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»Überall schwimmen Sternchen vor meinen Augen«, sagte er verwirrt. »Aber ich kann dich sehen.«

Ilja genoss sichtlich seine Rolle als Held des Tages. Er lag auf dem Sofa im Thronsaal, während Rita und Inga um ihn herumscharwenzelten und darauf bestanden,

Der Spiegel hatte Ilja das Augenlicht gerettet. Dadurch, dass er heiß und trüb wurde, reflektierte er nur einen kleinen Teil des auf ihn gerichteten Energiestrahls, der so stark war, dass er das Glas zerspringen ließ, als hätte man einen Stein darauf geworfen.

Das einzig Dumme war nur, dass Ilja das sorgfältig gehütete Geheimnis nicht richtig hatte erkennen können. Wie er erzählte, hatte er etwas Graues, Flaches im Spiegel gesehen, das von oben schnell näher kam. Dann leuchtete in der Mitte dieses grauen, rundlichen, von oben herabfallenden Körpers ein weißer Lichtstrahl auf.

Seine Schilderung ließ Raum für vielfältige Interpretationen. Timur zum Beispiel behauptete steif und fest, dass es sich nur um eine fliegende Untertasse handeln konnte. Mir dagegen erschien dies zu naheliegend, und ich vermutete kompliziertere Zusammenhänge hinter der Erscheinung. Im Laufe der hitzigen Debatte mussten Raumschiffe, laserbewaffnete Flugzeuge, ja sogar krötenartige Monster und Licht speiende Drachen als Erklärung herhalten.

Da Tom kaum ein Wort verstand, wurde ihm schnell langweilig, und er war froh, als wir unsere wilden Spekulationen endlich einstellten und zu seinem Thema, nämlich der Instandsetzung des alten Kahnes, übergingen.

In der Zwischenzeit hatten die Nachwuchsbootsbauer aus der halb verfaulten Nussschale eine kleine Jacht gezaubert. Aus Brettern hatten sie ein Oberdeck gezimmert, zudem den Mast verstärkt und den Kiel befestigt.

Bald kam die Sprache auf den ersten Einsatz unseres Bootes. Es war bereits beschlossene Sache, dass der ganze Archipel durchsegelt, alle Inseln auf einer Karte eingezeichnet und unterwegs neue Mitglieder für die Konföderation geworben werden sollten. Dass Tom der Kapitän sein würde, stand ebenfalls außer Frage. Wer jedoch die übrigen Besatzungsmitglieder sein würden, stand keineswegs fest, und mitfahren wollten fast alle.

Ehe sich die Diskussion in einen handfesten Streit auswachsen konnte, beendete sie Chris mit einem Machtwort. Er verließ wortlos den Saal und kam kurz darauf mit einer Handvoll Streichhölzer wieder zurück.

»Wir werden Hölzchen ziehen«, erklärte er. »Es sind vier kurze dabei, das ist die Besatzung.«

Es waren insgesamt acht Streichhölzer. Als Ersten ließ er Ilja ziehen: ein langes; als Nächster war Sershan an der Reihe, der es ihm mit einer gekünstelt schwungvollen Bewegung aus der Faust zog: auch ein langes; das erste kurze Hölzchen erwischte Timur; das zweite zog ich heraus und freute mich nicht einmal sonderlich, da ich irgendwie damit gerechnet hatte; jetzt streckte Tom die Hand aus, um zu ziehen, doch Chris zog seine Faust mit einem entrüsteten Blick zurück.

»Du fährst auf jeden Fall mit, Tom, schließlich bist du der Kapitän«, sagte er feierlich. »Und ich brauche auch

»Wenn du nicht ziehst, ist aber ein Streichholz zu viel da«, bemerkte Sershan scharfsinnig.

»Von wegen«, intervenierte Inga. »Ich bin schließlich auch noch da!« Mit wild entschlossener Miene trat sie zu Chris und entwand seinen zusammengepressten Fingern ein kurzes Hölzchen.

»Frau an Bord ist Selbstmord«, fabulierte Sershan enttäuscht.

Das letzte kurze Streichholz zog Janusch.

7

FÜNF AUF DEM OZEAN

An einem kühlen Abend, als es bereits dämmerte und der böige Nordwind sich zu einer sanften Brise verflüchtigt hatte, stach unser kleines Schiff, dem wir auf Vorschlag unseres pfiffigen australischen Kapitäns den Namen Aliens Nightmare gegeben hatten, von der Küste der Insel Nr. 36 in See. Den ganzen Vormittag hatten Tom und seine Bootsbauer damit zugebracht, ihrem Werk den letzten Schliff zu geben. Daraufhin hatten wir Tom genötigt, sich vor der Abfahrt ein paar Stunden schlafen zu legen. Nun, da der Moment des Ablegens gekommen war, prüften Tom und Timur noch einmal Vorräte und Ausrüstung: Proviant, Trinkwasser, Ersatzsegel, Fernglas. Alle Besatzungsmitglieder waren mit winddichten Jacken ausgestattet, die extra auf allen Inseln der Konföderation zusammengesucht worden waren.

