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»Nein, Herr!«

»Was bist du jetzt?«

»Eine Sklavin, nur eine Sklavin.«

»Wie lautete dein Name?«

»Lucilina!« keuchte sie.

»Luchita gefällt mir besser.«

»Ja, Herr, ich heiße Luchita.«

Er wandte sich ab und verließ den Raum. Ich schloß mich ihm an, warf jedoch noch einen Blick zurück über die Schulter. Die Sklavin Luchita sah ihm voller Ehrfurcht nach. Sie war wirklich hübsch.

»Was hast du von ihr erfahren?« fragte ich, nachdem die Tür wieder geschlossen war.

»Du darfst knien, Lady Cara!« befahl er.

Die Frau aus Venna erhob sich mit klirrenden Ketten vom Boden und nahm die Haltung einer Vergnügungssklavin ein, auf den Fersen hockend, den Rücken gerade, die Hände auf den Oberschenkeln, die Beine gespreizt.

»Wir haben eigentlich recht viel erfahren«, sagte er, »obwohl uns das meiste bereits aus anderen Quellen bekannt war oder wir es vermutet hatten. Zwei Dinge jedoch waren eine Überraschung.«

»Darf ich es erfahren?«

»Natürlich. Sonst hätte ich dich nicht kommen lassen. Allein aus diesem Grund bist du hier.«

Ich sah ihn aufmerksam an.

»Die Hauptstreitmacht von Cos befindet sich zur Zeit in der Nähe von Torcodino und belagert es.«

»Das ist doch sicher allgemein bekannt«, warf ich ein.

»Das sollte man annehmen. Aber wir haben von unserer kleinen Informantin nebenan zwei Dinge in Erfahrung gebracht – leider erst heute morgen –, die mich verblüffen und stören. Erstens bewegen sich mehrere cosische Regimenter von Brundisium aus ostwärts, und zwar parallel zum Vosk.«

»Auf Ar-Station zu?« dachte ich laut. Das war Ars Bollwerk am Südufer des Vosk, östlich von Jorts Fähre und westlich von Waldhafen, beides Städte am gegenüberliegenden Ufer.

»Das ist möglich.«

»Es muß ein Ablenkungsmanöver sein.«

»Ar-Station könnte bei einem Angriff von einer kleinen Streitmacht befreit werden«, sagte er, »und ein Marsch zur Küste würde die Cosianer von ihrer Basis in Brundisium abschneiden.«

»Das ist richtig.«

»Warum bereitet sich Ar dann darauf vor – und das ist die zweite interessante Information, sollte sie stimmen –, den größten Teil seines Heers nach Norden marschieren zu lassen, und zwar auf Ar-Station zu?«

»Das wäre verrückt.«

»Das haben cosische Spione aus Ar dem Polemarkos übermittelt.«

»Sie müssen sich irren.«

»Vielleicht«, meinte er nachdenklich.

»Die Hauptstreitmacht von Cos befindet sich hier in der Nähe von Torcodino«, erklärte ich. »Wenn Ar sein Heer nach Norden schickt, wäre der Weg nach Ar frei, von den Belagerungsgräben Torcodinos bis zu den Toren der Stadt. Das Land zwischen hier und Ar wäre ohne jede Verteidigung, von der Stadt selbst ganz zu schweigen.«

»Dafür gibt es nur eine vernünftige Erklärung. Der Hohe Rat von Ar weiß nicht, daß das Heer von Cos hier lagert.«

»Das kann ich kaum glauben.«

»Hast du eine andere Erklärung?« fragte er.

»Die Spione des Polemarkos haben sich einfach geirrt.«

»Vielleicht.«

»Es gibt natürlich noch eine andere Möglichkeit«, sagte ich. »Verrat in Ar.«

»Ein Verrat dieser Größenordnung?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Sicherlich hast du diesen Gedanken doch auch schon erwogen.«

»Ja, das habe ich in der Tat.«

»Warum hast du mich nach dem Voskdelta gefragt?«

»Weil ich den Marsch auf Ar-Station für ein Ablenkungsmanöver halte«, antwortete er. »Und weil die Cosianer ohne große Mühe von Brundisium abgeschnitten werden könnten.«

»Glaubst du, sie ziehen sich ins Flußdelta zurück?«

»Ich täte es«, sagte er.

Ich nickte. Er hatte recht. Ich hätte es auch getan.

»Und die Hauptstreitmacht Ars marschiert möglicherweise auf Ar-Station zu«, fuhr er finster fort.

Mich überlief eine Gänsehaut.

