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»Dimka«, hörte ich plötzlich Maljok flüstern. »Dimka, schläfst du?«

Mir war überhaupt nicht nach einer Unterhaltung mit Maljok, daher schwieg ich und tat so, als ob ich schliefe. Das Bett gegenüber quietschte, leise Schritte ertönten.

»Dimka«, flüsterte Maljok, jetzt offenbar über mich gebeugt.

Wollte er mich aufwecken, oder was? Warum flüsterte er dann? Ohne zu überlegen, warum, machte ich keinen Mucks und rührte mich nicht.

»Dimka«, hauchte Maljok noch einmal, dann hörte ich leise die Türklinke knarren.

Maljok war aus der Kammer geschlichen. Nachdem ich ein paar Sekunden gewartet hatte, kroch ich ebenfalls aus dem Bett. Sofort umfing mich elende Kälte, als wäre ich in ein Eisloch gesprungen. Bibbernd tapste ich zur Tür und schlüpfte in den dunklen Gang hinaus. Maljoks kaum hörbare Schritte verloren sich alsbald im gleichmäßigen Rauschen der Elemente. Der Sturm hatte zwar nachgelassen, doch der Wind pfiff noch immer geräuschvoll um die Burg. Bei meiner Verfolgung konnte ich mich weder auf mein Gehör noch auf meine Augen verlassen, sondern folgte einer Art sechstem Sinn.

Am Ende des Ganges angelangt, stieg ich die Wendeltreppe hinunter und schlich weiter Richtung Haupteingang. Dort konnte ich endlich schemenhaft Maljoks Silhouette ausmachen. Wo wollte er nur hin mitten in der Nacht bei dieser Saukälte? Jedenfalls nicht hinaus, denn Maljok wandte sich einem eisenbeschlagenen Holzgatter zu, das sich unmittelbar vor der Haupteingangstür in der

Als Maljok den Riegel zurückschob, ertönte ein gedämpftes Klonk. Beim Öffnen der Tür jedoch quietschten die Scharniere so jämmerlich, dass er zusammenzuckte und für einige Augenblicke verharrte. Ich stand etwa zehn Meter von ihm entfernt in seinem Rücken und spürte mein Herz bis zum Hals pochen. Jetzt machte sich Maljok an etwas zu schaffen; plötzlich erklang ein Zischen, und in seinen Händen glomm ein fahles Licht, das er in einer winzigen Petroleumlampe entzündet hatte. Erschrocken presste ich mich gegen die Wand, aber der Lichtschein war so schwach, dass er mich wohl kaum erfassen konnte. Maljok verschwand nach unten. Als ich ihm nach wenigen Sekunden folgte, sah ich, dass er eine lange Treppe hinunterstieg, an deren Ende sich erneut eine verriegelte Tür befand.

Hinter dieser Tür öffnete sich ein Kellerraum, den Maljok trotz der spärlichen Beleuchtung sicheren Schrittes durchmaß. Allem Anschein nach ging er diesen Weg nicht zum ersten Mal. Lautlos atmend schlich ich ihm durchs Halbdunkel des muffigen Kellers hinterher. Überall herumliegendes Gerümpel machte eine geräuschlose Fortbewegung nicht gerade einfach. Trotz aller Umsicht schrammte ich mit dem kleinen Zeh gegen die Kante einer Holztruhe und konnte mir nur mit Mühe einen Aufschrei verbeißen. Zum Glück hatte sich die schwere Truhe nicht bewegt, sonst hätte Maljok mich sicherlich bemerkt. In einem Winkel des Kellers lagen uralte, halb zerfallene Möbel, in einem anderen riesige Fässer und ein umgedrehtes Boot, überall türmten sich irgendwelche

Inzwischen hatte Maljok das Ende des Kellerraums erreicht. Er stellte seine Petroleumfunzel ab, die dabei fast ausgegangen wäre, und trat an die Wand heran, die nicht aus Marmor, sondern aus Steinblöcken bestand. Allerdings war in der Wand eine kleine, etwa buchgroße und tiefschwarze Marmortafel eingelassen, die blank poliert wie ein Spiegel glänzte und sich etwa eineinhalb Meter über dem Boden befand. Maljok legte langsam die Handflächen auf die Tafel und verharrte reglos.

Hinter einem Fass hervorlugend, beobachtete ich ihn.

Die Flamme der Petroleumlampe knisterte leise in der abgestandenen, modrigen Kellerluft. Es passierte nichts, absolut nichts. Meine Beine begannen zu frieren.

