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Or war gespannt, was Ol herausfinden würde, gleichzeitig mißtraute er ihm aber. Nachdem Violas Vater gegangen war, gab er sofort Anweisung, die Angaben zu überprüfen und bis auf weiteres alle Flüge zur Erde einzustellen. Dann rief er jedoch Din und Nel zu sich, zwei seiner Untergebenen. Sie waren seine Männer für schwierige Aufgaben und schon öfter mit heiklen Aufträgen betraut worden.

Din und Nel zeichneten sich durch ihren Eifer aus, hatten zuletzt aber gründlich versagt. Als es nämlich darum gegangen war, die Rückkehr mehrerer Erdenbewohner zu verhindern: des Jungen Kostja, des Geologen Viktor Stepanowitsch, des Jägers Kusmitsch und des bereits erwähnten Einbeinigen Seemanns Charlie Black. Damals waren sie von Ol geschickt hinters Licht geführt worden, was sie ihm bis jetzt nicht verziehen.

Auf diese Niederlage spielte der Direktor an, als er die beiden zwar liebenswürdig begrüßte, sie aber auch fragte, ob sie nicht ihre Scharte von neulich auswetzen wollten.

»Die ruhige Zeit im Labor ist vorbei«, erklärte er, »jetzt gilt es das Haus von Vi und Ol überwachen, und zwar rund um die Uhr.«

»Das Haus von Vi und Ol?« Nel war alles andere als begeistert. »Diese Familie bereitet uns nur Ungelegenheiten. Welche Gemeinheit haben sie denn diesmal vor?«

Or erklärte den Männern, daß es nicht um Gemeinheiten ging, sondern um Gefahren, die möglicherweise auf die Irena zukämen. Leider sei es Ol gewesen, der den Defekt im Tunnel entdeckt hätte und nicht etwa einer der zuständigen Massaren. Da man aber nicht wisse, was er wirklich vorhabe, müsse man ihn im Auge behalten.

»Nehmt den Peilwagen«, fügte der Direktor hinzu, »all unsere Mittel stehen euch zur Verfügung. Nicht die kleinste Maus darf unbemerkt in Ols Haus gelangen oder es verlassen.«

Wenig später standen Din und Nel mit ihrem supermodernen Peilwagen schon in der Nähe von Ols Haus. Das Fahrzeug war mit den besten Apparaturen ausgerüstet, die man zum Überwachen und Beobachten besaß. Mit ihrer Hilfe konnte jeder Vorgang außerhalb und auch innerhalb des Gebäudes verfolgt werden. Sogar in die Kochtöpfe konnten die beiden gucken.

Sie richteten ihre Geräte auf das Erdgeschoß, wo sich das Wohnzimmer und die Küche befanden. Dort hielten sich die Bewohner erfahrungsgemäß am meisten auf, dort wurden auch viele Gespräche geführt.

Der Abend und die Nacht verliefen ruhig, Din und Nel konnten nicht viel Neues erfahren. Sie vertrieben sich die Zeit mit Schachspielen und schliefen später abwechselnd, das heißt, sie lösten sich beim Wachehalten ab. Auch am Morgen passierte noch nicht viel, so daß die beiden sich zu langweilen begannen. Sie paßten nicht mehr so genau auf, warfen nur noch ab und zu einen Blick auf die Bildschirme.

Aus diesem Grund bekamen sie auch nicht mit, daß Viola und Mo heimlich das Haus verließen. Sie wurden erst wieder aufmerksam, als OL aufgeregt aus seinem Zimmer herunterkam und Vi seine Überlegungen zum Tunneldefekt mitteilte. Daß sich dort die Energie verlagern und das gesamte System verändern würde. Daß dadurch im Elming ein gewaltiger Sog entstehen könnte, was für die Irener unvorhersehbare Folgen mit sich brächte. Daß es den Weg zur Erde zwar noch gäbe, man aber dort leicht in die Vergangenheit geraten könnte usw.

Din hatte bei den ersten Worten Ols sofort eine Verbindung zu seinem Chef geschaltet, so daß der Direktor alles mithören konnte. Or hatte sich natürlich selbst auch schon Gedanken über die Lage gemacht und fand sie durch die Worte des Vitanten bestätigt.

Ja, Ol ging in seinen Überlegungen noch weiter als er, indem er meinte, die Kraft des Tunnels könnte ausreichen, die Zeit um Tausende von Jahren zu verschieben. Diese Daten übermittelte Or sofort an das Rechenzentrum. Er war sehr besorgt, zollte der Vorstellungskraft und dem Wissen des Tunnelpiloten aber auch Achtung, ja Bewunderung.

