»Ich bin Krieger und ein Alar«, sagte Hurtha. »Aber es ist richtig, daß ich Gedichte mag.«
»Buchstaben und Waffen sind nicht unvereinbar«, sagte ich. »Oft sind die größten Soldaten begabte Männer.«
»Ich habe daran gedacht, dorthin zu gehen, um mein Glück zu suchen«, sagte er.
»Was tätest du dort?«
»Mein Arm ist stark, und ich kann reiten.«
»Würdest du dich bei einem Hauptmann verdingen?«
»Ja«, antwortete er. »Wenn möglich, bei dem besten.«
»Auf Gor gibt es viele Streitigkeiten«, sagte ich. »Wie auch viele Hauptmänner.«
»Zuerst könnte ich mich bei irgend jemandem verdingen.«
»Viele Hauptmänner wählen ihre Aufträge auf den Waagen der Kaufleute aus«, sagte ich. »Sie wägen Eisen gegen Gold ab. Sie kämpfen für den Ubar mit dem umfangreichsten Geldbeutel, fürchte ich.«
»Ich bin ein Alar«, sagte Hurtha. »Die Städte führen ständig Krieg gegen uns. Es ist immer das Land gegen die Mauern. Gleichgültig, in welche Richtung ich mich wende oder gegen wen ich antrete, es wäre ein Schlag gegen den Feind.«
»Auf gewisse Weise bin ich ein Söldner«, sagte ich. »Aber für gewöhnlich habe ich mir meine Kämpfe mit Sorgfalt ausgesucht.«
»Das sollte man auch tun«, stimmte Hurtha mir zu. »Sonst geschieht es, daß man sein Glück nicht fördert.«
Ich sah ihn an.
»Ich kann mit der Vorstellung vom Vorhandensein der richtigen Seite nichts anfangen, wenn du davon sprichst«, sagte Hurtha. »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es so etwas wie die richtige Seite überhaupt gibt. Ich habe sie noch nie geschmeckt oder gesehen, oder gar gefühlt. Sollte es tatsächlich so etwas geben, dann bestimmt bei beiden Parteien, so wie das Sonnenlicht oder die Luft. Es hat mit Sicherheit noch keinen Krieg gegeben, in dem nicht beide Parteien behauptet hätten und auch davon überzeugt waren, im Recht zu sein. Wenn sich also beide Seiten stets für die richtige Seite halten, kann man also nichts Falsches tun, wenn man sich für eine davon entscheidet. Und wenn das der Fall ist, warum sollte man dann nicht auch für die Wagnisse bezahlt werden, die man eingeht?«
»Hast du jemals die Ehre gesehen, gefühlt oder gar geschmeckt?« fragte ich.
»Ja«, erwiderte Hurtha. »Ich habe die Ehre geschmeckt, sie gesehen und sie gefühlt, aber das ist nicht so, als würde man Brot schmecken, einen Felsen sehen oder eine Frau spüren. Es ist anders.«
»Vielleicht ist das bei der Schwierigkeit mit der richtigen Seite so ähnlich.«
»Vielleicht«, sagte Hurtha. »Aber das scheint mir eine sehr vertrackte, schwierige Angelegenheit zu sein.«
»Den Eindruck habe ich auch. Ich bin oft überrascht, warum anderen das anscheinend so leicht fällt.«
»Das ist wahr.«
»Vielleicht haben sie eine Gabe, dies zu spüren«, dachte ich laut nach.
»Schon möglich. Aber warum herrscht dann soviel Zwietracht unter ihnen?«
»Diese Frage kann ich nicht beantworten«, gab ich zu.
Die Armbänder wurden gebracht, schwere Armbänder aus Silber und Gold, und Genserix verteilte sie an hochrangige Gefolgsleute. Aus derselben Kiste holte er Münzen, die er unter den anderen verteilte. Selbst ich erhielt einen Silbertarsk. Offenbar besaß das Wagenvolk große Schätze. Der Tarsk kam aus Telnus. Diese scheinbar unbedeutende Tatsache bestärkte mich in der Überzeugung, daß zwischen den Manövern von Cos und dem Zug der Alar zur Straße des Genesian ein Zusammenhang bestand.
»Gibt es in den Städten solche Frauen?« fragte Hurtha und deutete auf Feiqa.
»Tausende.«
»Wir sollten uns mit den Belagerungstechniken besser vertraut machen«, lächelte Hurtha.
Feiqa zuckte zusammen.
