»Dann empfange eben kein Kind. Er ist sowieso viel zu jung dazu.«
»Nein, das ist er nicht.«
»Oh! Nun. Hast du denn keine. nein, das würdest du nicht haben. Verhütungsmittel, meine ich. Nun, kannst du denn nicht deine empfangsbereiten Tage ausrechnen und in diesen Tagen jeden Geschlechtsverkehr meiden?«
»Ich verstehe dich nicht. Nein, warte, ich verstehe «dich doch. Luweewu, unsere Rasse beherrschte den größten Teil dieser Welt, weil wir alle Variationen und. Nuancen von Rishathra beherrschten. Aber weißt du auch, warum wir uns so gründlich mit Rishathra auseinandersetzten?«
»Es machte vermutlich Spaß, oder etwa nicht?«
»Luweewu, manche Spezies sind einfach viel fruchtbarer als andere.«
»Aha.«
»Schon in vorgeschichtlichen Zeiten erkannten wir, daß Rishathra eine Methode ist, Nachkommenschaft zu vermeiden. Wenn wir uns paaren, kommt vier Falans später promt ein Kind zur Welt. Luweewu, kann diese Welt gerettet werden? Weißt du, daß diese Welt gerettet werden kann?«
Oh, am liebsten wäre er jetzt auf einem Sabbat-Flug gewesen allein in einem Ein-Mann-Raumschiff, Lichtjahre von allen Verpflichtungen entfernt, nur mit Louis Wu beschäftigt. Oh, wie schön wäre jetzt ein Wonnestrom-Stecker gewesen. »Ich kann für nichts garantieren.«
»Dann treibe bitte Rishathra mit mir, damit ich nicht an Kawaresksenjajok denken muß!«
Das war nicht gerade ein schmeichelhafter Antrag, für Louis Wus noch junges Leben. Er fragte: »Wie können wir denn seine Gedanken ablenken?«
»Ich weiß es nicht. Wohl kaum. Der arme Junge, er muß leiden.«
Dann könnt ihr beide leiden, dachte Louis. Aber er brachte den Satz nicht über die Lippen. Die Frau spielte ihm kein Theater vor. Sie meinte es todernst. Sie litt, und sie hatte recht. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, ein Städtebauer-Baby auf die Welt zu bringen.
Und er begehrte sie.
Er kletterte aus seinem freien Fall und nahm sie auf dem Wasserbett. Er war froh darüber, daß Kawaresksenjajok sich in den Laderaum zurückgezogen hatte. Was wollte er dem Jungen am nächsten Morgen sagen?
26. Unter dem Meer
Louis erwachte im Zustand der Schwerkraft, mit einem Lächeln auf dem Gesicht, einem angenehmen Schwächegefühl in jedem Muskel und schwarzen Ringen unter den Augen. Er hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen. Harkabeeparolyn hatte ihre Nöte nicht übertrieben. Er hatte nicht gewußt (obwohl er ein Jahr mit Halrloprillalar zusammengelebt hatte), daß Städtebauer-Frauen regelrechte Brunftzeiten hatten.
Er drehte sich zur Seite, und das breite Bett begann unter ihm zu schwanken. Ein Körper rollte gegen seine Hüfte: Kawaresksenjajok, der leise schnarchte und Arme und Beine von sich streckte wie ein Seestern.
Harkabeeparolyn hatte sich am Fuß des Bettes in orangefarbenen Pelz eingewickelt, bewegte sich jetzt und setzte sich auf. Sie sagte, als müßte sie sich dafür entschuldigen, daß sie ihn allein gelassen hatte: »Ich wachte immer wieder auf und wußte nicht, wo ich war. Das Bett schaukelte so heftig unter mir.«
Kulturschock, dachte er. Er erinnerte sich wieder daran, daß Halrloprillalar die Schlafplatten bevorzugte — aber nicht zum Schlafen. »Der Boden ist breit genug. Wie geht es dir heute?«
»Viel besser. Im Augenblick wenigstens. Vielen Dank.«
»Ich danke dir. Hast du Hunger?«
»Noch nicht.«
Er turnte. Seine Muskeln waren immer noch hart. Er war eben aus der Übung. Die Städtebauer sahen ihm mit ratlosem Gesicht bei seinen Freiübungen zu. Anschließend wählte er sein Frühstück: Wassermelone, Crepes Suzette mit Grand Marnier, Brötchen und Kaffee. Seine Gäste wiesen, wie zu erwarten, den Kaffee zurück und auch die Brötchen.
