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Plötzlich zog er seinen Dolch aus dem Gürtel, wiegte ihn ein paarmal in der Hand und schleuderte ihn dann blitzartig und ansatzlos mitten in die karge Prärie. Es war ein gezielter Wurf, Timur musste etwas bemerkt haben, was mir entgangen war.

Mit einem leisen, dumpfen Tschock bohrte sich die Klinge in einen der grauen Erdhügel. Eine Sekunde lang rührte sich nichts, dann ertönte ein kurzer, unterdrückter Schrei. Der Hügel ruckte, sah eine Sekunde wie zusammengestaucht aus und flog dann auseinander. Unter dem abgeworfenen Tarnumhang erhob sich ein hagerer,

»Jetzt sind wir angekommen«, flüsterte Timur und glitt von seinem Felsen herab.

Lautlos und flink sprangen nun weitere versteckte Kämpfer zwischen den Büschen hervor. Es waren sechs Jungen, alle nackt bis zum Gürtel, gelbhäutig und mit Schwertern bewaffnet. Drei von ihnen hielten wie Timur zwei Schwerter gleichzeitig in den Händen.

Rasch warf ich einen Blick zurück. Inga stand bei unserem Boot und verfolgte mit bangen Blicken das Geschehen. Tom steuerte, langsam rückwärtsgehend, auf die Aliens Nightmare zu, die wir weit ans Ufer gezogen hatten und deren Segel zusammengerollt und vertäut an Deck lag. Es würde mindestens fünf Minuten dauern, das Boot wieder flott zu machen. Nur Timur und ich konnten Inga und Tom diese fünf Minuten Zeit verschaffen.

»Ihr müsst fliehen!«, schrie ich, für einen Augenblick zu ihnen gewandt, während ich gleichzeitig meine Waffe aus dem Gürtel zog.

Wenn Zeit dazu gewesen wäre, hätte ich noch viel mehr zu sagen gehabt: dass wir keinerlei Chance gegen diese Übermacht hatten und uns ebenso gut gleich ins stürmische Meer stürzen konnten; dass Janusch uns mit seinem Absprung schmählich im Stich gelassen hatte; dass ich keine Lust hatte, im Kampf mit fremden Jungen

Selbst als ich mich wieder den Feinden zugewandt hatte, spürte ich Ingas Gegenwart in meinem Rücken. Vielleicht war das auch gut so, denn ich schwor mir, den Kampf nicht aufzugeben, ehe die Aliens Nightmare sich vom Ufer entfernen würde.

All diese Gedanken schossen mir in den wenigen Sekunden durch den Kopf, bevor sich die schlitzäugigen Jungen, die meiner Überzeugung nach Japaner waren, auf uns stürzten.

Als Ausgangsstellung wählte ich den »Pflug«, der sich im Kampf gegen mehrere Gegner gut eignet, da er die Feinde auf Distanz hält. Allerdings besteht bei dieser defensiven Kampftechnik die Gefahr, dass die Arme durch die ständigen Paraden bald ermüden. Fünf Minuten musste ich unbedingt durchhalten, nur fünf Minuten!

Die Angreifer teilten sich auf, drei gingen auf mich los, die drei übrigen kümmerten sich um Timur. Überraschenderweise machten sie nicht den Versuch, uns zu umgehen und zum Boot vorzustoßen. Ob sie dies für unfair erachteten?

Nachdem ich eine ganze Lawine von Hieben der Angreifer aufs Schwert bekommen hatte, begannen meine Unterarme unerträglich zu schmerzen. Deshalb änderte ich meine Taktik und wechselte zur Angriffstechnik »Windmühle« über, die Fechtmeister Timur höchstpersönlich entwickelt hatte. Dabei ging ich ein wenig in die Knie und zielte mit kreisendem Schwert auf die nackten Füße meiner Gegner. Die flinken Japaner sprangen reaktionsschnell hoch und entgingen so meiner Klinge.

Na wartet, dachte ich, man kann sich schließlich nicht ewig in der Luft halten. Blitzschnell vollzog ich eine Drehung auf den Fersen und wiederholte die »Windmühle«. Jetzt musste die Klinge ja wenigstens einen von ihnen erwischen. Leider täuschte ich mich. Die herabsausenden Körper der Jungen vollführten im letzten Moment eine Rolle vorwärts, und so entgingen ihre Beine erneut meinem Hieb. Zwar hätte mein Schwert ihnen dabei beinahe die Köpfe abgetrennt, aber »beinahe« zählte nicht bei diesem Spiel. Als ich die dritte »Windmühle« ansetzte, hatten die Jungen ihren Salto vorwärts schon in den Stand gebracht, und mein Schlag landete scheppernd auf ihren abwehrbereiten Schwertern.

Frustriert wechselte ich wieder in die Grundhut. Für einen Moment hatte ich einen Blick zurück zum Schiff gewagt, und was ich dort gesehen hatte, versetzte meinem Kampfgeist einen herben Dämpfer.

