Выбрать главу

Ein Pferd wieherte leise, als sie in den dunklen Stall schlüpfte. Die Burschen schliefen. Sie stieß einen mit dem Fuß an, bis er sich benommen aufrichtete und fragte: »Hö? Was?«

»Lord Bolton braucht drei gesattelte Pferde.«

Der Junge erhob sich und zupfte Stroh aus seinem Haar. »Was, um diese Zeit? Pferde, sagst du?« Blinzelnd betrachtete er das Wappen auf ihrem Wams. »Wofür braucht er denn im Dunkeln Pferde?«

»Lord Bolton ist es nicht gewöhnt, sich von seinen Dienern Fragen stellen zu lassen.« Sie verschränkte die Arme.

Der Stallbursche starrte auf den gehäuteten Mann. Er wusste, was dieser bedeutete. »Drei, sagst du?«

»Eins, zwei, drei. Jagdpferde. Schnell und trittsicher.« Arya half ihm beim Satteln, damit er keinen der anderen wecken musste. Sie hoffte, er würde hinterher nicht allzu streng bestraft werden, aber sie wusste, dass das unwahrscheinlich war.

Die Pferde durch die Burg zu führen, war der schwierigste Teil. Wann immer es möglich war, hielt sie sich im Schatten der großen Mauer, wo die Wachen auf den Wehrgängen steil nach unten schauen mussten, um sie zu bemerken. Und wenn schon? Ich bin der Mundschenk des Lords. Es war eine kalte Herbstnacht. Wolken trieben aus dem Westen heran und verbargen die Sterne, und der Klageturm schrie bei jedem Windstoß traurig auf. Es riecht nach Regen. Arya wusste nicht, ob das gut oder schlecht für ihre Flucht war.

Niemand sah sie, sie selbst sah auch niemanden, nur eine grauweiße Katze, die an der Mauer des Götterhains entlanglief. Das Tier fauchte sie an und weckte Erinnerungen an den Roten Bergfried und ihren Vater und Syrio Forel. »Ich könnte dich fangen, wenn ich wollte«, sagte sie, »aber ich muss gehen, Katze.« Die Katze fauchte erneut und lief davon.

Der Geisterturm war der verfallenste von Harrenhals fünf riesigen Türmen. Dunkel und verlassen stand er hinter den Ruinen einer eingestürzten Septe, wo seit fast dreihundert Jahren nur mehr Ratten beteten. Dort wartete sie auf Gendry und Heiße Pastete. Es schien, als wartete sie eine lange Zeit. Die Pferde knabberten an dem Unkraut, das zwischen den Steinen wuchs, während die Wolken die letzten Sterne verschluckten. Arya zog den Dolch und wetzte ihn, nur um sich zu beschäftigen. Mit langen, sanften Streichen, wie Syrio es ihr beigebracht hatte. Das leise Scharren beruhigte sie.

Sie hörte sie, lange bevor sie zu sehen waren. Heiße Pastete keuchte, einmal stolperte er in der Dunkelheit, stieß sich das Schienbein an und fluchte laut genug, um halb Harrenhal zu wecken. Gendry war leiser, doch die Schwerter, die er trug, klirrten bei jeder Bewegung. »Hier bin ich.« Sie erhob sich. »Seid leise, sonst wird man euch hören.«

Die Jungen stiegen über die verstreuten Steine. Gendry trug ein geöltes Kettenhemd unter seinem Mantel, und seinen Schmiedehammer hatte er über die Schulter gelegt. Heiße Pastetes rotes Gesicht lugte aus einer Kapuze hervor. In der rechten Hand trug er einen Sack Brot, unter den linken Arm hatte er ein großes Käserad geklemmt. »An dem Seitentor steht eine Wache«, flüsterte Gendry. »Ich habe es dir doch gesagt.«

»Ihr bleibt mit den Pferden hier«, erwiderte Arya, »und ich kümmere mich darum. Kommt schnell, wenn ich rufe.«

Gendry nickte. Heiße Pastete meinte: »Schrei wie eine Eule, wenn wir kommen sollen.«

»Ich bin keine Eule«, sagte Arya. »Ich bin ein Wolf. Ich werde heulen.«

Allein schlich sie durch den Schatten des Geisterturms. Sie beeilte sich, damit sie ihrer Angst vorauslief, und sie fühlte sich, als ginge Syrio Forel neben ihr, und Yoren und Jaqen H’ghar und Jon Schnee. Sie hatte das Schwert nicht mitgenommen, das Gendry für sie mitgebracht hatte, noch nicht. Für das hier war der Dolch besser geeignet. Er war gut gearbeitet und scharf. Das Seitentor war das unwichtigste von allen Toren Harrenhals, eine schmale Tür aus starken Eichenbohlen, die mit Eisennägeln beschlagen war und in einer Nische zwischen der Mauer und einem kleinen Turm saß. Nur ein Mann hielt dort Wache, doch sie wusste, oben im Turm würden weitere sein, und andere patrouillierten in der Nähe auf der Mauer. Was auch immer geschah, sie musste still wie ein Schatten sein. Er darf nicht schreien. Die ersten Regentropfen fielen. Einer landete auf ihrer Stirn und rann langsam ihre Nase hinunter.

