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Nach zwei Stunden entschied sich Sir Schürf endlich, aus dem Bad zu kommen. Unterdessen hatten sich bei mir vier Generäle - einer länger als der andere - gesammelt, und das war ein seltenes Glück. Meine Rechte lag schon zwanzig Minuten reglos unterm Kissen, doch ich wollte den Fischzug nicht abbrechen. Warum auch? Lonely-Lokley wusste ohnehin schon viel über mich - da konnte er ruhig auch von meinem Kissenhobby wissen.

»Dürfte ich erfahren, was du da treibst, Marilyn?«, fragte er höflich.

»Natürlich. Ich zaubere, so gut ich kann, und versuche, an die vertrauten Glimmstängel zu kommen. Das dauert zwar lange, ist dafür aber kostenlos. Die Gewohnheit ist eine tyrannische Gebieterin.«

»Sind diese Dinger etwa aus deiner Heimat?«

Ich nickte und versuchte, mich weiter zu konzentrieren. Sir Schürf sah sich die angerauchten Zigaretten misstrauisch an.

»Probier doch mal eine«, meinte ich generös. »Die schmecken wie euer Tabak - nur besser. Sie werden dir so gut gefallen, dass du nur noch für uns beide Zigaretten beschaffen willst.«

»Darf ich wirklich? Vielen Dank - das ist ja großzügig!«, rief Lonely-Lokley und nahm bescheiden den kürzesten General.

»Und? Schmeckt's?«, fragte ich neidisch.

Meine Rechte blieb unterm Kissen, weil ich mir geschworen hatte, erst zu rauchen, wenn ich mit dem öden Angeln fertig war.

»Dieser Tabak ist stärker, aber auch leckerer als der, den ich kenne«, stellte Sir Schürf beifällig fest, »fetzt verstehe ich, warum du immer ein so trauriges Gesicht hattest, wenn du dir hier eine Pfeife angezündet hast.«

»Hatte ich das?«, fragte ich lächelnd, zog eine Zigarette unterm Kissen hervor und meinte: »Schluss für heute. Sündige Magister - so eine hab ich hier noch nie geangelt.«

Kein Zweifeclass="underline" Ich hielt einen Joint in der Hand. Ich wusste genau, wie solche Tüten aussehen und riechen.

»Mist - das war verlorene Liebesmüh.«

»Wieso? Gefällt dir diese Art Tabak etwa nicht?«

»Das kann man wohl sagen. Viele meiner Bekannten rauchen das Zeug, um sich zu entspannen, aber auf mich wirkt es ganz anders: Ich bekomme nur Kopfschmerzen. Na ja, wahrscheinlich bin ich nicht normal. Und Sie, Sir Schürf? Wollen Sie sich entspannen? Dann tauschen wir doch mal!«

»Klingt verlockend«, meinte Lonely-Lokley gedankenverloren. »Ich hab mich nie geweigert, neue Erfahrungen zu machen.«

»Willst du das Ding wirklich rauchen? Na gut - dann war meine Mühe nicht ganz umsonst. Vielleicht kannst du dich dadurch ja wirklich entspannen. Das wünsche ich dir von Herzen, Glama - schließlich gefällt es dir in Kettari nicht so gut wie mir.«

Ich gab ihm den Joint und zog genüsslich an seiner Kippe. Eigentlich wollte ich mir noch eine anzünden, entschied mich dann aber, hart zu bleiben. Du hast nur noch drei, mein Freund - sagte ich mir -, und der Abend liegt noch vor dir. Wie willst du sonst bis zum Schlafengehen auskommen?

Dieser Vorsatz hielt für den Moment, doch ich wusste, dass er nicht von Dauer wäre. Seufzend wandte ich mich an Lonely-Lokley.

»Na, mein Freund, geht's dir schon besser? Können wir jetzt essen gehen?«

Plötzlich klappte mir die Kinnlade runter. Bis jetzt fehlen mir die Worte, um mein damaliges Erstaunen zu beschreiben. Sir Schürf lächelte übers ganze Gesicht, und ich stöhnte auf.

»Dieses lustige Tütchen wirkt wahre Wunder«, kicherte er und zwinkerte mir zu. »Wenn du wüsstest, Max, wie witzig es ist, mit dir zu reden und dabei auf deine rote Perücke zu sehen!«

Sein Kichern ging in ein schallendes Lachen über, und ich hatte das Bedürfnis, mich zu bekreuzigen, wusste aber nicht, mit welcher Hand und in welcher Reihenfolge.

»Alles in Ordnung mit Ihnen, Schürf?«, fragte ich vorsichtig.

