nehmen können.«
»Aber die Erfahrung zeigt, dass du viel schlimmer bist. Also - hast du die Wette gewonnen?«
»Wie Sie sehen«, sagte ich und wies mit dem Kopf auf die Flasche. »Da drin ist Dunkles Wesen - eine der besten Weinsorten, wie Melamori behauptet. Und sie sagt, für so eine Gelegenheit sei er zu schade.«
»Das Mädchen hat absolut Recht. Du frappierst mich wirklich, Max - so einen Wein trinkt man doch heimlich im stillen Kämmerlein, damit kein böser Wind den besten Freund plötzlich an der Tür läuten lässt.«
»Ich möchte mich damit nur bei Ihnen einschmeicheln. Wie ich vermute, befinden sich in Ihrem Keller nicht nur ein paar Regale voller Dörrfleisch rebellischer Magister, sondern auch ein paar Kisten Kachar-Balsam.«
»Und das hältst du für kostbar? So einen Quatsch kann ich mir allein zaubern. Im Interesse der Krone darf ich das Chrember-Gesetzbuch missachten. Der Große Magister Nuflin Moni Mach sagt das auch.«
»Umso besser. Ich teile Ihre Ansichten und die des Großen Magisters vollauf. Schade nur, dass ich nie lernen werde, mir Kamra zu zaubern.«
»Da hast du Recht. Kamra kochen wirst du nie, wirklieh nie lernen, du Ärmster«, sagte Juffin Halli und schaute mich mit geheucheltem Mitgefühl an.
»Irgendeine Schwäche muss ich ja haben«, sagte ich, um meinen strengen Lehrer zu trösten. Dann schob ich ihm das Dunkle Wesen zu.
Auf dem Weg zu meiner Dienststelle fühlte ich mich ungemein bettschwer. Ich brauchte dringend Bewegung.
Ich hatte die optimistischen Prognosen von Sir Juffin, der mir die ruhigste Nacht des Jahres vorausgesagt hatte, ignoriert, und tatsächlich bekam ich gleich zu tun. Im Saal der allgemeinen Arbeit döste eine bezaubernde Lady mittleren Alters im Sessel der Trostlosen vor sich hin. Sie trug einen teuren Lochimantel, unter dem eine einfache leinene Hausskaba hervorsah. Die Dame befand sich in einem Trunkenheitszustand, bei dem das Lallen schon abklang, das Reden aber noch nicht wieder begonnen hatte. Deshalb wartete ich nicht, bis es ihr besser ging, sondern reichte ihr intuitiv eine Tasse kalte Kamra, die ich gekocht hatte. Das bittere Getränk sollte ihr helfen, das seelische Gleichgewicht wiederzugewinnen. Meine Kamra war nicht schlimmer als Salmiakgeist, der in Echo freilich genauso verboten ist wie Schwarze Magie dritten Grades. Die Lady nahm automatisch einen Schluck und hörte auf zu schluchzen. Erstaunlich, dass sie überhaupt am Leben blieb.
Nur Kurusch - der einzige Zeuge ihres überraschenden Besuchs - konnte erklären, was mit der Unglücklichen passiert war. Ich wandte mich also an ihn, und der Buriwuch gab mir die entsprechenden Informationen:
»Mein Mann hat sich in eine Pastete verwandelt, in eine große Pastete.«
Traurig sah ich Kurusch an, dann die Lady, dann wieder Kurusch und schließlich die Decke, die mir den Himmel ersetzen musste.
Warum immer ich, dunkle Magister?, dachte ich. Ich bin doch gar kein übler Kerl. Eigentlich bin ich sogar ganz anständig. Warum also immer ich?
Der Wahnsinn dauerte an. Kurusch wiederholte hartnäckig den Satz, in dem die Worte Mann und Pastete vorkamen. Ich wusste, dass er so lange reden würde, bis er alles wiedergegeben hatte, was in meiner Abwesenheit gesagt worden war. Als die Lady ihren Monolog aus dem Schnabel des sprechenden Vogels vernahm, verließ sie den Pfad der Beruhigung und geriet auf den Abweg der Hysterie. Mit Gewalt schüttete ich ihr noch einen Schluck meines Erzeugnisses in die Kehle. Das half - die arme Frau sah mich aus großen verwirrten Augen an und flüsterte:
»Es ist schrecklich, aber in meinem Bett liegt wirklich eine große Pastete, und Karri ist nicht da.«
Schließlich schwieg der Buriwuch. Anscheinend war selbst er verwirrt. Vorsichtig streichelte ich das Tier.
»Alles in Ordnung, mein Kluger. Mir gefällt das zwar auch nicht, aber bleib gelassen. Du bist ein Prachtkerl, Kurusch. Wenn ich wüsste, worum es geht, würde ich nicht hier sitzen.«
Kurusch plusterte sich auf. Sir Juffin hatte ihn vermutlich zu einem der verwöhntesten Buriwuche des ganzen Königreichs verzogen. Zugleich aber war unser Kurusch auch der großherzigste Buriwuch der Welt.
»Es ist nicht üblich, dass in der letzten Nacht des Jahres jemand ins Haus an der Brücke kommt«, sagte er. »Du bist also unschuldig, Max. Toll, dass du überhaupt aufgetaucht bist.«
Ich wandte mich an die Frau.
••Wie heißen Sie, Unvergessliche?«
Sie lächelte unter Tränen. Ausgezeichnet, Max - langsam wirst du trotz deines Todesmantels zum größten Playboy von Echo.
»Mein Name ist Tanita Kowareka. Mein Mann heißt Karri, ich wollte sagen Karwen Kowareka. Wir haben ein kleines Wirtshaus hier in der Altstadt, die Trunkene Flasche. Vielleicht kennen Sie es. Doch jetzt hat Karri ...«, setzte die Lady an, verstummte dann und schluchzte leise, aber verzweifelt.
»Ich glaube, wir gehen am besten zu Ihnen nach Hause«, sagte ich. »Unterwegs können Sie mir alles erklären, falls sich überhaupt etwas erklären lässt. Macht es Ihnen etwas aus, zu Fuß zu gehen? Soweit ich weiß, ist es von hier nur zehn Minuten entfernt.«
»Selbstverständlich nicht. Mir tut Frischluft zur Beruhigung sicher gut.«
Bevor wir das Haus verließen, streichelte ich Kurusch noch mal. Man soll ihn verwöhnen und nochmals verwöhnen - das befehlen Sir Juffin und mein Herz.
Draußen hüllte uns samtweicher Nebel ein, und Lady Tanita beruhigte sich tatsächlich. Der Mensch kann nicht mehr erdulden, als er zu ertragen imstande ist. Wenn unsere Leidensfähigkeit erschöpft ist, wenden wir uns etwas anderem zu. Das ist die beste Therapie.
»Alle haben Angst vor Ihnen, Sir Max - dabei tut mir Ihre Gesellschaft so gut«, sagte Lady Tanita und machte mir damit ein großes Kompliment. »Es heißt, der Ehrwürdige Leiter habe Sie aus einer anderen Welt geholt. Stimmt das?«, fragte sie plötzlich.