Sie versuchte gar nicht erst, sich verborgen zu halten, sondern trat offen auf die Wache zu, als habe Lord Bolton persönlich sie geschickt. Er blickte ihr neugierig entgegen; was führte zu dieser Stunde einen Pagen hierher? Als sie näher kam, sah sie, dass er ein Nordmann war, dünn und sehr groß und in einen ausgefransten Fellmantel gehüllt. Das war schlecht. Einen Frey oder einen Tapferen Kameraden hätte sie überlisten können, die Grauenstein-Männer dagegen hatten Roose Bolton ihr ganzes Leben lang gedient und kannten ihn besser als sie. Und wenn ich ihm sage, ich sei Arya Stark, und er soll mich durchlassen … Nein, das wagte sie nicht. Er war ein Nordmann, doch nicht aus Winterfell. Er gehörte zu Roose Bolton.

Sie schob ihren Mantel zurück, damit er den gehäuteten Mann auf ihrer Brust sehen konnte. »Lord Bolton schickt mich.«

»Um diese Zeit? Weshalb?«

Unter dem Fell bemerkte sie das Glitzern von Stahl, und sie hatte keine Ahnung, ob sie kräftig genug war, den Dolch durch ein Kettenhemd zu bohren. Die Kehle, ich muss die Kehle nehmen, aber er ist so groß, ich werde nie drankommen. Einen Augenblick lang fehlten ihr die Worte. Und für einen Moment war sie wieder ein kleines Mädchen, und der Regen, der ihr übers Gesicht rann, fühlte sich wie Tränen an.

»Er hat mir gesagt, ich solle allen Wachen ein Silberstück geben für ihre guten Dienste.« Die Worte waren plötzlich einfach da.

»Silber, sagst du?« Er glaubte ihr nicht, wünschte sich aber, dass es wahr wäre; Silber war schließlich Silber. »Dann gib mal her.«

Sie steckte die Hand in ihr Gewand und holte die Münze hervor, die Jaqen ihr geschenkt hatte. Im Dunkeln mochte das Eisen wie angelaufenes Silber aussehen. Sie hielt sie ihm hin … und ließ sie durch die Finger gleiten.

Er verfluchte sie leise, ging auf die Knie und wollte die Münze vom Boden aufheben. Jetzt hatte sie seinen Hals genau vor sich. Arya zog den Dolch und fuhr damit quer über seine Kehle, die weich war wie Sommerseide. Blut traf ihre Hände mit heißem Strahl. Der Mann versuchte zu schreien, doch auch sein Mund war voll Blut.

»Valar morghulis«, flüsterte sie, während er starb.

Als er sich nicht mehr rührte, hob sie die Münze auf. Draußen vor den Mauern von Harrenhal heulte ein Wolf lange und laut. Sie hob den Riegel, schob ihn zur Seite und öffnete die schwere Eichentür. Als Heiße Pastete und Gendry mit den Pferden kamen, regnete es bereits heftig. »Du hast ihn umgebracht!«, stieß Heiße Pastete hervor.

»Was hast du denn geglaubt, was ich tun würde?« Das Blut an ihren Fingern war klebrig, und der Geruch machte ihre Stute nervös. Es macht nichts, dachte sie und schwang sich in den Sattel. Der Regen wird sie wieder sauber waschen.

SANSA

Der Thronsaal war ein Meer aus Edelsteinen, Pelzen und edlen Stoffen. Lords und Ladys füllten den hinteren Teil der Halle, standen neben den hohen Fenstern und schwatzten wie Fischweiber am Hafen.

Joffreys Höflinge hatten alles getan, um sich gegenseitig auszustechen. Jalabhar Xho trug bunte Federn, ein Gefieder von solcher Extravaganz, dass er aussah, als würde er sich jeden Moment in die Lüfte erheben. Die Kristallkrone des Hohen Septons schoss Regenbögen durch den Raum, sobald er den Kopf bewegte. Am Ratstisch glänzte Königin Cersei in einem Kleid aus Goldtuch, das mit burgunderrotem Samt unterlegt war, während Varys, der sich neben ihr spreizte, in violetten Brokat gehüllt war. Mondbub und Ser Dontos trugen neue Narrenkostüme, sauber wie ein Frühlingsmorgen. Sogar Lady Tanda und ihre Töchter sahen hübsch aus in ihren zueinanderpassenden Kleidern aus türkisfarbener Seide, und Lord Gil hüstelte in ein rotes Seidentuch mit goldenem Saum. König Joffrey saß über allen Anwesenden auf den Klingen und Spitzen des Eisernen Throns. Er trug scharlachroten Samt, und sein schwarzer Mantel war mit Rubinen besetzt. Auf seinem Kopf saß die schwere goldene Krone.