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Es gab keine Einwände. Selbst Timur, der bis zuletzt mit allen Mitteln versucht hatte, die Maschinengewehre wieder instand zu setzen, akzeptierte den Plan. Zusammen mit Chris machte er sich auf den Weg zur Burg, um den Detonator zu besorgen, wir anderen blieben auf der Brücke, um die Feinde in Schach zu halten, die zurückgekehrt waren und sich frech grinsend über unseren Misserfolg amüsierten. Auf der anderen Brücke hielten Meloman und Maljok die Stellung. Mit Toms Pistole bewaffnet, sollte das kein größeres Problem für sie sein.

Meine Idee, die Brücke zu sprengen, hatte rasch allgemeine Zustimmung gefunden. Das lag sicherlich auch daran, dass wir auf unserer Schiffsreise die französische Insel kennengelernt und mit eigenen Augen gesehen hatten, wie sehr die Jugendlichen dort davon profitierten, anstelle von drei nur zwei Brücken bewachen zu müssen. Ich selbst hatte keinerlei Zweifel an der Richtigkeit meines Plans gehegt.

Nun aber, da die Geschäftigkeit der Vorbereitungen hinter uns lag, kam ich ins Grübeln. Wir wussten schließlich nicht, was nach der Sprengung auf der Insel Nr. 4 tatsächlich passiert war. Vielleicht war es ja doch zu irgendeiner Art von Bestrafung gekommen. Zudem konnten wir sicher sein, dass die Außerirdischen unsere

Aber es war schon zu spät, um noch einmal zurückzurudern: Die Pulverkuriere kamen bereits zurück. Timur hatte eine kleine Blechdose in der Hand - es war eine der Wurstkonserven, von der sich die unseligen Kommunarden in der Kapelle ernährt hatten.

»Reicht das?«, fragte er und hielt mir die Blechdose unter die Nase.

Das Gefäß war zu drei Vierteln mit einem bräunlich grünen Pulver gefüllt.

»Das soll Schießpulver sein?«, fragte ich ungläubig, denn nach meiner Vorstellung hatte Schießpulver weiß wie Mehl oder Zucker zu sein.

Ich weiß nicht, was für eine Vorstellung von Schießpulver die anderen hatten, Timur jedenfalls ließen meine Zweifel völlig unbeeindruckt.

»Es ist Schießpulver. Wir haben eine Patrone ausgeleert und das Zeug angezündet. Schau!«, sagte er und streckte mir die Hand entgegen.

Seine Finger waren gerötet und an den Kuppen rußgeschwärzt.

»Ich habe die Hand nicht rechtzeitig weggezogen. Es war nur eine ganz kleine Menge.«

Beeindruckt beugte sich Tolik über die Dose und wäre dabei beinahe mit der Nase im Detonator gelandet. Timur stellte die Blechdose neben dem Dynamit auf den Boden, und Chris spähte triumphierend zu unseren Feinden hinüber, in deren zuvor noch schadenfrohe Mienen

Ilja klopfte mir von hinten auf die Schulter. »Dima, vielleicht sollten wir die Brücke lieber unten am Ansatz sprengen. Was meinst du, was das für ein Getöse gibt.«

Ich schüttelte den Kopf. Es war nicht unsere Aufgabe, ein größtmögliches Getöse zu veranstalten, sondern es ging nur darum, die Brücke unbenutzbar zu machen. Je geringer die Zerstörungen, die wir anrichteten, desto geringer würde auch der Zorn der Außerirdischen ausfallen. Davon hatten sich sicher auch die Franzosen leiten lassen, als sie ihre Brücke in der Mitte sprengten.

Timur schichtete die Dynamitstangen kunstvoll um die Blechdose, dann steckte er eine neue Zündschnur ins Schießpulver.

»Fertig.«

Alle schwiegen.Seltsam,beim vorhergehenden Sprengversuch hatten wir wohl eine Art Vorahnung gehabt, dass es nicht klappen würde. Diesmal jedoch sah unsere selbst gebastelte Sprengbombe schon fast professionell aus. In unseren Gesichtern stand Zuversicht. Die Jungen von der Nachbarinsel wirkten dagegen hektisch und besorgt. Sie hatten längst begriffen, dass sich ernsthaftes Unheil über der Brücke zusammenbraute, und traten abermals den Rückzug an.

»Macht euch vom Acker«, sagte schließlich Tolik. »Ich zünde die Lunte an.«

Alle waren erleichtert, dass Tolik, der mit Abstand schnellste Läufer unter uns, diese Aufgabe übernahm, denn die Zündschnur war diesmal beängstigend kurz geraten. Das Hanfwerg, aus dem Timur sie zusammengedreht hatte, war uns ausgegangen.

