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»Sicher«, antwortete ich ohne rechte Überzeugung. Ob ich nach so einem Tag würde einschlafen können, war noch die Frage.

»Weißt du, Marilyn«, sagte Lonely-Lokley und kroch dabei unter seine Bettdecke, »wenn du nicht schlafen kannst, wäre es wohl keine tolle Idee, das Zimmer zu verlassen. Es sieht nicht gut aus, wenn hübsche verheiratete Frauen die Nacht allein in einer Bar verbringen. Andere könnten denken, dass mit uns etwas nicht stimmt.«

»Darauf wär ich nie gekommen! Ich darf keinen Nachtspaziergang machen? Ach du grüne Neune! Wenn sich komische Typen an Lady Marilyn heranmachten, müsste ich sie bespucken, und das würde meinen bescheidenen Vorstellungen von konspirativer Arbeit zuwiderlaufen.«

»Ich fürchte, ich muss dich erneut um Verzeihung bitten. Gute Nacht, Marilyn.«

Mein Begleiter schnarchte leise. Ich kroch unter meine Decke und begann zu grübeln. Nach unserem bemerkenswerten Gespräch hatte ich mancherlei zu bedenken. Auch konnte ich die Zeit nutzen, einige Zigaretten unterm Kissen hervorzuzaubern.

Bei Sonnenaufgang schlief ich endlich ein, doch schon eine Stunde später schob mir der makellos gekleidete Sir Schürf frische Brötchen und Kamra unter die Nase.

»Tut mir leid, Marilyn, aber wir fahren in einer halben Stunde. Du musst wahrscheinlich deinen Kachar-Balsam-Vorrat anbrechen.«

»Lieber nicht. Ich schlaf besser noch eine Runde im A-Mobil«, sagte ich und hob mühsam den schweren Kopf. »Aber vielen Dank für deine Fürsorge, Glama. Ich glaube, deine Frau darf sich glücklich preisen - ich meine Ihre echte Frau, Sir Schürf.«

»Das hoffe ich doch«, stellte Lonely-Lokley gelassen fest. »Weißt du, Marilyn, ich habe eine seltsame Neigung: Ob es sich nun um meine echte Frau handelt oder nicht - ich bringe euch beiden Kamra ans Bett.«

»Sündige Magister - ist das ein Scherz gewesen?«

»Nein, ich habe nur eine Tatsache festgestellt. Und wenn du dich noch waschen willst, solltest du dich beeilen.«

»Natürlich will ich das«, sagte ich und stürzte meine Kamra auf einen Zug herunter. Hunger hatte ich keinen.

Es gibt nichts Schlimmes, das nicht auch sein Gutes hätte: Ich setzte mich in den Fond unseres Wagens und schlief so fest, dass wir die eintönigen Ebenen im Westen von Uguland passierten, ohne dass ich etwas davon mitbekommen hätte.

Sir Schürf versuchte, mich zum Mittagessen zu überreden, doch ich meinte nur genervt: »Sag den Herrschaften, die Dame sei unpässlich.« Kaum hatte ich das gebrummt, landete ich wieder in einem wunderbaren Traum.

Kurz vor Sonnenuntergang erwachte ich - schon lange war ich nicht mehr so glücklich, ruhig und hungrig zugleich gewesen. Sir Lonely-Lokley merkte schnell, dass ich wach war.

»Ich hab ein paar Brötchen aus dem Restaurant mitgenommen, in dem wir gegessen haben«, meinte er. »Ich glaube, das war eine kluge Entscheidung.«

»Und wie, mein Hellseher!«, sagte ich dankbar. »Vorausgesetzt, die Dinger sind essbar.«

»Die hiesige Küche unterscheidet sich deutlich von der hauptstädtischen«, bemerkte Sir Schürf. »Doch man soll die Gelegenheit nicht verpassen, etwas Abwechslung in sein Leben zu bringen.«

»Ich bin da konservativ«, sagte ich mit vollem Mund. »Soll ich dich vielleicht am Steuer ablösen, Glama? Ich nehme an, du vertraust mir noch immer.«

»Natürlich. Du kannst gern ans Lenkrad, obwohl ich eigentlich nicht müde bin.«

»Man sollte aber nicht die Gelegenheit verpassen, etwas Abwechslung in sein Leben zu bringen - wenn du mir erlaubst, dich zu zitieren.«

Lady Marilyn machte es sich auf dem Fahrersitz bequem und zündete sich erst mal eine Zigarette an. Ich brannte darauf, die Ergebnisse meiner Nachtarbeit in Rauch aufzulösen. Sir Lonely-Lokley wirkte unruhig.

