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wenn ich Sie so sprechen höre. Aber jetzt husch, husch zum Spiegel. Und ich erwarte Begeisterung. Juffin - wie sollen wir das Mädchen nennen?«

»Das soll das Mädchen selbst bestimmen«, meinte mein Chef lächelnd. »Irgendwas muss der arme Bursche doch auch mal entscheiden. Was meinen Sie, Lady?«

»Marilyn Monroe«, rief ich und kicherte beinahe hysterisch.

»Was gibt es da zu lachen?«, fragte Juffin erstaunt. »Das ist ein hübscher Name. Er klingt ein wenig ausländisch, aber das ist gut so. Oder ist das vielleicht ein Schimpfwort?«

»Fast«, rief ich, um mich nicht in Erklärungen zu verstricken.

Mit pochendem Herzen ging ich in den Flur, näherte mich dem Spiegel, nahm allen Mut zusammen und richtete den Blick auf die im Laufe der Jahre matt gewordene Oberfläche. Neugierig sah mir eine hoch gewachsene, sympathische Lady entgegen, die mir sehr gefiel. Mich selbst entdeckte ich nicht.

Ich musterte das angenehme Gesicht auf der Suche nach einer wenigstens entfernten Ähnlichkeit. Von meinem alten Freund Max aber war nichts mehr zu sehen.

Ich ging ein paar Schritte und beobachtete mich weiter. Diese Frau machte einen etwas tollpatschigen Eindruck - das war nicht zu leugnen. Plötzlich fand ich die ganze Situation ausgesprochen lustig, zugleich aber wurde mir schwindelig. Als die elegante Lady im Spiegel fröhlich zu kichern begann, fürchtete ich, verrückt zu werden, und floh zurück ins Büro. Dort ließen meine älteren Kollegen schon die Gläser klingen.

»Es ist eine Sünde, Sir Lonely-Lokley eine so schöne Frau zu überlassen«, meinte ich traurig. »Er wird sie nämlich nicht zu würdigen wissen. Sie sind wirklich ein Genie, Sir Kofa. Ich liebe diese Frau - also mich.«

»Ach je, die Stimme hab ich ganz vergessen«, stöhnte Kofa. »Lady Marilyn - bitte trinken Sie das.«

Er gab mir ein kleines Glas blaue Flüssigkeit. Ich schnupperte misstrauisch daran, seufzte und stürzte das Getränk runter. Es schmeckte nicht schlecht, eher wie trockener, allerdings warmer Sherry.

»Haben Sie mir sonst nichts anzubie-«, begann ich, brach aber ab, denn nun war mir auch meine Stimme fremd. Nicht dass ich gezwitschert oder gequiekt hätte -ich hatte eine tiefe, aber zweifellos weibliche Stimme.

»Trinken Sie, Junge«, sagte Sir Kofa und reichte mir ein Glas Dschubatinischen Säufer. »Das brauchen Sie jetzt unbedingt.«

Nach ein paar Schluck fühlte ich mich kräftiger und heiterer und geriet in gehobene Stimmung. Da war er ja wieder, mein alter guter Bekannter Sir Max, das Nachtantlitz von Sir Juffin Halli, das sich für einige Zeit in ein rothaariges Mädchen verwandelt hatte.

»Man muss an deinen Manieren arbeiten«, seufzte Sir Juffin. »Noch ähnelst du eher einem Verrückten aus der Stadt als der Gattin eines anständigen Mannes.«

»An meinen Manieren? Moment mal!«

Ich sprang auf, stolzierte durchs Büro und wackelte dabei mit den Hüften. Dann zog ich einen Schmollmund.

»Gefällt Ihnen das, meine Herren?«

Sir Kofa schwieg verlegen.

»Was für ein schrecklicher Auftritt, Max«, sagte Sir Juffin unverblümt. »Machen die Frauen deiner Heimat das so?«

Ich setzte mich wieder. »Nicht alle», meinte ich und beruhigte mich ein wenig. »So benehmen sich nur sehr laszive Frauen. Und auch das nur von Fall zu Fall.«

»Jedenfalls war es schrecklich. Dafür, dass ich dich rechtzeitig aus deiner alten Heimat geholt habe, musst du mich wohl noch oft ins Wirtshaus einladen.«

»Rechtzeitig!? Hätten Sie das doch zehn Jahre früher getan!«

»Das wäre kaum vernünftig gewesen. Aber das erkläre ich dir ein andermal. Sind Sie wirklich müde, Sir Kofa?«, fragte Juffin unseren Meister des Verhörs mitleidig.

Kofa Joch kaute melancholisch an seiner Pirogge.

