Выбрать главу

»Sehr gut.«

»Cos wird es nicht wagen, die Flüchtlinge verhungern zu lassen, denn es sind Bürger einer Stadt, die auf seine Seite übergewechselt ist. Sollte Cos nicht für sie sorgen, wäre das eine dunkle Lektion für jede noch schwankende oder unentschlossene Stadt und jedes Dorf im Umkreis eines Dutzends Horizonte. Es würde Ar stärken.«

»Richtig«, stimmte er mir zu.

»Was ist mit Torcodinos Garnison geschehen?« fragte ich.

»Die meisten Soldaten wurden im Schlaf überrascht. Man hat ihre Waffen ergriffen. Widerstand war sinnlos. Wir haben sie entwaffnet aus der Stadt getrieben.«

»Also werden sie wie die Bürger die Schwierigkeiten der Invasoren noch verschlimmern.«

»Genau.«

»Hast du sie durch das Joch marschieren lassen?« Dieses ganz besondere Joch besteht aus drei Speeren: Zwei hält man senkrecht, der dritte wird waagrecht an ihnen festgebunden. Die Gefangenen marschieren dann in Zweierreihen hindurch. Sie können unter dem waagrechten Speer – der Waffe des Feindes – nicht aufrecht gehen, sondern sind gezwungen, den Kopf zu senken und den Rücken zu krümmen. Manche Krieger wählen eher den Tod, bevor sie sich diesem Ritual unterwerfen. Manchmal verwendet man ein ähnliches Joch auch für die gefangenen Frauen einer Stadt, aber es ist viel niedriger, so daß sie meistens auf dem Bauch darunter herkriechen müssen. Allerdings besteht dieses Joch nicht aus Speeren, sondern aus Besenstielen, die aus der eroberten Stadt stammen, und von der Querstange baumeln Sklavenperlen.

»Nein«, sagte er, »es sind brave Jungs. Vielleicht werden einige von ihnen eines Tages in meiner Kompanie dienen.«

»Ich verstehe.«

Er wandte sich um und trat ans Fenster. Von hier aus sah man die Stadtmauer und eines der Aquädukte. Dann drehte er sich wieder zu mir um. »Du hast nicht versucht, mich zu töten.«

»Noch eine Probe?«

»Ja.«

»Das habe ich mir gedacht. Sonst hättest du einem unbekannten Fremden auch nicht den Rücken zugekehrt.«

Er lächelte. »Stimmt.«

»Ich habe es aber in Erwägung gezogen.«

»Es wäre schwierig gewesen, über den Tisch oder an eine der Waffen zu gelangen, ohne daß das Papier geraschelt hätte.«

»Und du hast mit einem möglichen Angriff gerechnet«, sagte ich. »Unter solchen Umständen fällt es schwer, sich an eine Person heranzuschleichen. Davon abgesehen hätte die Frau vermutlich einen Warnschrei ausgestoßen.«

»Hättest du mich gewarnt, Lady Cara?« fragte er.

»Ja!« stieß sie hervor.

»Trotz allem, was ich dir angetan habe?«

»Gerade weil du es mir angetan hast!« weinte sie. »Ich würde für dich sterben!«

»Warum das?«

»Eine Sklavin schuldet alles ihrem Herrn, ihre Leidenschaft, ihr Selbst, ihr Leben, alles! Es gehört dir, Herr!«

Er wandte sich wieder an mich. »Ich konnte mir nicht vorstellen, daß du mich angreifen würdest. Du bist zu vernünftig veranlagt. Außerdem hättest du keinen ausreichenden Grund. Und dann vermutest du, obwohl du dir nicht sicher bist, daß wir gemeinsame Ziele verfolgen.«

»Es gibt noch andere Gründe«, sagte ich. »Selbst wenn mir ein Angriff gelänge, ich käme kaum lebendig aus dem Semnium heraus.«

»Da ist das Fenster«, sagte er. »Aber du hast vorher nicht nachsehen können, ob es einen Sims gibt. Es gibt keinen. Aber du sagtest etwas von Gründen.«

»Da wäre noch der Respekt, den ich für dich empfinde, der Respekt vor dem Soldaten, dem Befehlshaber.«

»Bei vielen Männern behindern die Gefühle das Zweckmäßige. Vielleicht auch bei dir?«

»Manchmal, vielleicht.«

»Das werde ich mir merken. Vielleicht ist es mir irgendwann einmal von Nutzen.«

»Dein Eindringen durch die Aquädukte war eine großartige Idee«, sagte ich. »Und dann auch noch beide zu benutzen, wobei eins davon praktisch als Versicherung diente.«

»Es ist eine offensichtliche Strategie. Ich habe bereits seit Jahren darüber nachgedacht, sie jedoch bis jetzt nicht gebraucht.«

»Sonst wäre diese Taktik in die Militärgeschichte eingegangen, Teil der Heldentaten geworden, die man mit deinem Namen verbindet. Alle Garnisonen derart gefährdeter Städte wären vorgewarnt und unternähmen Schritte, um es zu verhindern.«

»Natürlich«, sagte er.