Als der Hinterste aus seinem Quartier erschien, sah er zerknittert und erschöpft aus. »Die Formeln, die wir suchten, sind in den Unterlagen der fliegenden Stadt nicht zu finden«, sagte er. »Alle Rassen der Ringwelt bauten sich Rüstungen in der Form eines Pak-Protektors. Die Rüstungen sind nicht überall gleich; aber im Stil halten sie sich im allgemeinen an das Grundmuster. Vielleicht ist die Verbreitung der Städtebauer-Kultur über die ganze Ringwelt daran schuld. In ihrem Imperium wurden alle Ideen und Erfindungen so miteinander vermischt, daß wir sie jetzt, nicht mehr bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgen können.«
»Und wie steht es mit der Unsterblichkeitsdroge?«
»Da hattest du recht. Der Große Ozean wird als Quelle aller Schrecken, Wunder und Freude betrachtet, wozu auch die Unsterblichkeit gehört. Das Geschenk der Unsterblichkeit erscheint nicht immer als Droge. Manchmal ist es sogar ein unerwünschtes Geschenk, das launische Götter den Sterblichen aufdrängen. Louis, diese Märchen ergeben für mich, einem nichtmenschlichen Wesen, keinen Sinn.«
»Dann stelle den Computer so um, daß ich das Leseband auswerten kann. Ich werde auch unsere Gäste einladen, die Computerauswerrungen zu beobachten. Vielleicht können sie eine Erklärung für offene Fragen finden, wenn ich nicht weiter weiß.« »Aye, aye.«
»Und wie steht es mit den Reparaturen?«
»Seit den ersten geschichtlichen Aufzeichnungen der Ringwelt haben keine Reparaturen mehr stattgefunden.«
»Das ist doch unmöglich!«
»Aber wie groß ist der Bereich, der in den Unterlagen der Städte belegt ist? Wie weit reicht ihre Geschichte zurück? Das Gebiet ist klein, die Zeit sehr kurz. Zudem habe ich auch die Verhör-Protokolle von Jack Brennan studiert. Daraus schloß ich, daß Protektoren sehr lange leben und auch nach langer Vorbereitungszeit sehr spät eingreifen. Sie verließen sich lieber auf ihre eigenen Initiative statt auf Automaten, die nach einem starren Programm ablaufen. Zum Beispiel fand man an Bord von Phssthpoks Raumschiff keinen Autopiloten.«
»Das ist nicht typisch. Schließlich ist das Baggersystem auf dem Meeresboden auch automatisch.«
»Aber das ist eine sehr primitive Automatik. Wir wissen nicht, weshalb die Protektoren ausstarben oder die Ringwelt verließen. Vermutlich wußten sie aber von ihrem Schicksal, und hatten vielleicht noch Zeit, das Baggersystem mit einer primitiven Automatik zu versehen. Louis, wir müssen das doch nicht alles aufklären.«
»Wirklich nicht? Auch das Meteor-Abwehrsystem ist vermutlich automatisch. Möchtest du denn nicht mehr über das Meteor-Abwehrsystem erfahren?«
»Das schon.«
»Und die Steuerdüsen waren automatisch. Vielleicht gab es daneben noch eine Handsteuerung, die nur von der Automatik für den Notfall ergänzt werden sollte. Aber tausend menschenähnliche Rassen haben sich seit dem Verschwinden der Pak-Protektoren auf der Ringwelt entwickelt, und die automatischen Einrichtungen funktionieren immer noch. Entweder waren die Protektoren von vorneherein entschlossen, ihre Welt zu verlassen. was ich nicht glauben kann.«
»Oder es dauerte sehr lange, bis sie starben«, setzte der Hinterste den Satz für ihn fort. »Dazu habe ich meine eigenen Theorien entwickelt.« Aber er wollte nicht mehr verraten.
Louis hatte einen unterhaltsamen Vormittag. Die Märchen vom Großen Ozean waren spannend. Die handelnden Personen waren Helden, Könige, Zauberer und furchtbare Ungeheuer. Die Geschichten handelten von wunderbaren Entdeckungen und großartigen Verwandlungen, und ihre Atmosphäre unterschied sich erheblich von den Märchenerzählungen der menschlichen Kultur. Liebe war in diesen Geschichten kein ewiger Zustand. Das Gefolge der Helden (oder Heldinnen) des Städtebauer-Sagenkreises gehörten stets dem anderen Geschlecht an. Der Bund, auf den sich ihr Treueverhältnis stützte, war ein märchenhaft beschriebener Vorgang des Rishathra, und die seltsamen Kräfte, die ihnen verliehen waren oder dank derer sie das Rishathra ausüben konnten, wurden als selbstverständlich vorausgesetzt. Zauberer waren nicht automatisch böse Wesen, sondern sporadisch auftretende Gefahren, denen man auswich, sie nicht bekämpfte.