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»Bringen Sie mir das Gleiche, aber zack, zack«, rief Lonely-Lokley und zeigte dabei auf meine Portion. »Und nehmen Sie diesen Quatsch im Doppelpack gleich wieder mit! Wir haben schon daran gerochen - das reicht vollkommen.«

»Eine Portion können Sie dalassen«, mischte ich mich ein. »Ich muss wissen, was für ein Zeug du dir da bestellt hast.«

»Probier ruhig!«, rief Lonely-Lokley so generös wie pampig und zuckte die Achseln. »Ich jedenfalls will für so einen Quatsch nicht mein Leben riskieren! Sündige Magister, Max, du bist wirklich lustig.«

Der Kellner sah uns erstaunt an, nahm eine Portion wieder mit und verschwand. Mit einer Mischung aus Ekel und Interesse stocherte ich in der weißlichen Substanz herum, schnupperte erneut daran und probierte dann ein wenig. Offenbar handelte es sich um Schmalz mit pikantem Käse, abgeschmeckt mit einem kleinen Schuss Rum.

»Ungenießbar!«, verkündete ich erschüttert. »So was sollte man Juffin als Geschenk mitbringen. Das ist die beste Therapie gegen Nostalgie.«

»Sofern wir den alten Fuchs noch mal zu Gesicht bekommen«, meinte Lonely-Lokley lächelnd. »Du hast große Erfahrung mit dem Reisen zwischen den Welten, stimmt's?«

»Eigentlich nicht.« Ich zuckte schuldbewusst die Achseln. »Aber warum fragst du? Früher haben dir meine Geschichten über die andere Welt nicht gefallen. Hast du etwa deine Meinung geändert?«

»Nicht meine Meinung, sondern mich. Das verstehst du offenbar nicht. Weißt du, der alte, langweilige Lonely-Lokley, mit dem du so lange zu tun hattest, hätte fantasievolle Berichte aus anderen Welten nicht gemocht -auch nicht, wenn es sich um die lautere Wahrheit gehandelt hätte. Aber ich bin nicht so dumm, das Offenkundige zu bestreiten. Sogar der unerträgliche Mann, der ich mal war, hätte dir irgendwann zugestimmt. Doch das alles ist eigentlich unwichtig, hab ich Recht?«

»Und wie!«, seufzte ich. »Dein Essen kommt. Guten Appetit, Glama.«

»Was für ein lustiger Name«, gackerte Schürf und explodierte erneut vor Lachen. »Wer sich so was nur ausdenkt!«

Er verschlang seine Portion und bestellte gleich eine neue. Ich dagegen nippte nur an meiner Kamra, die hier gar nicht so viel schlechter schmeckte als in Echo - egal, was Lady Sotova darüber denken mochte.

»Du bist gar nicht so verrückt, Max«, meinte Lonely-Lokley und lächelte schief. »Ich dachte, ich darf dich nicht aus den Augen lassen, damit du keine Dummheiten begehst«, fügte er hinzu und starrte einige Zeit auf die falschen Locken von Lady Marilyn. »Kaum schlägt Schürf mal über die Stränge, passt du auf wie ein Luchs. Du bist wirklich ein interessantes Wesen. Egal, was passiert - du kommst immer durch.«

»Das sehe ich anders«, meinte ich. »Aber du wirst schon Recht haben.«

»Das sollte ein Lob sein«, sagte Lonely-Lokley, und seine Miene hellte sich auf. »Solche Komplimente hat man sich noch in der Epoche der Orden gemacht. Ich weiß nicht, woher du kommst, aber ... Ach, dieses Gespräch ist langweilig, und ich muss das Glück beim Schopf packen.«

»Was meinst du damit, Glama?«

»Nichts Besonderes. Schlafen kann ich sowieso nicht. Also muss ich mich nach Unterhaltung umsehen. Wann bekomm ich noch mal die Chance, meine Pflichten leichten Herzens zu missachten?«

Erstaunt hob ich die Brauen und analysierte auf die Schnelle die Situation. Eigentlich wusste ich eine passable Rettung aus dieser riskanten Lage: Eine Bewegung meiner Linken, und Lonely-Lokley konnte sich als Däumling unter meiner Handfläche beruhigen. Andererseits: Wer war ich denn, diesem Mann die verdiente Entspannung zu verderben? Schließlich war er erwachsen, sogar etwas älter als ich - schlappe dreihundert Jahre. Und das Wichtigste: Er sollte wirklich besser nicht einschlafen, falls die Verstorbenen sich erneut entschließen sollten, nach dem Verrückten Fischer zu suchen ... Vielleicht würden sie ihn ja diesmal erwischen.

