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»Schreckliche Zeiten bringen schreckliche Dinge hervor, Mylord.«

Bolton fletschte die Zähne zu einer Miene, die man durchaus als Lächeln betrachten konnte. »Sind diese Zeiten wirklich so schrecklich, Maester?«

»Der Sommer ist vorbei, und das Reich hat vier Könige.«

»Ein König kann vielleicht schrecklich sein, aber vier?« Er zuckte die Achseln. »Nan, meinen Pelzumhang.« Sie reichte ihn ihm. »Bei meiner Rückkehr ist meine Kammer sauber und aufgeräumt«, sagte er zu ihr, während sie den Umhang vorn verschloss. »Und kümmere dich um Lady Waldas Brief.«

»Wie Ihr wünscht, Mylord.«

Der Lord und der Maester eilten hinaus und würdigten sie keines zweiten Blickes. Nachdem sie gegangen waren, nahm Arya den Brief, trug ihn zum Kamin, stocherte in der Glut und warf das Pergament hinein. Sie sah zu, wie es sich wellte, schwarz wurde und Feuer fing. Wenn die Lennisters Bran und Rickon ein Leid zugefügt haben, wird Robb sie einen nach dem anderen töten. Er wird niemals, nie, nie, niemals das Knie beugen. Vor denen hat er keine Angst. Aschestücke stiegen in den Schornstein auf. Arya hockte sich neben das Feuer und beobachtete die Ascheflocken durch einen Tränenschleier. Wenn Winterfell verloren ist, ist das hier dann mein neues Zuhause? Bin ich noch immer Arya, oder nur noch Nan, das Dienstmädchen, für immer und ewig und immer und ewig?

In den folgenden Stunden beschäftigte sie sich mit den Gemächern des Lords. Sie fegte die alten Binsen hinaus und verstreute neue, frisch duftende, sie zündete neues Feuer im Kamin an, wechselte die Bettwäsche und schüttelte das Federbett auf, sie leerte den Nachttopf und schrubbte ihn aus, trug einen Arm voll schmutziger Kleidung zu den Waschweibern, und holte eine Schale mit knackigen Herbstbirnen aus der Küche. Nachdem sie mit dem Schlafzimmer fertig war, ging sie eine halbe Treppe nach unten in das große Solar, einen zugigen Raum, der so groß war wie die Halle einer kleineren Burg, wo sie ebenfalls sauber machte. Die Kerzen waren zu Stümpfen herabgebrannt, also tauschte Arya sie gegen neue aus. Unter den Fenstern stand ein riesiger Eichentisch, an dem der Lord seine Briefe schrieb. Sie stapelte die Bücher ordentlich auf, setzte auch hier neue Kerzen in die Halter und sortierte Federn und Tinte und Siegelwachs.

Eine große, ausgefranste Schafshaut lag über den Papieren. Arya wollte sie schon zusammenrollen, da fielen ihr die Farben auf: das Blau von Seen und Flüssen, die roten Punkte von Burgen und Städten und das Grün von Wäldern. Sie breitete die Karte aus. DIE LÄNDER AM TRIDENT stand mit verzierten Buchstaben unter der Zeichnung. Die Karte zeigte die Gebiete von der Eng bis zum Schwarzwasser. Das da ist Harrenhal an der Spitze des großen Sees, erkannte sie, aber wo ist Schnellwasser? Dann entdeckte sie es. Schnellwasser ist gar nicht so weit entfernt …

Der Nachmittag war noch jung, doch da Arya ihre Arbeit bereits erledigt hatte, ging sie in den Götterhain. Ihre Arbeit als Lord Boltons Mundschenk war nicht so schwer wie die unter Wies oder Triefauge, obwohl sie sich wie ein Page kleiden und öfter waschen musste, als ihr lieb war. Die Jagdgesellschaft würde erst Stunden später zurückkehren, und so blieb ihr noch viel Zeit für ihre Nadelarbeiten.

Sie zerschlug Birkenblätter, bis die Spitze ihres abgebrochenen Besenstiels grün und feucht war. »Ser Gregor«, flüsterte sie. »Dunsen, Polliver, Raff der Liebling.« Sie drehte sich, sprang und balancierte auf den Fußballen, lief hierhin und dorthin und zerschmetterte Tannenzapfen. »Der Kitzler« nannte sie den einen, »den Bluthund« einen anderen. »Ser Ilyn, Ser Meryn, Königin Cersei.« Der Stamm einer Eiche ragte vor ihr auf, und Arya machte einen Ausfallschritt, spießte sie mit der Spitze auf und grunzte dabei: »Joffrey, Joffrey, Joffrey.« Arme und Beine waren vom Sonnenlicht und den Schatten der Blätter gesprenkelt. Schweiß bedeckte ihre Haut, als sie schließlich innehielt. Die Ferse ihres rechten Fußes blutete, wo sie sich gestoßen hatte, und so stand sie auf einem Bein vor dem Herzbaum und hob das Schwert zum Salut. »Valar morghulis«, sagte sie zu den alten Göttern des Nordens. Der Klang der Worte gefiel ihr.