»Du hast dir diese Strategie für eine Gelegenheit aufgespart, die es wert war.«

»Für Torcodino.«

»Richtig.«

»Die Cosianer haben mittlerweile die Aquädukte geschlossen!«

»In der Stadt gibt es keine Wasserknappheit«, sagte ich. »Du greifst auf die ursprünglichen Brunnen zurück, die aus der Zeit vor den Aquädukten stammen. Die Vertreibung der Zivilbevölkerung sorgt dafür, daß sie für deine Zwecke mehr als nur reichen.«

Er lächelte.

»Aber ich fürchte, du hast nicht alle Möglichkeiten bedacht.«

»Das kann man so gut wie nie tun.«

»Mich stören da gewisse Schwierigkeiten, die auf der Hand liegen.«

»Sprich.«

»Es gibt keine Straße, die von Torcodino fortführt. Es hat den Anschein, als hättest du dich hier selbst festgesetzt. Die Stadtmauern sind umzingelt. Dein Heer ist klein. Cos wird eine beträchtliche Streitmacht in der Gegend belassen, zumindest im Vergleich mit deiner Mannstärke. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es dir gelänge, dir den Weg freizukämpfen. Und ich glaube auch nicht, daß du genug Tarns hast, um deine Soldaten über den Luftweg zu evakuieren.«

»Bemerkenswerte Gedanken.«

»Offenbar hast du mit Ar genau abgesprochene Pläne geschmiedet.«

»Nein. Ich habe nichts mit Ar abgesprochen.«

»Du stehst nicht im Sold von Ar?« fragte ich erstaunt. »Du hast alles auf eigene Initiative getan?«

»Ja«, antwortete er. »Die Macht von Ar und Cos muß ausgeglichen bleiben. Der Sieg einer der beiden Städte bedeutet das Ende der freien Söldnerheere.«

»Aber du rechnest doch sicher damit, daß Ar die Belagerung beendet.«

»Natürlich.«

»Und wenn das nicht der Fall sein sollte?«

»Das wäre sehr unerfreulich.«

»Du könntest mit den Cosianern verhandeln«, schlug ich vor. »Ich bin davon überzeugt, daß sie zu fast allen Bedingungen einlenken würden, daß sie dir und deinen Truppen Sicherheitsgarantien überließen, nur um Torcodino zurückzubekommen.«

»Glaubst du tatsächlich, daß sie uns nach allem, was wir hier getan haben, nach allen Schwierigkeiten, die wir ihnen bereitet haben, einfach auf Torcodino herausspazieren ließen?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Ich auch nicht«, sagte er mit einem Lächeln.

»Alles hängt also von Ar ab«, faßte ich zusammen. »Du hast für diese Stadt große Wagnisse auf dich genommen.«

»Für mich und die freien Söldner.«

»Ar hat scheinbar keine andere Wahl, als so zu reagieren, wie du erwartest.«

»So sieht es zumindest aus.«

»Und doch scheinst du dir Sorgen zu machen.«

»Das ist richtig. Komm mit.«

Wir traten durch eine Seitentür in einen Nebenraum. »Was hältst von diesem Vögelchen?« fragte er.

»Das ist schwer zu sagen.«

Er vergrub die Hand in ihrem Haar und riß ihren Kopf hoch. Sie schrie auf.

»Hübsch«, sagte ich. Sie trug Kragen und Brandmal. Als er ihr den Kopf zurückzog, wurde ihr Rücken gegen den kurzen Holzstab gedrückt, an den ihre angewinkelten Ellbogen gefesselt waren. Der Stab war an einem senkrechten Pfahl befestigt, das Ganze bildete ein ›T‹. Der Pfahl wiederum steckte in einer halben Meter hohen Plattform, auf der sie kniete. Die Fußgelenke waren zusammengefesselt, die Ketten um den Pfahl geschlungen. Handschellen und eine Kette, die um ihren Leib führte, vollendeten die Fesselung, die ihre Arme unverrückbar an Ort und Stelle hielten. »Sie könnte die Frau eines Hauptmanns sein.«