Zur Bewaffnung gehörten neben unseren Schwertern auch Armbrüste. Die größte von ihnen, ohnehin zu sperrig und zu schwer für eine wirksame Verwendung im Kampfgetümmel, war auf einer Art schwenkbarem Geschützturm vor der Kajüte montiert worden. Timur hatte hartnäckig versucht, die Armbrust so umzubauen, dass drei Pfeile gleichzeitig damit abgeschossen werden konnten. Irgendwo hatte er gelesen, dass es solche Armbrüste gibt. Aber seine Konstruktion schoss die Pfeile in alle möglichen Richtungen, nur gerade nicht dorthin, wohin man zielte. Schließlich blieb ihm nichts anderes

Unsere zu einem kleinen Kriegsschiff umfrisierte Schaluppe glitt erstaunlich ruhig durchs Meer. Möglicherweise spielte der neue Kiel dabei eine Rolle, vermutlich gab es aber auch noch einen viel einfacheren Grund: Die Aliens Nightmare war schlichtweg überladen. Das Wasser strich gefährlich nahe an der Bordkante unter uns dahin, und einige kleinere Wellen hatten schon eine ordentliche Lache im Boot hinterlassen.

Etwa zwanzig Minuten lang standen wir neben Tom aufgereiht an Deck, als warteten wir auf etwas Außergewöhnliches, doch unsere Fahrt verlief vollkommen ruhig. Bei Einbruch der Dunkelheit verschwammen die Konturen der Burg in der Ferne, nur das Leuchtfeuer auf dem Wachturm trotzte mit seinem weißlichen Lichtschein der Finsternis. Unsere Gefährten hatten versprochen, es nun jede Nacht anzuzünden, damit wir im Fall eines Falles die Möglichkeit hätten, uns daran zu orientieren.

Die Aliens Nightmare segelte auf Kurs Südsüdost und drang allmählich immer tiefer in den Raum zwischen den Inseln Nr. 24 und Nr. 30 ein. In etwa einer Stunde sollten wir die Insel Nr. 27 passiert haben und in Höhe der Nr. 23 aufkreuzen, der letzten Insel der Konföderation. Auch mit unseren Verbündeten auf dieser Insel war abgesprochen, dass sie auf der Plattform ihres Wachturms ein Feuer entzünden sollten, an dem wir uns orientieren konnten. In Sichtweite dieses Leuchtfeuers wollten wir das Boot für den Rest der Nacht treiben lassen, bevor wir unseren Weg bei Tageslicht fortsetzen würden.

Als Erste verzog sich Inga in die Kajüte. Leise wünschte »light watch« eine angenehme Wache, womit sie bei unserem Kapitän eine gewisse Verwirrung auslöste. Sie hatte sich wohl nicht ganz korrekt ausgedrückt, obwohl alle anderen, einschließlich Janusch, sofort verstanden hatten, was sie meinte.

Zehn Minuten später streckte sich Timur, gab mir und Janusch einen Klaps auf die Schulter und sagte gähnend: »Kommt, wir hauen uns auch aufs Ohr.«

»Ja, gehen wir«, pflichtete ich ihm bei, zog meine Windjacke aus und streckte sie Tom hin. Der nickte schweigend und zog sie sich über, zusätzlich zu seiner eigenen. Diese Maßnahme schien ratsam, denn die Nacht auf dem zugigen Deck versprach noch um einiges frostiger zu werden als die ohnehin schon lausig kalten Nächte in unserer Burg.

Vorsichtig zwängten wir uns zwischen der linken Bordwand und der Kajütenwand hindurch nach achtern, was die Aliens Nightmare mit einem heftigen Schaukeln quittierte. Timur hüstelte so nachdrücklich wie möglich, um uns anzukündigen, dann öffnete er vorsichtig die Kajütentür.

Inga lag schon in ihrer Hängematte. Auf dem Tischchen brannte eine winzige Kerze. Uns bückend, schlüpften wir hinter Timur in die Kajüte.

»Ich wollte immer schon mal oben auf der linken Seite schlafen«, flüsterte Timur. Janusch nickte ihm zu und kroch in die untere Koje, während ich die Kerze auslöschte und mich in die letzte freie Hängematte schwang. Nachdem sich alle in eine bequeme Schlafposition gewälzt hatten, trat völlige Stille ein, nur das sanfte Rauschen des Wassers an der Bordwand war zu hören. Dann