Auf dem Weg zum Badehaus erspähte sie einen Raben, der über dem Schlag kreiste, und fragte sich, wo er wohl herkam und was für Nachrichten er brachte. Die Nachricht könnte von Robb sein und erklären, dass das mit Bran und Rickon nicht wahr ist. Wenn ich Flügel hätte, würde ich nach Winterfell fliegen und selbst nachschauen. Und wenn es doch wahr wäre, würde ich wegfliegen bis hinauf zum Mond und den leuchtenden Sternen, und all die Dinge sehen, von denen die Alte Nan erzählt hat, die Drachen und Seeungeheuer und den Titan von Braavos, und vielleicht würde ich nie wieder zurückfliegen, oder erst, wenn ich Lust dazu hätte.

Die Jagdgesellschaft kehrte am frühen Abend mit neun toten Wölfen heim. Sieben Tiere waren ausgewachsene große graubraune Bestien, wild und kräftig; im Tode hatten sie die Lefzen über die langen gelben Zähne zurückgezogen. Die anderen beiden jedoch waren noch Welpen gewesen. Lord Bolton gab Befehl, aus den Fellen eine Decke für sein Bett zu nähen. »Welpen haben noch ein weiches Fell, Mylord«, meinte einer seiner Männer. »Daraus könntet Ihr Euch ein hübsches Paar warmer Handschuhe machen lassen.«

Bolton sah hinauf zu den Bannern, die über dem Torhaus im Wind wehten. »Wie uns die Starks stets erinnern, der Winter naht. Kümmert Euch darum.« Als er Arya bemerkte, die ihn noch immer anstarrte, sagte er: »Nan, ich möchte einen Krug heißen gewürzten Wein. Im Wald war es frostig. Und sorg dafür, dass er nicht kalt wird. Ich werde heute Abend allein speisen. Haferbrot, Butter und Wildschwein.«

»Sofort, Mylord.« Das zu sagen war immer das Beste.

Heiße Pastete buk gerade Haferkekse, als sie in die Küche kam. Drei andere Köche entgräteten Fisch, während ein Küchenjunge ein Wildschwein über dem Feuer drehte. »Mylord wünscht sein Abendbrot und heißen gewürzten Wein, um es hinunterzuspülen«, verkündete Arya, »und er soll gefälligst warm sein.« Einer der Köche wusch sich die Hände, nahm einen Kessel und füllte süßen Rotwein hinein. Heiße Pastete wurde aufgetragen, die Gewürze zu mahlen, während der Wein heiß wurde. Arya ging zu ihm hinüber und half ihm.

»Ich kann das schon allein«, sagte er mürrisch. »Du brauchst mir nicht zu zeigen, wie man Wein würzt.«

Entweder hasst er mich auch, oder er hat Angst vor mir. Sie wich zurück, eher traurig als verärgert. Schließlich war das Essen fertig, und die Köche deckten es mit einem silbernen Deckel zu und wickelten ein dickes Tuch um den Krug, damit der Wein warm blieb. Draußen dämmerte es. Auf den Mauern hockten die Krähen um die Köpfe herum wie der Hofstaat um einen König. Die Wache am Königsbrandturm hielt ihr die Tür auf. »Hoffentlich ist das keine Wieselsuppe«, scherzte der Mann.

Als sie eintrat, saß Roose Bolton am Kamin und las in einem dicken, in Leder gebundenen Buch. »Zünde die Kerzen an«, befahl er und blätterte um. »Es wird langsam dunkel. «

Sie stellte das Essen auf den Tisch neben ihn und tat dann, was er ihr aufgetragen hatte; kurz darauf wurde der Raum von flackerndem Licht durchflutet und vom Geruch der Gewürznelken erfüllt. Bolton blätterte noch einige Male um, dann schlug er das Buch zu und legte es vorsichtig ins Feuer. Er sah zu, wie die Flammen es verzehrten, und seine hellen Augen leuchteten im Licht. Das alte trockene Leder fing mit einem Wusch Feuer, und die gelben Seiten bewegten sich, während sie brannten, als würde ein Geist sie lesen. »Heute Abend brauche ich dich nicht mehr«, sagte er, ohne sie anzublicken.

Sie hätte gehen sollen, leise wie eine Maus, doch der Leichtsinn hatte wohl Besitz von ihr ergriffen. »Mylord«, fragte sie, »werdet Ihr mich mitnehmen, wenn Ihr Harrenhal verlasst?«