»Was guckst du denn so? Der Langweiler, der ich war, ist gerade spazieren, und wir gehen jetzt essen, aber begann er, unterbrach sich jedoch, weil er wieder kichern musste, und fuhr erst nach einer Weile fort: »... aber du musst den Mund wieder zumachen - sonst kannst du natürlich nicht essen. Das schaffst du, oder? Wenn du dich wirklich bemühst?«

»Toll!«, seufzte ich. »Und ich hatte schon gehofft, hier in Kettari hätte ich etwas Ruhe vor Scherzen a la Melifaro. Na schön, gehen wir. Vergiss bitte nicht, dass ich Marilyn heiße und du ...«

»Du glaubst doch wohl nicht, dass uns alle Einwohner von Kettari belauschen?«, fragte Lonely-Lokley spöttisch. »Dass sie nichts Besseres zu tun haben, als vor dem Fenster des Wirtshauses stehen zu bleiben, nur um herauszubekommen, wie wir uns gegenseitig nennen?« Er kicherte erneut. »Sündige Magister, Max - vor den Fenstern ist doch viel zu wenig Platz! Weißt du, wie viele Bewohner dieses grässliche Städtchen hat?«

»Keine Ahnung.«

»Ist ja auch egal. Auf jeden Fall ist es unterm Fenster zu eng«, meinte er und wieherte wie ein Pferd. »Na los, gehen wir. Ich war noch nie so hungrig. Und du, Marilyn, solltest nicht so mit dem Hintern wackeln. Sonst bekommst du Ärger mit den Männern. Aber vielleicht legst du es ja darauf an?«

»Ich bin gegen Ärger aller Art«, meinte ich verärgert. »Na los, gehen wir, du Naturwunder.«

»Ich? Ein Naturwunder? Sieh dich doch an!«, rief Lonely-Lokley und kugelte sich ausgiebig vor Lachen. Dennoch gelang es uns schließlich, die Wohnung zu verlassen.

Unterwegs kicherte Sir Schürf pausenlos. Er fand alles lustig: meinen Gang, die Gesichter der wenigen Passanten, die Wunder der hiesigen Architektur. Eigentlich konnte ich ihn verstehen. Nach meiner Einschätzung hatte er seit zweihundert Jahren nicht gelacht und endlich die Chance dazu bekommen. Er ähnelte einem Beduinen, der unvermutet in eine Schwimmhalle geraten ist. Es war angenehm, ihn dabei zu beobachten, wie er sein Glück genoss, doch ich hatte Angst, er würde vor lauter Freude Schluckauf bekommen. Was hatte ich bloß angerichtet! War das eine gute Tat gewesen oder die dümmste Aktion meines Lebens? Noch war diese Frage nicht zu beantworten.

»Was essen wir denn?«, fragte ich aufgeräumt und nahm an einem Tisch im Alten Haus Platz. Lady Sotova hatte das Lokal mal erwähnt.

»Egal! Es wird ohnehin nicht schmecken«, prophezeite Lonely-Lokley und kicherte erneut.

»Dann vereinfachen wir die Sache«, sagte ich, schloss die Augen und zielte mit dem Finger auf die Speisekarte. »Ich hab Nummer acht. Und du?«

»Eine super Methode, Entscheidungen zu treffen«, erklärte Sir Schürf und tat es mir nach. Wie zu erwarten, entgleiste sein Arm: Mein Glas fiel zu Boden, und er kicherte erneut. Ich seufzte. Ausgerechnet dieser Knilch sollte mich vor Unannehmlichkeiten schützen?

»Tja, ich muss es wohl noch mal versuchen«, meinte Sir Schürf, nachdem er sich leidlich beruhigt hatte. Weil er diesmal vorsichtiger war, landete sein Finger zwar auf der Speisekarte, durchbohrte sie aber auch - und das direkt neben Nummer dreizehn. Prompt wieherte der Bekiffte wieder los.

»Du hast aber Hunger«, meinte ich und lächelte so höflich wie distanziert. »Wem so ein Loch gelingt, der bekommt die doppelte Portion. Ich wünsche dir, dass es was Leckeres ist.«

»Vergiss es. Hier gibt's nichts Leckeres!«, rief Lonely-Lokley vergnügt und brüllte dem Kellner, der gerade vorbeikam, zu: »Quatsch Nummer acht und eine doppelte Portion Quatsch Nummer dreizehn - aber dalli, Amigo!«

»Du entpuppst dich als grausam«, meinte ich und sah dem davoneilenden Kellner nach. »Ich könnte mir vorstellen, ...«

»Nichts kannst du dir vorstellen! Gar nichts! Und das ist auch gut so! Jetzt schlagen wir uns den Bauch voll! Schau mal, wie dämlich der Kerl da vorn guckt. Aber deine Bestellmethode ist wirklich gut. Siehst du, was sie uns bringen?«

»Ja«, meinte ich kleinlaut und nickte verlegen.

Der Kellner stellte zwei schmale Gläser vor Lonely-Lokley hin, in denen sich etwas Weißliches befand, das an Schimmel, Honig und Rum zugleich erinnerte. Ich bekam einen großen Topf, der bis zum Rand mit Fleisch und Gemüse gefüllt war.