Die aufgeregte Stimme Dins rief ihn unvermittelt in die Gegenwart zurück.

»Chef, im Haus muß irgendwas passiert sein! Ol ist ohne ein Wort zu sagen losgerannt, offenbar zum Elming. Seine Frau und der eine Junge folgen ihm jetzt. Sie haben’s fast noch eiliger als er.«

»Der eine Junge? Was machen der andere und das Mädchen, diese Viola?«

Daß Or sofort nach den beiden Kindern fragte, war Din peinlich. Liebend gern hätte er verschwiegen, daß Nel und er nicht aufgepaßt hatten. Doch das ging nun nicht mehr.

»Obwohl die fünf beim Frühstück noch zusammen waren, haben wir Viola und Mo schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen«, gab er kleinlaut zu.

»Hab ich nicht ausdrücklich befohlen, daß niemand, nicht das kleinste Mäuschen, das Haus ungesehen betreten oder verlassen darf!« schrie der Direktor wütend. »Achtet ihr so auf meine Anweisungen?«

»Sie haben ja recht, Chef, aber wir sind nur zu zweit. Wenn die einen da und die andern dorthin laufen, können wir sie sowieso nicht alle beobachten. Wir haben uns hauptsächlich auf Ol konzentriert.«

»Ihr habt jede Kleinigkeit zu melden, ihr Dummköpfe«, brüllte Or, »damit ich die entsprechenden Maßnahmen ergreifen kann! Und jetzt fahrt Ol hinterher. Laßt ihn ja nicht aus den Augen!«

Der Peilwagen setzte sich schnell in Bewegung. Din und Nel hatten Ol bald wieder im Visier. Um nicht aufzufallen und die Lage besser überblicken zu können, schalteten sie die Fluganlage ein, erhoben sich wie mit einem Hubschrauber in die Luft. Von dort aus fotografierten sie Ol mehrmals, zuletzt sogar, als er zusammen mit Viola und Mo vom Tunnel eingesogen wurde.

Or, der sich inzwischen wieder beruhigt hatte, nahm die Nachricht vom Verschwinden der drei mit gemischten Gefühlen auf. Gut, daß ich Ol habe beobachten lassen, dachte er. Vielleicht werde ich ihn nie mehr wiedersehen, aber wenigstens bin ich auf dem laufenden. Schade, denn wenn er im Grunde auch mein Gegner war – er war intelligent und ein würdiger Widersacher. Jetzt muß ich zusehen, wie ich mit all den Problemen ohne ihn zurechtkomme.

GEFANGEN IM TUNNEL

Inzwischen rasten Ol, Viola und Mo der Zukunft entgegen. Die anfängliche Leichtigkeit war gewichen, ein starker Druck lastete auf ihnen, und für einige Zeit wurde sogar das Atmen schwer. Erst als sich ihre Körper der Geschwindigkeit angepaßt hatten, waren sie wieder in der Lage, über ihre Situation nachzudenken und sich darüber zu unterhalten.

Viola war noch immer verblüfft über das schnelle Auftauchen ihres Vaters. Ihr schwante, daß sich der kurze Ausflug, den sie vorgehabt hatte, in die Länge ziehen konnte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen und wäre am liebsten wieder zu Hause bei ihrer Mutter gewesen.

»Da habt ihr uns was Schönes eingebrockt«, sagte Ol, »wie kann man nur so unvernünftig sein.«

»Wir wollten uns doch bloß mal am Tunnelausgang umschaun, vielleicht für einen Tag oder zwei in die Zukunft fliegen wie No«, rechtfertigte sich Viola.

»Ich hatte euch gestern lang und breit erklärt, daß der Tunnel defekt ist und ich No mit dem Skaphander zurückholen mußte. Aber wer holt jetzt uns zurück?«

»Es sind doch erst ein paar Minuten vergangen«, schaltete sich Mo ein, der Viola nicht im Stich lassen wollte. »Bestimmt werden Vi und No kommen.«

»Ein paar Minuten?« Ol lachte bitter. »Das ganze Tunnelsystem ist aus dem Gleichgewicht geraten, Zeit und Raum verschieben sich mit ungeheurer Geschwindigkeit. Merkt ihr nicht, daß wir mitten im Sog sind? Wir sind schon Jahre von dem Augenblick entfernt, da wir in den Elming eindrangen.«

»Jahre?« rief Viola erschrocken. »Aber das ist ja schrecklich! Wir müssen den Tunnel sofort verlassen.« Und mit den Armen rudernd, versuchte sie kehrtzumachen, dem Sog irgendwie zu entkommen.