Wir gingen nicht ganz bis zur Burg hinunter, sondern blieben im unteren Bereich der Brücke stehen. Dass wir uns nicht ins Innere unserer Festung zurückzogen, war an sich bereits eine gewisse Provokation der Außerirdischen, aber wir wollten das Spektakel auf keinen Fall versäumen. Erst später wurde uns klar, wie unvorsichtig das von uns war.

Tolik, der gewartet hatte, bis wir unten angekommen waren, machte sich jetzt an der Lunte zu schaffen. Das Herz schlug mir bis zum Hals, denn plötzlich hatte ich das unerklärliche Gefühl, dass der Sprengsatz im nächsten Moment hochgehen würde. Ein Blitz, ein Knall, und Tolik würde für immer verschwinden.

Natürlich bildete ich mir das in der Aufregung nur ein. Alles lief glatt. Tolik steckte die Zündschnur in Brand und spurtete los. Schon nach kurzer Zeit standen wir alle beieinander und warteten, was passieren würde.

»Gleich knallt’s!«, hechelte Tolik.

Die Sekunden verrannen.

»Wenn sich wieder nichts rührt, gehe ich diesmal aber nicht dort hinauf«, nörgelte Timur grimmig. »Womöglich glimmt die Lunte nur langsam durch, und das Zeug geht erst in ein paar Minuten...«

Wumm!!!

Der Boden unter unseren Füßen erzitterte. Auf der Brücke oben entflammte ein riesiger Feuerball, aus dem in alle Richtungen Trümmerteile in die Luft schossen. Unter dem gewaltigen Donnerhall, der in Wellen über uns hinwegrollte, duckten wir uns zusammen, als würden die Marmorbrocken, die mit Getöse ins Meer fielen, direkt auf uns herabregnen.

Die Brücke geriet ins Schwingen, und zwar so heftig,

Wir hatten die Sprengkraft der unscheinbaren Dynamitstangen gewaltig unterschätzt. Die Hälfte davon hätte für die Sprengung leicht gereicht. Langsam pendelten die gegenläufig schwingenden Brückenhälften sich aus.

»Hilfe!«, schrie jemand verzweifelt.

Es war Iljas Stimme. Erschrocken blickte ich mich um. Offenbar war er übers Geländer gestolpert, als der Boden unter unseren Füßen zu beben begonnen hatte. Jetzt hing er über dem Wasser und hielt sich mit beiden Händen an einer Säule der Balustrade fest.

Auf den ersten Blick sah die Situation gar nicht so gefährlich aus, da die Brücke in diesem Bereich nur etwa fünf oder sechs Meter über das Meer ragte. Und welcher Junge wäre nicht schon einmal im Schwimmbad vom Fünfmeterturm gesprungen?

Leider befanden wir uns aber nicht im Schwimmbad, und wenn Ilja jetzt losließ, würde er nicht vom Fünfmeterturm, sondern von der Brücke stürzen. Und Stürze von der Brücke endeten auf den Inseln immer gleich, egal ob man aus hundert oder fünf Metern Höhe fiel.

Chris war als Erster bei Ilja. Er beugte sich über die Balustrade, packte ihn am Arm und zog ihn auf die Brücke zurück. Merkwürdigerweise sah Iljas Gesicht auf einmal verändert aus, irgendwie jünger.

Mit den Augen blinzelnd sah er sich verwirrt um. »Scheiße, meine Brille ist runtergefallen!«, fluchte er entsetzt. »Was soll ich denn jetzt machen?«

Chris zuckte mit den Achseln.

»Hauptsache, dir ist selbst nichts passiert«, beschwichtigte Tolik.

Ilja nickte und verzog das Gesicht. Er sah aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Stattdessen fragte er: »Was ist mit der Brücke? Ich sehe nichts.«

»Die ist hinüber«, sagte Timur und grinste zufrieden.

Die beiden Brückenhälften waren nun durch einen etwa zwanzig Meter breiten Zwischenraum getrennt, in dem noch einige dicke Rauchschwaden waberten. Auf dieser Brücke war das Große Spiel zu Ende.

»Und wie geht’s jetzt weiter?«, fragte Ilja.

Niemand antwortete.

9

WINTEREINBRUCH

Am nächsten Morgen weckte mich eine innere Rastlosigkeit. Das kam häufiger vor, auf der Insel wurde man in aller Regel aus dem Schlaf gerissen, bevor man richtig ausgeschlafen hatte. Am gestrigen Abend hatten wir noch lange zusammengesessen, innerlich aufgewühlt von unserer erfolgreichen Sabotageaktion. Erst gegen zwei Uhr nachts hatte Chris alle ins Bett geschickt.