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»Ich bin's, Max. Schau mal kurz aus dem Fenster - ich steh vor deiner Tür.«

»Das darf ich doch nicht«, antwortete sie erschrocken. »Weißt du überhaupt, was du da tust? Wir dürfen uns nicht sehen, solange das Schicksal es verbietet.«

»Wenn ich mitten in der Nacht hier auf tauche, dann nicht, um deine Situation zu verschlechtern. Schau erst aus dem Fenster und entscheide dann, ob du mich reinlassen darfst oder nicht. Ich schwöre beim Lieblingspyjama von Sir Juffin, dass du es nicht bereuen wirst. So eine Überraschung kann dir niemand außer mir bereiten. Ich warte.«

Melamoris gesunde Neugier siegte über ihre Vorbehalte. Nach einer Minute sah ihre Nasenspitze aus dem Fenster.

»Wer sind Sie?«, fragte sie barsch. »Und wo ist Sir Max? Soll das ein Witz sein?«

»Natürlich, Unvergessliche«, sagte ich lächelnd. »Und ein sehr guter dazu, findest du nicht?«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Meine Liebe - versuch, mir auf die Spur zu treten, und deine Zweifel sind wie weggewischt. Worauf wartest du noch?«

Melamori zog ihre Hauspantoffeln an, stand Sekunden später hinter mir und seufzte nach kurzem Schweigen leise: »Max, was ist mit dir passiert?«

Ich sah mich um und stellte fest, dass ihre Lippen vor Angst blutleer waren.

»Bist du etwa verzaubert?«, setzte sie hinzu.

»Ja, aber nur, solange ich mit Lonely-Lokley verheiratet bin. Doch das muss unter uns bleiben, denn es ist ein schreckliches Geheimnis. Darf ich jetzt kurz zu dir reinkommen?«

»Ich glaube ja«, sagte Melamori und begann zu lächeln. »Aber erklär mir bitte, was hier vorgeht.«

»Natürlich. Gute Freundinnen finden doch immer Gesprächsstoff. Weißt du, mir ist längst klar, wie schwierig es für einen Mann und eine Frau ist, einfach nur befreundet zu sein. Zwei Frauen schaffen das viel eher. Übrigens heiße ich Lady Marilyn - ich denke, das macht die Sache für dich einfacher.«

»Einfacher?«

Wir gingen ins Gästezimmer. Plötzlich lachte Lady Melamori erleichtert.

»Setz dich, Marilyn. Nett, dass du gekommen bist. Ich wollte dich ohnehin unbedingt kennen lernen.«

»Weibliche Intuition ist eine große Kraft«, meinte ich und lächelte schelmisch. »Aber meine Intuition sagt mir auch, dass du ein Souvenir deines Großvaters Kima besitzt. Wir sollten es trinken. Wann, wenn nicht jetzt? Immerhin reise ich übermorgen ab.«

»Für immer?«, fragte sie ängstlich.

»Darauf brauchst du gar nicht erst zu hoffen. Nur für ein paar Dutzend Tage.«

»Und wohin?«

»Nach Kettari. Unseren Chef hat ein schwerer Anfall von Nostalgie gepackt, und ich soll ihm einen Sack Kiesel aus der Stadt seiner Kindheit bringen. Aber vergiss diese Geheimnisse, meine Liebe. Wenn ich trinke, werde ich gesprächiger und erzähle dir wirklich alles - Ehrenwort.«

»Marilyn, magst du einen Schicksalstropfen?«, fragte Melamori gelassen. Ich war so überrascht, dass ich zusammenzuckte.

»Einen Schicksalstropfen?! Den haben wir doch schon mal getrunken!«

»Mich würde interessieren, Marilyn, wo du so was hast trinken können«, antwortete Melamori kaltblütig wie immer. »Das ist ein seltenes Getränk.«

»Und wie«, bestätigte ich lächelnd und merkte erstaunt, dass mir ein Stein vom Herzen fiel. »Natürlich möchte ich so was trinken. Wer bin ich, dass ich mich einem Schicksalstropfen verweigern könnte?«

»Prima.«

Der alte Wein erwies sich als dunkel, fast schwarz. Auf dem Flaschenboden flimmerten bläuliche Funken.