»Aber man wird sie nicht ins Delta locken können!« sagte ich. »Kein geistig gesunder Befehlshaber gäbe den Befehl, das ganze Heer ins Delta zu schicken. Zumindest nicht ohne vorher Führer und Transportmittel zu besorgen, sich um die Sicherstellung des Nachschubs zu kümmern, mit den Einwohnern der Gegend ein Abkommen zu schließen und dergleichen mehr.«

»An einem solchen Ort könnte ein ganzes Heer spurlos verschwinden.«

»Ar wird niemals in voller Heeresstärke nach Norden marschieren«, sagte ich. »Nicht, solange sich Cos vor Torcodino verschanzt.«

»Warum hat Ar bis jetzt noch nichts unternommen?«

»Das weiß ich nicht.«

»Ich kann Cos hier den ganzen Winter festhalten«, sagte er. »Aber das ist vermutlich auch schon alles.«

»Was soll ich tun?«

»Gnieus Lelius, Hoher Berater und Erster Minister von Ar, ist in Abwesenheit von Marlenus der Regent. Ich habe hier einen Brief, den er erhalten soll. Er beschreibt die Stellungen der Cosianer und die Situation in Torcodino. Ich habe auch einen Brief für Seremides, den Hohen General von Ar. Sie tragen das Siegel des Silbertarns. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es dir damit schwerfallen dürfte, eine Audienz zu bekommen.« Ich hatte einmal einen Seremides in Ar gekannt. Doch es war ein häufiger Name.

»Ich verstehe.«

»Den Briefen lege ich natürlich Passierscheine bei«, versprach er.

»Wie sollen wir durch die cosischen Linien kommen?« fragte ich. »Solche Papiere haben in Ar bestimmt ihr Gewicht, aber die Cosianer werden sie kaum beeindrucken.«

»Du und deine Begleiter werden mit anderen Zivilisten aus der Stadt gebracht, etwa tausend Personen, die man bis morgen festhält. Ich kann mir nicht vorstellen, daß du besondere Aufmerksamkeit auf dich ziehst. Cos unterstützt die Weiterreise dieser Flüchtlinge, da es wenig Lust verspürt, sich um sie zu kümmern.«

»Ich verstehe.«

»Wolltest du nicht sowieso nach Ar?« fragte er.

»Das schon«, mußte ich ihm recht geben.

»Du wirst für deine Mühen natürlich bezahlt werden.« Er warf einen prall gefüllten Geldbeutel auf den Tisch. Ich sah ihn an.

»Das ist hauptsächlich Silber«, sagte er. »Und ein paar Kupfermünzen. Gold würde nur Verdacht erregen.«

»Ich nehme an, ich bin nicht der erste, den du mit dieser Mission beauftragst.«

»Nein«, sagte er. »Du bist der fünfte. Ich habe sie schon von Tarnburg aus mit Briefen und Warnungen ausgesandt, und kürzlich von den Ufern des Issus aus.«

»Dann müssen deine Botschaften doch angekommen sein.«

»Anscheinend nicht. Zumindest habe ich bis jetzt noch keine Antwort erhalten.«

»Es könnte gefährlich werden«, gab ich zu bedenken.

»Das ist schon möglich. Ich an deiner Stelle würde mich vorsehen.«

»Und was ist, wenn ich es nicht tun möchte?«

»Niemand zwingt dich«, sagte er. »Ich würde dir Passierscheine ausstellen, die dich und deine Begleiter sicher durch meine Linien bringen.«

»Das ist sehr großzügig«, bemerkte ich. »Aber ich werde es tun.«

»Das habe ich gewußt.«

»Hast du mich darum nicht unter Druck gesetzt?«

»Natürlich. Du teilst meine Ansichten, was diese Überlegungen angeht.«

»Wünschst du, daß ich einen Eid ablege?«

»Das ist nicht nötig. Solltest du Erfolg haben, werde ich dir natürlich sehr dankbar sein.«

»Natürlich.«

»Ich habe den Ruf, gnadenlos zu meinen Feinden zu sein, zumindest wenn es meinen Zwecken dient«, sagte er. »Aber ich habe auch den Ruf, meinen Freunden gegenüber sehr großzügig zu sein.«

»Davon habe ich gehört.«

»Ich brächte meine Dankbarkeit zum Ausdruck. Vielleicht einen Beutel Gold oder hundert erstklassige cosische Frauen?«

»Nein, ich übernehme diesen Dienst aus freien Stücken und verfolge meine eigenen Ziele.«