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Mich trennten nur noch wenige Meter von der Plattform, als ich bemerkte, dass sich in einigem Abstand um sie herum kleine Wasserkämme kräuselten, so als zöge ein Schwarm kleiner Fischchen in einem fröhlichen Reigen darum herum. Muntere, unermüdliche Fischchen, die von Zeit zu Zeit mit den stählernen Schneiden ihrer Flossen das Wasser durchstießen …

In einer großen Welle kam die Plattform ins Schwanken und neigte sich ein wenig. Dabei tauchte etwa eine Armlänge von mir entfernt einer der Teilnehmer des Reigens auf: eine lange, gleichmäßig gebogene, in der Form an einen Elefantenstoßzahn erinnernde Metallstange, an deren Spitze ein Kranz kurzer, rotierender Messer abstand.

Das System war simpeclass="underline" Ein herannahender Schwimmer wurde von einer der unter Wasser rotierenden Stangen erfasst und geriet dann unweigerlich in die messerscharfen Klingen.

Mir blieben nur Bruchteile von Sekunden, um instinktiv das Richtige zu tun: Blitzartig warf ich die Arme nach vorn, griff hinter die Messer und krallte mich an der vor mir aufragenden Stange fest. Mit einem heftigen Ruck zog sie mich um die Plattform herum durchs Wasser. Wenn ich jetzt losgelassen hätte, wäre es aus mit mir gewesen, denn in meinem Rücken rauschte schon der nächste mit gierig rotierenden Messern bestückte Stoßzahn heran. Gegen die Strömung ankämpfend, hangelte ich mich an der Stange entlang langsam zum Rand der Plattform vor. Aus meinen Armen und Händen schwand

Die Metallstange war im unter Wasser befindlichen Teil der Plattform auf einem runden Sockel verankert. Als ich das Ende der Stange erreicht hatte, wurde ich fast vollständig unter Wasser gedrückt und musste krampfhaft nach Luft schnappen, wenn der Wellengang meinen Kopf für einen Moment freigab. Es schien nahezu unmöglich, auf die rutschige Oberfläche der Plattform zu gelangen. Ich warf meine rechte Hand nach oben, um mich an dem schmalen Vorsprung festzuhalten, rutschte jedoch sofort wieder ab und konnte mich nur mit Mühe mit der Linken an der Stange festhalten. Es musste doch irgendwie zu schaffen sein, auf die verdammte Plattform zu klettern. Andererseits: Was würde mir das bringen?

Die nächste größere Welle wogte heran und hob mich sanft nach oben. Entschlossen stieß ich mich vom Sockel der Stange ab und versuchte, mich von der Welle hochziehen zu lassen. Einen zweiten Versuch würde ich nicht haben. Entweder - oder.

Eine aus der Plattform herausstehende Rippe drückte schmerzhaft gegen meinen Brustkorb. Ich lag auf der nassen, kalten Metallplatte, wo die Welle mich unsanft abgesetzt hatte. Meine Beine hingen ins Wasser, während sich meine Hände zitternd vor Anstrengung an einem Vorsprung festklammerten.

Glück gehabt! Aufatmend robbte ich zur Mitte der Plattform, die nicht ganz so glatt war, wie ich befürchtet hatte. Auf ihrer Oberfläche befanden sich ohne ersichtliche

Die Plattform lag viel ruhiger im Wasser als unser Boot. Es gelang mir sogar, mich aufzurichten. Triefend und in der eisigen Umarmung des Windes vor Kälte zitternd, stand ich vor einer zauberhaften Kulisse. Warum nur konnte eine so heimtückische und grausame Lüge von so berauschender Schönheit sein, viel schöner, als die Wirklichkeit hätte sein können?

Anstelle verfaulter Holzbalken und Deckpaneele umgab mich in bunten Farben schillerndes Segeltuch, und anstelle eines modrigen Lagerraumgeruchs umwehte mich der mit feinem Ozon und Meersalz getränkte Wind. Jede Bewegung der Segel und jedes Schwanken des Klippers gebaren neue türkisfarbene Lichtblitze und Salven violetter, blauer und grellweißer Funkenregen.

Vielleicht lag es daran, dass sich hinter jeder Lüge ein Traum verbirgt. Eine echte Lüge muss schön sein, sonst glaubt sie keiner. Nur die Wahrheit kann sich den Luxus leisten, hässlich zu sein.

