»Ich denke auch schon in dieser Kategorie. Ich bin bereit, aufzugeben.«
»Die Protektoren müssen schon seit zweihundertfünfzigtausend Jahren tot sein. Wer sagte das nur?«
»Wenn du noch einen Funken Verstand besitzt, solltest du es aufgeben, auf mich zu hören.«
»Pardon, dazu bin ich noch nicht bereit, Ich hatte den Eindruck, als wollte der Protektor uns etwas sagen. Die Pak waren deine Vorfahren, und Teela entstammt deiner eigenen Kultur. Wir verlangen Aufklärung.«
»Sie will, daß wir die schmutzige Arbeit für sie tun«, sagte Louis. »Alles, was sie tut, ist doppelsinnig. Futz, ihr habt die Protokolle studiert, als Brennan nach seiner Verwandlung zum Protektor verhört wurde. Protektoren haben sehr starke Instinkte und verfügen über eine übermenschliche Intelligenz. Diese beiden Veranlagungen müssen miteinander in Konflikt kommen.«
»Ich begreife nicht, was für eine schmutzige Arbeit sie von uns verlangt.«
»Sie weiß, wie die Ringwelt gerettet werden kann. Alle vier Protektoren wußten das. Töte fünf Prozent, rette die übrigen fünfundneunzig Prozent. Aber sie können diese Tat nicht selbst ausführen. Sie können nicht einmal zulassen, daß ein anderer für sie die Rettungstat vollbringt; aber sie müssen einen anderen dazu zwingen, das Notwendige zu tun. Das ist ihre Doppelsinnigkeit, die Ironie ihres Denkens.«
»Was bedeutet das konkret?«
Die Zahlen, die Teela genannt hatte, tickten wie eine Zeitbombe in Louis' Unterbewußtsein. Warum?. Tanj damit! »Teela suchte sich diesen Wolkenkratzer aus, weil er genauso aussah, wie Halrloprillalars fliegendes Gefängnis, das wir während der ersten Expedition erbeuteten. Sie suchte es aus, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Sie brachte es dorthin, wo sie uns haben wollte. Ich habe keine Ahnung, was für eine Funktion dieser Teil des Reparaturzentrums erfüllt, aber es ist die richtige Stelle in einer Schachtel von der Größe einer Milliarde Kubikmeilen. Alles anderen müssen wir selbst herausfinden.«
»Und was dann? Ist sie nicht davon überzeugt, daß wir in der Falle sitzen?«
»Was wir auch unternehmen — sie wird versuchen, uns daran zu hindern. Wir werden sie töten müssen. Das ist es, was sie uns mitteilen wollte. Wir haben nur einen Vorteil. Sie kämpft, um zu verlieren.«
»Das ist mir zu hoch«, erwiderte der Puppetier.
»Sie will, daß die Ringwelt überlebt. Sie will, daß wir sie töten. Und sie erzählte uns so viel, wie sie durfte. Aber selbst wenn wir die übrigen Stücke des Puzzlespieles finden, können wir es verantworten, so viele intelligente Wesen zu töten?«
Chmeee sagte: »Teela tut mir leid.«
»Ja.«
»Und wie können wir sie töten? Wenn du recht hast, muß sie sich doch irgend etwas ausgedacht haben.«
»Das bezweifle ich. Meiner Vermutung nach hat sie ihr Möglichstes getan, nicht daran zu denken, was wir gegen sie unternehmen könnten. Denn dann müßte sie das blockieren. Wir sind auf uns selbst angewiesen. Und sie wird, von ihrem Instinkt geleitet, jedes fremde Lebewesen ermorden. Bei mir könnte sie vielleicht eine halbe, alles entscheidende Sekunde lang zögern.«
»Also gut«, sagte der Kzin. »Alle unsere wirksamen Waffen befinden sich auf dem Landungsboot. Und wir sind in Lava eingeschlossen. Ist die Transportscheiben-Verbindung zum Landungsboot noch offen?«
Der Hinterste kehrte auf das Flugdeck zurück, um das nachzuprüfen. Er berichtete: »Die Verbindung ist offen. Die Weltkarte des Mars besteht aus Scrith, doch die Schicht ist nur ein paar Zentimeter dick. Sie muß nicht die schreckliche Belastung aushalten wie das Fundament der Ringwelt. Meine Instrumente können diese Schicht durchdringen, und das gleiche gilt für die Transportscheiben. Das ist die erste positive Entdeckung am heutigen Tag.«
»Gut. Louis, begleitest du mich?«