»Man kann solche Frauen in der Stadt kaufen, auf Sklavenmärkten oder bei Kaufleuten. Sicherlich fändest du auch bei den Wagen welche, du mußt nur nach ihnen suchen. Du könntest sie scharenweise vorführen lassen, damit man sie sich ansieht, sie untersucht und bei Zufriedenheit erwirbt.« Interessanterweise waren mir in dieser Wagenburg noch keine Sklaven begegnet. Bei den Wagenvölkern im fernen Süden war das ganz anders. Dort waren wunderschöne Sklavinnen – in schamlos enthüllenden Chatkas und Curlas – mit winzigen Ringen in den Nasen etwas Alltägliches. »Du hast doch eben davon gesprochen, daß unter anderem auch Sklavenhändler zu euren Wagen kommen.«
»Ja«, sagte er. »Aber gewöhnlich nur um die Beute zu erwerben, die wir bei Raubzügen oder Kämpfen machen.«
»Warum gibt es hier so wenig Sklavinnen?«
»Die freien Frauen töten sie.«
Feiqa keuchte auf. Vermutlich war es vernünftiger, bald aufzubrechen. Sie war eine Schönheit, die Männer erotisch erregen konnte, und zwar auf eine unvorstellbare, betörende Weise. Ich hatte keine Lust, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Sie war genau die Art von Frau, die mit ihrer Hilflosigkeit, ihrem Kragen, ihrer Verletzlichkeit und der kurzen Tunika eifersüchtigen Haß hervorrufen konnte, einen Haß, der bei freien Frauen manchmal schon an Wahnsinn grenzte, vor allem bei den Häßlichen und sinnlich Unbefriedigten.
»Oh!« rief Feiqa aus, als Sorath sie beim Oberarm packte. Sein Griff war fest, unmißverständlich. Er wollte sie haben.
»Warte«, sagte ich und legte ihm die Hand auf den Arm.
»Ich soll warten?« fragte er.
»Ja«, sagte ich. »Warte.«
»Du bist kein Alar«, sagte er. »Ich werde sie mir nehmen.«
»Nein.«
»Das ist unser Lager.«
»Sie ist meine Sklavin.«
»Gib sie mir«, verlangte er. »Wenn ich sie dir zurückgebe, wird sie viel glücklicher sein.«
»Nein.«
»Im Lager tue ich das, was ich will.«
»Daran habe ich meine Zweifel.«
Er stand auf. Ich schloß mich ihm an. Er war ein Stück kleiner als ich, dafür aber außerordentlich breit und kräftig. Kein ungewöhnlicher Körperbau bei den Alar.
»Du hast von unserem Essen gegessen«, sagte Sorath.
»Und das habe ich gern getan. Vielen Dank.«
»Du bist hier Gast«, sagte Sorath.
»Und ich erwarte den damit verbundenen Respekt und die Höflichkeit.«
»Überlaß sie ihm doch für ein paar Ehn«, schlug Hurtha vor.
»Er hat nicht gefragt.«
»Dann frag ihn«, mischte sich ein Mann ein.
»Nein«, sagte Sorath.
Ich zuckte mit den Schultern.
»Holt zwei Äxte«, schlug Sorath vor.
»Er kennt sich mit der Axt nicht aus«, sagte Hurtha. »Er gehört nicht zum Wagenvolk.«
»Dann holt Schwerter!« brüllte Sorath.
»Eine Axt ist schon in Ordnung«, sagte ich. Ich hatte den Gebrauch der Waffe in Torvaldsland gelernt. Es war eigentlich unvorstellbar, daß es jemanden geben sollte, der den Torvaldsländern im Gebrauch der Axt überlegen war.
»Nehmt Äxte ohne Klingen«, befahl Genserix. Das war ein überraschender Vorschlag, aber ich hieß ihn willkommen. Es schien eine anständige Geste zu sein, die Genserix da machte. Nicht jeder Anführer der Alar wäre so rücksichtsvoll gewesen. So würde der Verlierer schlimmstenfalls einen aufgeschlagenen Kopf davontragen. Die Männer am Feuer grunzten zustimmend. Es schienen alle ziemlich anständige Burschen zu sein. Zu meiner Freude war Sorath einverstanden. Offenbar hegte er, nachdem sein Jähzorn verraucht war und er Zeit zum Nachdenken gehabt hatte, nicht den Wunsch, mich zu töten. Er wäre vermutlich damit zufrieden, mich bewußtlos zu schlagen. Am Morgen würde ich dann nackt und an einen Holzpflock außerhalb der Wagenburg gefesselt aufwachen. Ein paar Tage später, nachdem ich ausreichend über meine Undankbarkeit nachgegrübelt hätte, während ich wie ein Tarsk von Wasser aus einem Erdloch und Küchenabfällen gelebt hätte, ließe man mich vielleicht wieder frei, wenn die Wagen weiterführen; man gäbe mir die oft benutzte Feiqa zurück, möglicherweise mit einem frischen Alar-Brandmal, damit ich mich von Zeit zu Zeit an den Zwischenfall erinnerte.
Zwei sehr lange schwere Axtschäfte wurden gebracht.
Ich wog einen in der Hand. Er war gut ausbalanciert.
»Paß auf dich auf, Freund«, sagte Hurtha. »Sorath ist ein vorzüglicher Axtkämpfer.«