Mit einem Mal fiel der Groschen bei mir: Es musste sich um eine Art Grabmal oder Gedenktafel handeln. Warum war ich da nicht gleich draufgekommen? Wahrscheinlich lag hier irgendein Held begraben, unter dessen Führung seinerzeit eine Nachbarinsel erobert worden war. Maljok betete wohl für ihn, erhoffte sich seinen Beistand oder folgte sonst einem Ritual. Wer weiß, welch wunderliches Verhalten ich selbst nach ein paar Jahren auf der Insel an den Tag legen würde …

Gerade wollte ich mich auf den Rückweg machen, als ich plötzlich ein helles Knackgeräusch vernahm und kurz darauf Maljoks Stimme:

»Beobachter Nr. 36 erstattet Bericht.«

Ich erstarrte zur Salzsäule. Mit einem Gedenkritual hatte dies nun wirklich nichts gemein.

»Heute sind bei einem Gefecht auf der Ostbrücke folgende

Pause. Es schien, als unterhalte Maljok sich mit jemandem, obwohl ich keine zweite Stimme hören konnte.

»Ja. Der Lange Igor … Igor Ostapenko, Igor, Kostja, Romka …«

Pause.

»Ja, Kostja in der Burg … an einer Wunde. Die Salbe hat nichts mehr geholfen.«

Angespannt bis in die letzte Faser, lauschte ich, hörte aber keinen Laut außer Maljoks dünner Stimme.

»Nein, nein … Ja … Ein bisschen.«

Er sprach abgehackt und plötzlich mit bebender Stimme: »Nein, er hat gar nichts gedacht. Er schläft jetzt und ist nirgendwo hingegangen.«

Maljok redete eindeutig über mich!

»Nein, nein, ihr habt es doch gesehen, das war doch im Freien … Chris hat es sich im letzten Moment anderes überlegt, das konnte ich nicht mehr melden. Das war Zufall …«

Diesmal folgte eine lange Pause.

»Nein, ich glaube, dass er nirgendwohin gehen wird. Wahrscheinlich habe ich mich geirrt …« Seine Stimme wurde fast flehend. »Nein, sie hecken nichts aus. Vielleicht kannten sie sich von früher? … Die Gesichter konnte ich nicht sehen. Ich hatte Bedenken, dass sie mich bemerken könnten.«

Maljok war den Tränen nahe, und ich konnte fühlen, dass er in diesem Moment furchtbare Angst hatte.

»Nein!«, schrie er panisch.

Es folgte ein trockenes Knistern, und zwischen Maljoks Händen sprühten bläuliche elektrische Funken hervor.

Aus welchen Gründen auch immer die Außerirdischen uns auf diese Insel verschleppt hatten, sie hatten es auf jeden Fall nötig, uns zu beschatten. Sie brauchten einen Spion. Und schlechte Spione wurden bestraft.

Mit immer noch gleichsam an der Wand festgeklebten Händen war Maljok zusammengesackt und rappelte sich nur mühevoll wieder auf.

Endlich erklang seine Stimme wieder, leise und erstickt: »Ja, verstanden. Zehn Tage Beschattung … Und Chris auch, ja … Chris besonders, verstanden.«

Auf Zehenspitzen schlich ich zur Tür zurück. Obwohl mir Maljoks Petroleumfunzel beim Rückweg kaum mehr eine Hilfe war, schaffte ich es mit viel Glück, geräuschlos zwischen all den Kisten, Fässern und Brettern hindurchzugleiten.

Als ich die Treppe hinaufstürmte, schwirrten mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Ich hatte das Gefühl, dass ich sofort etwas unternehmen müsste. Zum Beispiel Chris aufwecken oder Tolik, und ihnen sagen, dass Maljok ein Verräter sei und uns hinterherspionierte. Denn im Inneren der Burg konnten uns die Außerirdischen nicht beobachten. Das wusste ich aus den Gesprächen mit den anderen. Während ich durch den unteren Gang eilte, überlegte ich es mir jedoch anders und beschloss, niemanden aufzuwecken, denn ich konnte mir lebhaft vorstellen, was dann passiert wäre.

Zurück in meiner Kammer, legte ich mich aufs Bett und versuchte, mich an alles zu erinnern, was ich je über

Draußen rauschte leise der Wind, es waren die letzten Seufzer des nachlassenden Sturms. Etwa fünf Meter von mir entfernt schliefen im Nachbarraum meine Freunde, während in das leere Bett neben mir jeden Moment der Feind zurückkehren würde. Ein Spion, wegen dem heute, besser gesagt gestern, die drei Jungen gestorben waren. Auf keinen Fall durfte ich verraten, was ich wusste, am besten war es wohl, erst einmal still zu halten und ihn genau zu beobachten.