»Das ist ein gutes Zeichen, Marilyn«, lächelte Melamori und klopfte mit dem Finger an den Flaschenhals. »Mein Opa Kima hat mir erzählt, diese Fünkchen erscheinen nur dann, wenn mit denen, die den Wein trinken ... wie soll ich sagen ... wenn mit ihnen alles in Ordnung ist. Verstehst du? Es ist also nicht schlecht oder gut, sondern in Ordnung.«

»Natürlich versteh ich das. Dafür hab ich allerdings ein anderes Wort: nicht »in Ordnung*, sondern 'echt*. Es hat mich immer erschüttert, wie wenige Leute authentisch sind. Hab ich mich verständlich ausgedrückt?«

»Marilyn - eins können Max und du wirklich gut: die richtigen Worte finden«, sagte Melamori nickend. »Schmeckt's?«

»Großartig!«

»Aber jetzt erzähl mir deine Geschichte. Wenn du willst, schwöre ich dir, darüber Stillschweigen zu bewahren.«

»Wozu brauche ich deine Schwüre? Du sollst mich nur anschauen und mir zuhören. Lady Marilyn und ich erzählen sehr gern.«

Ich berichtete ihr ausführlich von der ganzen Maskerade, deren prächtige Königin ich war. Das Finale bildete Melifaros Auftritt als düpierter Galan.

»Sündige Magister - ich hätte nicht gedacht, dass ich im Leben so viel würde lachen können«, keuchte Melamori und wischte sich die Tränen ab. »Der arme Melifaro hat wirklich kein Glück bei den Frauen. Lady Marilyn, hast du dir das alles auch gut überlegt? Wo findest du einen besseren Ehekandidaten?«

»Danke für den Hinweis - ich werd drüber nachdenken. Schau, es wird schon hell. Wann willst du eigentlich schlafen gehen?«

»Ach, ich kann ja mal zu spät zur Arbeit kommen. Ich sage Juffin einfach, dass ich dir einige kokette Tricks beigebracht habe.«

»Die könnte ich brauchen. Zumal im Hinblick auf meinen künftigen Gatten«, sagte ich und stand mühsam vom kleinen Sofa auf. »Aber jetzt gehe ich ins Bett, Melamori. Du solltest das auch tun. Besser zu wenig Schlaf als gar keinen.«

»Es kommt nicht darauf an, wie viel man schläft, sondern wie gut. Und heute werde ich pennen wie ein Stein. Sag Max bitte, dass es eine prima Idee war, vorbeigekommen zu sein.«

»Gern«, meinte ich gähnend und nickte ihr zum Abschied zu. »Guten ... Schlaf, Melamori.«

Übrigens hat auch Lady Marilyn in dieser Nacht geschlafen wie ein Stein, was meinem alten Bekannten Max selten geschieht. Dieses Mädchen hat einen herrlichen Schlummer - viel tiefer und ausdauernder als er.

Bei Sonnenuntergang ging ich zum Haus an der Brücke. Ich hatte eine große Reisetasche dabei, in der eine Flasche Kachar-Balsam, viel Kleidung und mein verzaubertes Kissen steckten. Egal, wohin es ging - nie würde ich ohne diesen »Stöpsel zwischen den Welten« (wie Maba Kaloch das Kissen genannt hatte) verreisen, denn es bot die einzige Möglichkeit, an meine geliebten Zigaretten zu kommen.

Sir Juffin unterhielt sich angeregt mit einem sonnengebräunten Blondschopf mittleren Alters im weißblauen Lochimantel. Der Bursche sah aus wie ein Trainer: Er hatte muskulöse Hände, gesundes Wangenrot und ein ausgezehrtes Gesicht, auf dem sich nie ein Lächeln zeigte. Ich wollte die beiden nicht stören und meldete mich deshalb per Stummer Rede bei meinem Chef.

»Sind Sie beschäftigt? Soll ich im Vorzimmer bleiben?«

»Aber nicht doch, Lady Marilyn«, rief Juffin und begrüßte mich lächelnd. »Hast du diesen Mann für einen Besucher gehalten, Max? Und wer hat uns eingeschärft, wir könnten auch mit dem Aussehen von Sir Schürf Probleme bekommen? Leute, ich kann euch beiden nur sagen: Ihr seid wirklich ein tolles Paar.«

»Du siehst wunderbar aus, Marilyn«, sagte der komplett veränderte Lonely-Lokley höflich, stand auf und half mir - sündige Magister! - fürsorglich beim Hinsetzen. »Sir Max, ich muss Sie leider bitten, Sie in den nächsten Wochen duzen zu dürfen, wie es sich zwischen Ehegatten gehört.«

»Sie können mich auch in weniger extremen Situationen duzen, Schürf.«

»Ich heiße jetzt Sir Glama Eralga. Selbstverständlich sollst du mich nur per Glama ansprechen, meine Liebe.«

»Können wir uns nicht jetzt noch normal anreden?«, fragte ich. »Der ständige Namenswechsel kann einen ja verrückt machen.«

»Sir Schürf hat leider absolut Recht«, bemerkte Juffin. »Je rascher du dich an deinen neuen Namen gewöhnst, desto besser. Bald hast du sowieso andere Probleme.«