»Gehen Sie sich entspannen, Schürf«, sagte ich lächelnd. »Lady Marilyn und ich - wir schauen uns hier ein wenig um. Wer weiß, vielleicht riecht es irgendwo nach einem Geheimnis. Womöglich hab ich Glück.«

»Sie sind wirklich klug, Sir Max«, sagte Lonely-Lokley und betrachtete mich mit neuem Respekt. »Und was ist, wenn der Zaubertrick mit der linken Hand nicht funktioniert?«

Ich war es bereits gewohnt, mit Leuten zu arbeiten, die meine Gedanken lesen konnten, und begriff schnell, was er meinte.

»Der muss funktionieren. Sonst bin ich aufgeschmissen.«

»Das kannst du ja demnächst allen Verrückten sagen, die uns an den Kragen wollen.«

»Worauf du dich verlassen kannst«, erklärte ich vollmundig und stand auf: »Gute Nacht, mein Freund.«

»Tschüssikowski, Sir Max. Sag dem alten Langweiler Lonely-Lokley, er soll nicht auf mich warten. Er ist ein netter Kerl, aber ab und an übertreibt er kolossal.«

»Ganz deiner Meinung, Glama. Melde dich bitte per Stummer Rede, falls du in eine unangenehme Lage gerätst.«

»Ich? In eine unangenehme Lage geraten? Nie und nimmer! Jemand anderer vielleicht!«

»Schon gut, Glama, schon gut.«

Ich nickte ihm von der Türschwelle zu und ging nach Hause.

Zunächst kehrte ich ins Haus von Lady Charai zurück, das sich durch Zufall in eine Außenstelle des Kleinen Geheimen Suchtrupps verwandelt hatte. Ich setzte mich in einen Sessel, rauchte eine Zigarette und zwinkerte meinem Gegenüber im großen alten Spiegel zu: »Tja, Lady Marilyn - dein Mann hat dich verlassen. Ich hoffe, du bist entzückt.«

Mein neues Alter Ego jauchzte vor Glück. Lady Marilyn strotzte vor Gefühlen und wollte unbedingt sofort spazieren gehen, um die süße Luft von Kettari zu genießen. Sie hoffte, auf den Straßen der nächtlichen Stadt ein zu ihr passendes Abenteuer zu finden.

Ich dachte an die Metamorphose, die Lonely-Lokley vor Stunden durchlebt hatte. Zwar wusste ich nicht, wie das enden würde, doch das neue Image stand ihm. Hoffentlich schaffte er es, nicht in die Tinte zu geraten. Aber Unannehmlichkeiten waren beinahe programmiert. Ich zuckte die Achseln und beschloss, darüber nicht weiter nachzudenken - was geschehen war, war geschehen und ließ sich nicht rückgängig machen.

Jetzt hatten Lady Marilyn und ich ein kleines Problem: Ich wollte unbedingt durch Kettari bummeln, aber durfte eine so sympathische Frau wie ich nachts allein durch die Straßen ziehen?

»Ich habe eine ausgezeichnete Idee, meine Süße«, sagte ich zu meinem Spiegelbild. »Verkleide dich einfach als Mann! Das klingt verrückt, aber was bleibt uns übrig? Ich hoffe nur, Schürf hat einen Ersatzturban dabei.«

Rasch, aber gewissenhaft inspizierte ich die Reisetasche meines Kollegen und fand nicht nur die gesuchte Kopfbedeckung, sondern auch eine Stecknadel für meinen Lochimantel. Mehr brauchte ich nicht. Aber was sollte ich mit der illusionären Figur von Lady Marilyn machen? Sir Kofa hatte meine neue Gestalt wunderbar modelliert, leider aber keinen Busen zum Umschnallen vorgesehen. Ich seufzte bitter und zündete mir eine weitere Zigarette an. Wie sollte sich ein Mädchen in einen Jungen verwandeln? Ich brauchte eine neue Designidee.

Nach ein paar Minuten kam mir ein Gedanke, der zunächst absurd schien: Warum verhüllte ich die unpassende Figur nicht so, wie eine echte Frau es tun würde? Ich sollte nicht nur meinen illusionären Busen verstecken, sondern mir auch einige Lumpen um die Taille binden, da Frauen dort erfahrungsgemäß schmaler gebaut sind als Männer.

Zum Teufel - das musste ich ausprobieren! Ich war zwar nicht recht überzeugt, dass eine allein durch die nächtliche Stadt spazierende Frau per se in Gefahr war, doch ein doppelt getarnter Mann durfte sich gewiss sicherer fühlen als eine einfach getarnte Frau. Ziemlich verwirrend, das Ganze.

Nach einer halben Stunde sah ich vorsichtig in den Spiegel. Alles war mir ganz gut gelungen - besser als erhofft. Natürlich erinnerte mein Gegenüber bei weitem nicht an meinen guten Bekannten Max, aber es handelte sich bei ihm zweifellos um einen ganz normalen Jungen.