Tom hatte keineswegs die Ankerleine durchtrennt und war auch nicht damit beschäftigt, das Boot aus dem Kies aufs Wasser zu hieven. Stattdessen wühlte er in einem der auf dem Achterdeck liegenden Ausrüstungssäcke. Hatte er womöglich sein Schwert an Bord vergessen? Und Inga war dabei, uns zu Hilfe zu eilen.

»Macht, dass ihr hier wegkommt!«, schrie ich, während die Klingen der Japaner auf mich herabsausten. Es war zwecklos. Tom und Inga hätten uns nie im Stich gelassen, so wie ich das umgekehrt auch nicht getan hätte. Jetzt mussten wir eben bis zum Ende kämpfen. Drei Jungen und ein stures Mädchen gegen sechs durch den Tod ihres Gefährten bis aufs Blut gereizte Feinde.

Es war inzwischen sehr dunkel geworden, und die schwarze Wolkenwand hatte sich längst auch über die

Ein Blitz: Timur pariert mit dem einen Schwert einen Hieb, während er mit dem zweiten selbst zum Schlag ausholt. Es donnert, dann zuckt ein neuer Blitz: Timur wird noch immer von drei Angreifern bedrängt, aber von seiner hoch über dem Kopf geführten Klinge spritzen dicke, dunkle Tropfen. Wieder rollt ein Donner. Mein angreifender Gegner gibt sich eine Blöße, ich versuche, ihn mit einem Stich zu treffen - daneben. Nur mit Mühe kann ich mich selbst unter seiner todbringenden Klinge wegducken. Wieder blitzt es: Inga befindet sich bereits zwischen Timur und mir. Einer meiner Gegner lässt von mir ab und wendet sich ihr zu. Timurs Kontrahenten dagegen nehmen von Inga nicht die geringste Notiz. Sie haben schnell gemerkt, dass von Timur die größte Gefahr ausgeht.

Mehrere Blitze schlugen hintereinander in unmittelbarer Nähe des Kampfplatzes ein und tauchten das Geschehen in flutendes Licht. Als hätten sie nur auf diese prächtige Beleuchtung gewartet, überschlugen sich nun die Ereignisse.

Einen kräftigen Hieb, den ich weit ausholend mit einer Hand führte, stoppten meine zwei verbliebenen Gegner mit einer präzise koordinierten Bewegung, indem sie mir ihre Schwerter gleichzeitig entgegenstemmten. Hätte ich in diesem Augenblick ein zweites Schwert oder wenigstens einen Dolch in der freien Hand gehabt, wäre es für einen der beiden schlecht ausgegangen, mein Dolch aber steckte im Gürtel. Noch während ich mein Schwert wieder in eine Verteidigungsstellung zurückführte, schraubte

Ein dumpfer Schlag traf mich mit unfassbarer Wucht im Gesicht. Mir wurde schwarz vor Augen, meine Ohren fingen zu dröhnen an, aber ich fühlte keinen Schmerz und blieb bei Bewusstsein. Es gelang mir sogar, blind zurückzuschlagen, allerdings erzielte ich damit nicht die geringste Wirkung bei meinem Gegner, der erneut wie eine Feder in die Luft sprang und mir diesmal einen heftigen Fußtritt gegen die Brust versetzte.

Die Wucht des Stoßes warf mich rückwärts zu Boden, und ich schlug mit dem Hinterkopf gegen einen Stein. Rasender Schmerz schoss durch meinen gesamten Körper. Ich fühlte, wie mir Blut aus der Nase rann, und hörte mein Herz wild in der Brust hämmern. Das Schwert war mir aus der Hand gefallen und lag unerreichbar weit entfernt auf dem Boden. Halb bewusstlos nahm ich das Geschehen um mich herum wie durch einen dichten Schleier wahr. Ich sah Timur zu Boden gehen, wusste aber nicht, ob er gerade einem besonders heimtückischen Schlag auswich oder getroffen worden war. Ich sah, wie der Karatekämpfer, der mich zu Boden befördert hatte, sein Schwert über die Schulter schwang und auf mich zuging. Nur Inga konnte ich nirgends sehen, und das war das Schlimmste. Plötzlich kam mir der Gedanke, dass sie sie wohl nicht töten würden. Allerdings wusste ich nicht, ob das gut oder schlecht war.

Im blauen Licht eines Blitzes erstarrte das gezückte Schwert meines Gegners über meinem Gesicht. Da ich keine Kraft hatte, mich zu wehren, schloss ich einfach die

Ein gewaltiger Knall hämmerte gegen mein Trommelfell. Doch war dies kein Donner, sondern das kurze, peitschende Krachen eines Pistolenschusses. Dicke Tropfen spritzten auf mein Gesicht. Kein Regen, sondern heiße, salzige Tropfen.