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»Schon wieder ein rebellischer Magister?«

»Schlimmer, Max: ein toter Magister. Glaub mir, es gibt nichts Unruhigeres als ein unrechtmäßig getöteter Großer Magister. Und Lonely-Lokley ist - soweit ich weiß - Spezialist in diesem Bereich.«

»Stimmt«, meinte ich lächelnd. »Er wird das blitzschnell erledigen.«

»Blitzschnell? Das möchte ich bezweifeln. Aber er wird es sicher schaffen. Sag deinem Freund nur bitte, dass sich Kiba Azach hier aufhält. Dann weiß er Bescheid.«

»Mach ich. Das war's schon?«

»Erklär ihm, dass es hier ein Problem gibt. In Kettari war alles in Ordnung, ehe dieser verkommene Kerl aufgetaucht ist. Aber Schluss für heute, damit du nicht wieder eine Überdosis Machi verabreicht bekommst. Wie lange hat es letztes Mal eigentlich gedauert, bis du wieder bei Kräften warst?«

»Ich brauchte mir nur zwölf Liter kaltes Wasser auf den fast hysterisch gewordenen Kopf zu schütten - ein Geheimrezept von Sir Max aus Echo. Mögen die Magister wissen, woher er wirklich stammt. Damals wäre ich beinahe umgekippt, Machi. Vielleicht kennst du eine bessere Methode.«

»Ich empfehle einen langen Spaziergang. Danach beschäftigst du dich am besten irgendwie. Du kannst ein Buch durchblättern oder Karten spielen. Hauptsache, du versuchst nicht, die Sache zu verstehen, denn das schaffst du nicht. Alles klar?«

»Alles klar«, nickte ich. »Ich werde schon eine Beschäftigung finden. Weißt du nicht zufällig, wie die Stadt in den Bergen heißt?«

»Keine Ahnung. Danach hättest du dort fragen müssen. Und jetzt Gute Nacht, mein Freund.«

»Gute Nacht, Machi.«

Ich verließ das Wirtshaus mit ehrgeizigen Plänen für die Nacht. Ich wollte nicht verrückt werden, und mir gefiel Sir Machis Vorschlag, Karten zu spielen, denn so konnte ich nicht nur meine Zeit recht angenehm verbringen, sondern vielleicht auch unsere finanzielle Lage etwas aufbessern.

Das war ein etwas vermessener Vorsatz, doch ich fasste ihn nicht ohne Grund: Ich kann sehr gut Mau-Mau spielen. Sir Juffin Halli hatte mir beigebracht, auf diese wunderbare Weise die Zeit totzuschlagen, und er ist der vom Glück am stärksten begünstigte Spieler des Vereinigten Königreichs.

Vor über hundert Jahren hatte der freundliche König Gurig VII. ihm gesetzlich verboten, öffentlich Mau-Mau zu spielen. Der alte König war dazu gezwungen gewesen, weil viele Untertanen ihr Gehalt in die Taschen des Glückspilzes aus Kettari gepumpt hatten. Juffin hatte gegen dieses Gesetz nicht opponiert: Nach wie vor gab es genügend Leute, die mit ihm spielen wollten, und das königliche Dekret schmeichelte ihm enorm.

Mit mir hatte er natürlich nur zum Spaß gespielt - und auch nur, als ich noch bei ihm wohnte. Schon am ersten Tag aber konnte ich den Ehrwürdigen Leiter nach einer Reihe von Niederlagen zweimal besiegen. Er traute seinen Augen nicht. Am nächsten Tag spielten wir weiter, und das Glück war mal ihm, mal mir hold. Zwar verlor ich öfter als mein ausgezeichneter Lehrer, aber Sir Juffin war dennoch beinahe schockiert.

Ich hingegen war weniger überrascht. Noch in meiner Jugend nämlich war ich zu dem Schluss gekommen, dass Spielerglück maßgeblich davon abhängt, wer einem ein Spiel beibringt. Es geht also nicht so sehr um Talent -wichtig ist vor allem, bei jemandem zu lernen, dem das Glück lacht. So bekommt man nicht nur nützliche Ratschläge - auch der Dusel des Lehrers färbt ab. Diese geringfügige Erkenntnis verdanke ich nicht allein meinem nachtschwärmerischen Lebenswandel, sondern auch vielen Freunden - Glückspilzen wie Pechvögeln -, die mir jede Menge Kartenspiele beigebracht haben. Ich hatte also Gelegenheit, verschiedene Lehrer kennen zu lernen und zu vergleichen und daraus Konsequenzen zu ziehen. Und als ich Sir Juffin meine persönliche Glücksformel erklärte, nickte er nur.