»Dima! Dimka!«

Wie aus der Ferne drangen Stimmen durch den Lärm des Windes und der Wellen. Während ich noch die bizarre Kehrseite der Fata Morgana mit ihren mörderischen Messern betrachtete, hatte ich die Aliens Nightmare für einen Augenblick völlig vergessen - dabei näherte sie sich bereits der »Bordwand« des Klippers. Timur und Inga standen auf dem Achterdeck am Steuerrad, Tom hantierte an irgendwelchen Tauen am Mast.

Mit einem Schlag begriff ich, was nun passieren würde.Aliens Nightmare mit seiner nichts ahnenden Besatzung im Innern des Klippers wiederfinden. Schrecken und Begeisterung würden folgen, Momente der atemlosen Verzauberung, in der die fantastische Schönheit des Blendwerks alles überstrahlen würde. Und dann würde das Boot durch den blauen Nebel hindurch auf die Plattform zutreiben.

Die stählernen Rammsporne würden die dünnen Bretter unseres Boots in Stücke hacken. Dieser Höllenapparat war nichts anderes als eine rotierende Fräse. Meine Freunde würden entweder von den Wellen weggespült und ertrinken oder das Schicksal des Bootes teilen. Wer sich wie durch ein Wunder auf die Plattform würde retten können, wäre auch verloren. Denn der Klipper des Verrückten Kapitäns würde niemals an Land gehen.

Sollte ich nun schreien? Oder ins Wasser springen und versuchen, zum Boot zu schwimmen? Hilflos blickte ich mich um. Um die Plattform herum pflügten die tödlichen Stoßzähne durchs Wasser. Von oben konnte man sie ausgezeichnet sehen. Es mochten acht oder zehn dieser stählernen Rammsporne sein. An einem davon hingen Bruchstücke halb verfaulter Holzbalken, die mit rostigen Drahtseilen zusammengebunden waren, und Teile einer Beplankung, die der Rammsporn durchstoßen hatte.

Es waren die Überreste eines Floßes. Wir sind nicht deine ersten Opfer, Verrückter Kapitän!

An der Stelle, an der die Aliens Nightmare die durchsichtige Hülle des Klippers berührte, drifteten dunkle, konzentrische Kreise auseinander, wie bei einer Pfütze, in die ein Stein geworfen wurde.

Auf einmal spürte ich durch die Jeans hindurch den kalten Stahl meines Schwerts.

Es war das erste Mal, dass ich einen so heftigen und blindwütigen Hass empfand, dass das Spielzeugschwert sich ganz von selbst in eine scharfe Waffe verwandelte. Noch niemals zuvor, weder auf der Erde noch auf den Inseln, hatte mich eine solche Welle von Abscheu und Zorn erfasst. Es war die hilflose Wut eines betrogenen und gedemütigten kleinen Jungen.

Aber immerhin hatte dieser Junge noch sein Schwert!

Mit grimmiger Entschlossenheit streckte ich die Klinge vor mir aus: Sie strahlte ein reines, eisig blaues Licht aus - war das eine Spiegelung oder leuchtete sie von selbst?

Eines habt ihr mich gelehrt, ihr verfluchten Inseln: zu hassen. Zu hassen und zu töten. Selbst in meine Liebe mischt sich Hass hinein. Jetzt werdet ihr ihn zu spüren bekommen!

Mit beiden Händen fasste ich das Schwert und holte weit aus, indem ich es hinter meinen Rücken schwang. Dabei ging ich ein wenig in die Knie, um das Schwanken der Plattform auszubalancieren. Und dann hieb ich mit aller Kraft auf die nasse Metallplatte zu meinen Füßen ein.

Das schrille Kreischen splitternden Metalls zerschnitt die Luft, während zu beiden Seiten der sich in die Platte bohrenden Klinge Fontänen orangegelber Funken aufstiegen. Mein Schwert hatte die Verkleidung der Plattform aufgeschlitzt.

»Dima!«

Die leuchtende Hülle der Schiffsattrappe erzitterte und veränderte ihre Farbe, wie eine Seifenblase, die man

Unser Boot war nur noch zehn Meter von der Plattform entfernt und hatte den zerstörerischen Rammspornen ausgerechnet die Breitseite zugewandt.

»Na, wie gefällt dir das?«, zischte ich. »Damit hast du nicht gerechnet, was?«

Den zweiten Schlag führte ich gezielt im spitzen Winkel zum schon vorhandenen Riss. Die Hebelwirkung der langen Klinge nutzend, gelang es nun erstaunlich leicht, ein dreieckiges Stück der Verkleidung aufzubiegen. Darunter quoll eine eklige blassrosafarbene Masse hervor. Es zischte, und an der Oberfläche des zähflüssigen Breis traten Gasblasen hervor, schwollen an, zerplatzten.