»Ich weiß nicht, woher die seltsame Neigung zu rauchen kommt, aber ich finde, man sollte sie vor fremden Augen verstecken. Was sich Sir Max als Träger des Todesmantels erlauben kann, darf die einfache Bürgerin Lady Marilyn bestimmt nicht.«

»Erstens bin ich eine Fremde, falls du dich noch daran erinnerst, und zweitens sieht uns jetzt doch niemand.«

»Jetzt nicht, aber in der Pause ...«

»Ich bin doch kein Idiot«, antwortete ich empört. »Sie glauben doch wohl nicht, dass ich vor anderen rauchen werde.«

»Vorbeugen ist besser als heilen. Außerdem solltest du daran denken, deine Kippen zu beseitigen, Marilyn«, sagte mein strenger Begleiter schnippisch und zuckte die Achseln. »Sei doch nicht immer gleich so eingeschnappt. Und vergiss bitte nicht, dass du mich duzen sollst. Außerdem bist du zurzeit eine Idiotin, kein Idiot. Daran solltest du wirklich denken.«

Ich lachte laut los. Unser Dialog war herrlich. Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, beseitigte ich sorgfältig meine Kippen. Sir Lonely-Lokley ist der Klügste aller Sterblichen, und ich bin ein leichtsinniger Dummkopf, der sich mit konspirativer Tätigkeit kaum auskennt.

Wir bezogen irgendwo in der Grafschaft Schimara Quartier, und unser cleverer Karawanenführer begann gleich wieder, Mau-Mau zu spielen. Sir Schürf und ich aßen etwas Exotisches, das für meinen Geschmack zu fett und zu scharf war, und gingen dann auf unser Zimmer.

Erstaunt stellte ich fest, dass nicht alle Bewohner des Vereinigten Königreichs in großen Räumen leben. Unser Quartier bot kaum mehr Platz als die Hotelzimmer meiner Heimat, und wir mussten uns ein Klappbett teilen. Verlegen sah ich Lonely-Lokley an.

»Sieht aus, als müssten wir Löffelchen machen, lieber Glama.«

»Das wird unbequem werden«, stimmte Sir Schürf mir widerwillig zu. »Aber da es nun mal sein muss, kann ich dich an meinen Träumen teilhaben lassen. Wenn man dicht beieinanderliegt, geht das ganz leicht.«

»Wie das?«, fragte ich überrascht. »Soll ich deine Träume miterleben, Glama? Das klappt schon deshalb nicht, weil Lady Marilyn den ganzen Tag geschlafen hat.«

»Wenn zwei Menschen einen Traum teilen, schlafen sie zugleich ein«, erklärte Schürf. »Ich schläfere dich ein und weck dich auch wieder. Im Voraus kann ich nicht genau sagen, wessen Traum wir sehen: deinen, meinen oder eine Art Mischtraum. Das hängt nicht von uns ab. Aber ich schätze, das ist eine gute Lösung, weil wir morgen nach dem Mittagessen Kettari erreichen sollen und beide dann lange wach bleiben müssen. Soweit ich mich erinnern kann, hat uns Sir Juffin gebeten, den Weg dorthin genau zu beobachten.«

»Stimmt. Hast du eigentlich angenehme Träume, Glama? Nach dem, was mir ein gewisser Lonely-Lokley neulich erzählt hat ...«

»Ich würde dir nie vorschlagen, meine Alpträume zu teilen, doch zum Glück haben die mich längst verlassen.«

»Ich hingegen kann für meine Träume nicht haften«, seufzte ich. »Manchmal passieren mir im Schlaf fast unerträgliche Dinge. Bist du eigentlich risikofreudig, Glama?«

»Es gibt ja kein Risiko, weil ich für das Aufwachen zuständig bin. Leg dich hin, Marilyn - wir sollten die kostbare Zeit nicht verplempern.«

Ich zog mich rasch aus und stellte erneut fest, dass mein Körper hager wie früher war und keinen Deut an die illusionäre Weiblichkeit der prächtigen Lady Marilyn erinnerte. Tja, jetzt musst du deinen Pyjama anziehen,

dachte ich belustigt. Du willst doch wohl nicht nackt durch die Träume deines Freundes Schürf geistern. Das wäre wohl etwas unhöflich.

»Am besten, unsere Köpfe berühren sich«, stellte Lonely-Lokley nüchtern fest. »Was das angeht, bin ich aber kein Könner.»

»Ach so«, sagte ich und schob pflichtbewusst meinen Kopf zu ihm rüber. »Es wird auch nicht leicht sein, einen blitzwachen Menschen wie mich einzuschl ...«

Ich beendete den Satz nicht, weil ich gähnen musste und dann sofort bereit war, die Träume meines Begleiters zu teilen.

Allerdings war ich der Vorführer unseres seltsamen kleinen Kinos. In dieser Nacht durchlebten wir meine Lieblingsträume: Wir sahen eine Stadt in den Bergen, deren einziges Verkehrsmittel eine Drahtseilbahn war; wir gingen durch einen großen Garten im englischen Stil, der immer menschenleer war,- wir saßen am Strand und blickten auf ein mächtig anrollendes, dunkles Meer.