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Louis rieb sich geistesabwesend die vier juckenden Wundmale über seiner Augenbraue. »Eins Komma zwölf mal zehn hoch neun Kubikmeilen. Ich muß zugeben, diese Zahl versetzt mich ins Staunen. Was bewahrten sie nur in dieser riesigen Höhle auf? Pfropfen, die groß genug sind, damit man damit den Krater der ›Faust Gottes‹ verschließen kann? Maschinen, die groß genug sind, um diese Pfropfen zu transportieren, einzusetzen und dann festzuschweißen? Stammten die Winden und Kräne, die wir auf der Mauerkrone der Ringwelt entdeckten, ebenfalls aus dieser Werkstatt? Lagern vielleicht noch Steuerdüsen unter dem Eis des Pseudo-Mars? Ersatz-Steuerdüsen? Tanj, ich würde diese Ersatzdüsen nur zu gerne finden. Aber dann bleibt immer noch genügend Raum für andere Geräte.«

»Für Kriegsflotten.«

»Ja. Wir wissen ja bereits von ihrer größten Waffe, aber Kriegsflotten, natürlich! Und Schiffe, um Flüchtlinge wegzubringen. Vielleicht ist die Weltkarte des Mars ein einziges großes Rettungsschiff. Es müßte groß genug sein, die Ringwelt zu evakuieren, ehe die Bevölkerung jede Nische in der Ökologie auszufüllen beginnt.«

»Ein Raumschiff? Vielleicht ein Raumschiff, das groß genug ist, daß man damit die Ringwelt wieder in ihre richtige Lage ziehen könnte? Es fällt mir schwer, in solchen Dimensionen zu denken, Louis.«

»Mir ebenfalls. Aber ich glaube, auch ein Raumschiff dieser Größe würde nicht ausreichen als Schleppper für die Ringwelt.«

»Was hattest du dir dann gedacht, als du den Hyperdrive-Motor zerstörtest?« Plötzlich fauchte ihm der Kzin ins Gesicht.

Louis zog es vor, nicht zurückzuzucken. »Ich glaubte, die Ringwelt könnte so programmiert werden, daß sie sich mit magnetischen Kräften nach der Sonne ausrichtet. Ich lag mit meiner Annahme fast richtig. Leider gibt es da eine Schwierigkeit, die.«

Die Stimme des Hintersten plärrte aus dem Lautsprecher: »Louis, Chmeee! Schaltet das Landungsboot auf Eigensteuerung und kommt zu mir an Bord!«

29. Die Weltkarte des Mars

Chmeee erreichte noch vor Louis in einem gewaltigen Satz die Transportscheibe. Auch der Kzin konnte also Befehle entgegennehmen, dachte Louis. Er hütete sich, diese Tatsache laut zu bestätigen.

Die Städtebauer blickten durch die Wand der Raumschiffzelle. Sie interessierten sich nicht für die Landschaft — da war nur eine unendliche blaue Fläche und der blaue, mit Wolken betupfte Himmel, der sich am Horizont mit dem Meer vereinigte. Sie beobachteten ein Hologramm von der Dimension einer Filmleinwand. Als Chmeee auf der Scheibe des Transportempfängers erschien, drehten sie sich um und versuchten, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen.

Louis sagte: »Chmeee, das sind Harkabeeparolyn und Kawaresksenjajok, Bibliotheksangestellte der fliegenden Stadt. Sie waren uns als Informanten eine große Hilfe.«

Der Kzin sagte: »Gut. Hinterster, was gibt es für Probleme?«

Louis zupfte den Kzin am Fell und deutete.

»Ja«, sagte der Puppetier, »das Problem ist die Sonne.«

Die Sonne erschien im Hologramm-Rechteck als ein sanft glühendes, stark vergrößertes Gebilde. Ein heller Fleck in der Mitte dieses Gebildes bewegte sich kreiselnd und veränderte ständig seine Gestalt.

Chmeee sagte: »Haben wir nicht eine ähnliche Erscheinung in der Sonne beobachtet, als wir auf der Raumhafen-Rampe landen wollten?« »Richtig. Was du jetzt siehst, ist die Ringwelt-Meteor-Verteidigungsanlage. Hinterster, was machen wir jetzt? Wir können die Geschwindigkeit herabsetzen, aber ich sehe keinen Weg, das Landungsboot zu retten.«

»Mein erster Gedanke war, unser wertvolles Selbst zu retten«, erwiderte der Puppetier.

Das Meer reflektierte ein grelles Licht, das sich direkt unter der Heißen Nadel befinden mußte. Nun schien es noch greller zu werden und nahm eine violette Färbung an. Plötzlich, einen Augenblick lang, wurde es zu einem unerträglich hellen Gleißen. Dann war es ein schwarzer Punkt auf dem Rumpf unter ihren Füßen.