Jedenfalls hatte ich nichts zu verlieren: Von dem Vermögen, das Lonely-Lokley und ich nach Kettari mitgenommen hatten, war uns nur eine Krone und ein wenig Kleingeld geblieben. Wenn ich verlieren sollte, wäre der Verlust also nicht groß. Vielleicht wäre es besser gewesen, mein restliches Vermögen in einer Imbissstube gegen Likörschälchen zu tauschen, aber dieses Getränk konnte ich - ehrlich gesagt - nicht mehr sehen.

Ich ging also zum Lustigen Platz, denn mir war klar, womit sich die Gäste im Großen Saal des Alt-Kettaii beschäftigten.

Die Sache hatte nur einen kleinen Haken: Ich unterhalte mich nicht gern mit Fremden, denn ich bin recht schüchtern. Aber wie dem auch sei und wie es auch endet (so sagte ich mir): Es ist besser, sich die Zeit zu vertreiben, als im Zimmer zu sitzen und sich beim Verrücktwerden zuzusehen. Womöglich würde ich so meine anderen Probleme vergessen.

Selbstbewusst ging ich durch den Speisesaal und landete in einer schummerigen Bar, in der sich alle Glücksspieler von Kettari aufzuhalten schienen.

Ich setzte mich an die Theke und bestellte ein Glas Dschubatinischen Säufer, der mir - wie ich wusste - einiges an Schüchternheit nehmen würde.

Ob ich mir eine Zigarette anzünden sollte? Ich kam zu dem Schluss, ein wenig Exotik könne nicht schaden. Je früher die Leute begriffen, dass ich ein normaler Tourist war, desto größer war meine Chance, dass mich jemand zum Spiel animieren würde. Kaum hatte ich meinen Säufer heruntergestürzt, tat ich all meine Bedenken als kleinkariert ab und zündete mir eine Zigarette an. Jetzt hätte mich der arme Sir Kofa - unser unübertrefflicher Meister der Tarnung - sehen sollen! Nach all seinen Mühen saß ich in einem Wirtshaus in Kettari, trug mein eigenes, ziemlich zerknittertes Gesicht spazieren und rauchte etwas, das es in dieser Welt nicht gab. Und ich musste mir Mut antrinken, um mich mit den Leuten hier zu unterhalten - grässlich!

Vor wem aber sollte ich mich andererseits in dieser Stadt verstecken? Sie ist das Zentrum einer neuen Welt, an deren Schöpfung ich beteiligt bin, dachte ich belustigt. Das klang zwar verrückt, entsprach aber der Wahrheit. Genüsslich rauchte ich meine Zigarette zu Ende, trank die letzten Tropfen Dschubatinischen Säufer und griff demonstrativ zu meiner goldgelben Zigarettenschachtel, die schon halb leer war.

»Kann es sein, dass Sie sich langweilen, mein Herr?«, fragte mich eine freundliche Stimme hinter meinem Rücken.

»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr! Seit ich in Kettari bin, ist mein Leben öde und leer.«

Ich hätte beinahe gekichert, weil ich von meinen Worten alles andere als überzeugt war, doch stattdessen warf ich lieber einen neugierigen Blick auf meinen Gesprächspartner. Wer hätte gedacht, dass ein alter Bekannter vor mir stand, Herr Abora Wala nämlich, unser Karawanenführer. Natürlich erkannte er mich nicht, weil damals eine gewisse Lady Marilyn mit ihm unterwegs gewesen war - der Inbegriff der erotischen Fantasien aller Männer der Reisegruppe (vom glücklich verheirateten Lonely-Lokley abgesehen). Sehr interessiert schaute Sir Wala mir ins Gesicht.

»Langweilen Sie sich schon lange?«, fragte er beiläufig-

»Erst seit fünf Tagen - warum?«

»Nur so. Ich kenne mich mit den Touristen, die nach Kettari kommen, gut aus, und Sie sind mir noch nicht aufgefallen.«

»Kein Wunder. Ich bin ja auch gekommen, um meine Tante zu besuchen. Vor fünf Tagen, wie gesagt. Vor einer halben Stunde erst habe ich die opulente Tafel verlassen, die sie zu meinen Ehren aufgefahren hat. Jetzt macht sie ein Nickerchen und wird sich vermutlich alsdann daranmachen, etwas Besonderes zu meiner Abreise vorzubereiten. Darum habe ich gerade zum ersten Mal seit fünf Tagen ihr Haus verlassen können.«

In Gedanken gab ich mir eine Eins dafür, mir so schnell Geschichten ausdenken zu können.

»Verstehe«, meinte mein altneuer Bekannter nickend. »Wissen Sie, ich bin Karawanenführer und kenne deshalb alle Touristen. Aber ich vermute, Ihre Tante ist Ihnen entgegengekommen.«

»Sie hat mir ihren jüngeren Sohn entgegengeschickt. Stellen Sie sich vor: Der Mann ist über zweihundert Jahre alt und wird trotzdem noch wie ein Kind behandelt.«