»Selbstverständlich. Wie hoch ist die Temperatur an Bord des Landungsbootes?«
»Eine Reihe von Sensoren sind durchgebrannt. Ich kann es dir nicht sagen«, erwiderte der Hinterste. »Wenn ihr das Landungsboot noch benützen könnt, dann tut es. Sonst rafft ihr nur alles zusammen, was ihr benötigt und kehrt sofort wieder in das Raumschiff zurück. Wenn die Bedingungen unerträglich sind, kehrt ihr auf der Stelle wieder um. Wir müssen wissen, über welche Mittel wir verfügen.«
»Der logische nächste Schritt«, stimmte Chmeee dem Puppetier zu. »Und was geschieht, wenn das Landungsboot sich nicht mehr manövrieren läßt?«
»Dann bliebe uns immer noch ein Weg offen«, antwortete Louis, »aber wir müssen uns Druckanzüge beschaffen. Hinterster, warte nicht auf uns. Aber behalte uns mit deinen Ortungsgeräten im Auge. Und suche nach Teela. Sie muß sich in einem offenen Raum befinden, eine Art von Gewächshaus, das groß genug ist für ein Getreidefeld.«
»Aye, aye. Ich vermute, daß wir uns irgendwo unter dem Mons Olympus befinden.«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen. Vielleicht nahm sie die Heiße Nadel mit einem schweren Lasergeschütz unter Feuer, damit das Stasisfeld so lange andauerte, bis sie uns an eine Stelle schleppen konnte, wo sie glühende Magma für uns bereithielt. Und diese Stelle ist vermutlich auch der Tatort.«
»Louis, hast du eine Ahnung, was sie von uns erwartet?«
»Nicht einen Schimmer. Also lassen wir das vorläufig auf sich beruhen.« Louis forderte mit der Wählscheibe ein paar Badetücher an und warf Chmeee eines davon zu. Dann schlüpfte er in seine Holzpantoffeln. »Bist du bereit?« fragte er den Kzin. Chmeee sprang auf die Transportscheibe. Louis folgte ihm dicht auf.
31. Das Reparaturzentrum
Es war, als wären sie in einem Backofen materialisiert. Louis hatte wenigstens Holzpantoffeln an den Füßen, aber Chmeees Sohlen wurden nur durch den dünnen Bodenbelag geschützt. Der Kzin lief den Niedergang zur Kabine hinunter und fauchte, als er mit Metall in Berührung kam.
Louis hielt die Luft an. Hoffentlich tat Chmeee das auch. Die Luft war so heiß, daß man sich damit die Lungen verbrennen konnte. Der Boden neigte sich vier oder fünf Grad zur Seite. Louis beging den Fehler, durch eines der Bullaugen zu blicken: er erstarrte ein paar Schrecksekunden lang. Was war das da draußen in dem schlammigen Zwielicht: ein neugieriger Sandhai? Lag das Landungsboot im Wasser?
Er hatte drei Sekunden verloren, als er die Treppe zur Kabine hinunterging. Er trat viel vorsichtiger auf als Chmeee, kämpfte gegen die Regung an, tief einzuatmen, stieß die verbrauchte Luft durch die Nase aus, um diese furchtbare Hitze nicht so rasch in seinen Körper eindringen zu lassen. Es roch nach verschmortem Fleisch, nach Rauch, Hitze und verbrauchter Luft.
Chmeee versuchte, seine verbrannten Hände abzukühlen; der Pelz stand ihm wie ein Kragen um den Hals. Die Griffe der Wandschränke bestanden aus Metall. Louis wickelte Handtücher um seine Hände und fing an, die Schranktüren zu öffnen. Chmeee verwendete sein Taschentuch dazu, die Schränke zu entleeren: Druckanzüge, Fluggeschirre, Zerstäuber, Superleiter-Tuch. Louis stürzte sich sofort auf den Helm seines Druckanzuges und stellte die Luftzufuhr an, wickelte sich ein Handtuch um den Hals und stülpte dann den Helm über den Kopf. Der Wind, der jetzt sein Gesicht fächelte, war nur warm. Er öffnete den Mund weit und sog seine Lungen voll.
Chmeees Anzug hatte keinen abnehmbaren Helm. Er mußte ihn mit den übrigen Teilen seines Schutzanzuges verschrauben. Sein hechelnder Atem hörte sich in Louis' Ohrstöpseln schrecklich an.
»Wir befinden uns unter Wasser«, sagte Louis keuchend. »Warum ist es so verdammt heiß im Landungsboot?«