»Was denken Sie denn? Gut, dass ich so einen Zaubertrick nicht jeden Tag machen muss. Und jetzt soll ich dieser Lady auch noch Manieren beibringen ...«

»Das brauchen Sie nicht, Kofa. Das schaffen wir auch allein. Die Lage ist zwar fast hoffnungslos, aber ich hab eine Idee.«

»Sie sind ein kluger Mann, Juffin. Ohne ein Wunder werden Sie es kaum schaffen.«

»Gut. Sie und Kurusch können jetzt ein Nickerchen machen, und Max und ich gehen ein wenig spazieren. Los, Max ... Besser gesagt: Nach Ihnen, Lady Marilyn!«

»Ich werde kein Nickerchen halten, sondern speichern, was Sie gesagt haben«, meldete sich der kluge Vogel zu Wort. »Ich habe immer gewusst, dass Menschen seltsame Wesen sind, aber heute ist es wirklich besonders interessant.«

»Und ob!«, bestätigte Juffin lächelnd und strich über die zarten Federn des Buriwuchs. Dann verließen wir das Büro.

»Wohin fahren wir?«, fragte ich im A-Mobil.

»Hast du das noch nicht erraten? Ich kenne nur eine Dame, die fähig ist, aus dieser verrückten Frau eine Lady zu machen.«

••Fahren wir zur Burg Jafach?«, fragte ich. »Zu Lady Sotova?«

»Ja. Ich hab mich schon per Stummer Rede bei ihr gemeldet. Schließlich stammt auch sie aus Kettari, ist von dieser Sache also auch betroffen. Sie war erstaunlich schnell bereit, uns zu helfen. Das passt eigentlich nicht zu ihr. Anscheinend hat sie eine Schwäche für dich.«

»Das beruht auf Gegenseitigkeit.«

»Na prima. Also los, Lady Monroe, fahren wir!«

Lady Sotova begrüßte uns an der Tür des kleinen Pavillons, der ihr als Arbeitszimmer diente.

»Was für ein nettes Mädchen! Schade, dass sie nicht echt ist. So eine hätte ich gern als Mitarbeiterin«, sagte sie lächelnd und umarmte mich.

Ich war Lady Sotova gegenüber einmal mehr etwas verwirrt. Noch nie hatte mich jemand so herzlich willkommen geheißen wie diese mächtige Zauberin, die wie eine liebe Oma wirkte.

»Setz dich, Juffin. Weißt du noch, welche Kamra vor fünfhundert Jahren bei uns in Kettari im Alten Haus am Lustigen Platz gekocht wurde? Ich hab versucht, was Ähnliches zusammenzubrauen. Probier mal - es schmeckt dir bestimmt. Und für dich, mein Mädchen oder Bursche, hab ich etwas ganz Besonderes.«

Lady Sotova zog ein Fläschchen aus der Tasche ihres Mantels, das ziemlich alt wirkte.

»Das ist lecker und sehr nützlich - jedenfalls manchmal.«

»Hast du eine Wunderliche Hälfte destilliert, Sotova?«, fragte Juffin und schüttelte erstaunt den Kopf. »Seit dreihundert Jahren hab ich die nicht mehr getrunken!«

»Wozu auch?«, meinte Lady Sotova und lachte schallend. »Wenn du sie dreihundert Jahre nicht getrunken hast, hast du sie auch nicht gebraucht. Du, Max, setzt dich besser. Das ist bequemer. Und jetzt nimm!« Sie reichte mir ein Schnapsglas, in das sie die dunkle, klebrige Flüssigkeit gefüllt hatte, überlegte kurz und nickte dann: »Ja, eins reicht. Damit soll man nicht übertreiben.«

Gehorsam nahm ich das Glas und probierte. Es schmeckte sehr gut - beinahe wie Kachar-Balsam.

»Schau an, er trinkt«, meinte Juffin lächelnd. »Bei mir hätte er eine geschlagene Stunde lang wissen wollen, worum es sich handelt.«

»Er ist ein kluger Bursche«, stellte Lady Sotova fest. »Ich würde auch erst überlegen, ehe ich trinken würde, was du mir eingeschenkt hast, du alter Fuchs.«

Sir Juffin wirkte sehr zufrieden.

»Jetzt entspann dich ein wenig«, meinte die Wundergreisin zu mir. »Ich kann dir sagen, was ich dich hab trinken lassen. Das macht mir nichts aus. Weißt du, in der alten Zeit hat man die Wunderbare Hälfte den Verrückten zu trinken gegeben.«

»Vielen Dank, Lady Sotova«, sagte ich finster. »Sie haben mir wirklich eine Freude gemacht.«

»Hör mir doch erst mal zu, du Dummerchen«, meinte sie heiter. Ihre Gutmütigkeit schien unerschöpflich. »Die Verrückten bekamen das Zeug und benahmen sich plötzlich wieder normal. Das Getränk heißt -Wunderliche Hälfte«, weil es ihnen dazu dienen sollte, jene Hälfte ihrer Seele zu finden, die sich in der Dunkelheit verirrt hat. Es hat lange gedauert, ehe ein kluger Kopf feststellte, dass die Kranken nicht gesund werden, sondern nur geheilt scheinen, da ihre gequälten Seelen sich an einem unbekannten Ort aufhalten. Hast du das verstanden?«