Und ein pechschwarzer Faden mit einer violettweißen Korona stand über dem Horizont spinnwärts. Eine senkrechte Säule, die vom Boden bis zum Himmel reichte. Über der Atmosphäre war sie unsichtbar.

Der Kzin sagte etwas in der Heldensprache.

»Alles sehr schön«, sagte der Hinterste auf Interworld, »aber worauf schießt es? Ich dachte, wir wären das Ziel.«

Louis sagte: »Liegt nicht die Weltkarte der Erde in dieser Richtung?«

»Ja. Auch eine Menge Wasser und ein beträchtlicher Teil der Ringwelt-Landschaft.«

Als der Strahl die Ringweltoberfläche traf, glühte der Horizont im weißem Licht. Chmeee flüsterte in der Heldensprache, aber Louis verstand durchaus den Sinn. »Mit so einer Waffe könnte ich die Erde in Dampf verwandeln.«

»Halt den Schnabel.«

»Das war eine ganz natürliche Überlegung, Louis.«

»Ja.«

Der Strahl brach plötzlich ab. Dann schlug er wieder auf der Ringwelt ein, ein paar Grad weiter nach Backbord.

»Tanj dammit! Okay, Hinterster, bring uns höher hinauf. Fliege so hoch, daß wir das Teleskop verwenden können.«

Da war ein glühender gelbweißer Punkt auf der Weltkarte der Erde, als wäre dort soeben ein größerer Asteroid eingeschlagen.

Etwas weiter entfernt entdeckten sie eine ähnliche Lichterscheinung. Dort mußte sich bereits die Küste des Großen Ozeans befinden.

Die Sonnenfackel wurde schwächer und verlor ihren Zusammenhang.

Chmeee fragte: »Befanden sich Flugzeuge oder ein Raumschiff in dieser Richtung? Schnellfliegende Objekte?«

»Das hätten mir meine Instrumente anzeigen müssen«, erwiderte der Hinterste.

»Überprüf die Instrumente. Und bringe uns auf eine Höhe von einer Meile. Ich denke, wir sollten uns der Weltkarte des Mars von der Seite nähern.«

»Louis?«

»Tue, was er sagt.«

Chmeee fragte: »Hast du eine Ahnung, wie dieser Laserstrahl zustande kam?«

»Louis kann dir das erklären«, erwiderte der Puppetier. »Ich bin beschäftigt.«

Die Heiße Nadel und das Landungsboot näherten sich jetzt der Weltkarte des Mars aus zwei Richtungen. Der Hinterste hielt die beiden Raumschiffe auf Parallelkurs, damit man mit den Transportscheiben rasch zwischen ihnen hin- und herpendeln konnte.

Lois und Chmeee setzten zum Mittagessen auf das Landungsboot über. Chmeee war hungrig. Er verschlang mehrere Pfunde rohes Fleisch, eine Forelle, und trank vier Liter Wasser. Louis' Appetit ließ zu wünschen übrig. Er war froh, daß seine Gäste ihrer Mahlzeit nicht zusehen mußten.

»Ich begreife nicht, weshalb du diese Passagiere an Bord nahmst«, sagte Chmeee. »Es sei denn, du möchtest dich mit der Frau paaren. Aber warum der Junge?«

»Es sind Städtebauer«, erwiderte Louis. »Ihre Gattung beherrschte einmal fast die ganze Ringwelt. Und ich habe die beiden in ihrer Bibliothek aufgelesen. Du solltest dich mit ihnen näher bekanntmachen, Chmeee, ihnen Fragen stellen.«

»Sie haben Angst vor mir.«

»Du bist ein gewandter Diplomat. Solltest du das vergessen haben? Ich werde den Jungen einladen, sich das Landungsboot anzusehen. Du erzählst ihm Geschichten von Kzin, den Jagd-Parkanlagen und dem Haus des Patriarchen. Sage ihm auch, wie die Kzinti sich paaren.«

Louis setzte wieder auf die Heiße Nadel über, redete mit Kawaresksenjajok und war mit dem Jungen schon wieder an Bord des Landungsbootes, ehe Harkabeeparolyn begriff, was da vor sich ging.

Chmeee zeigte dem Jungen, wie er das Landungsboot steuern konnte. Das kleine Raumschiff ging in den Sturzflug über, überschlug sich und stieg dann wieder wie ein Pfeil zum Himmel hinauf. Der Junge war ganz begeistert von diesen Manövern. Chmeee erklärte ihm auch, wie die binokularen Schutzbrillen funktionierten, das Superleiter-Tuch und der Schutzpanzer.