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»Ich fürchte mich nicht vor dem Tod.« Das war nur halb gelogen.

»Möglicherweise wird es nicht so leicht für dich werden, Jon.«

Er verstand nicht. »Was meint Ihr damit?«

»Wenn sie uns erwischen, musst du dich ergeben.«

»Ergeben?« Er blinzelte ungläubig. Die Wildlinge nahmen die Männer, die sie Krähen nannten, nicht gefangen. Sie töteten sie, es sei denn … »Sie verschonen nur Eidbrüchige. Die, die sich ihnen anschließen, wie Manke Rayder.«

»Und wie dich.«

»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Niemals. Bestimmt nicht.«

»Doch. Ich befehle es dir.«

»Ihr befehlt es mir? Aber …«

»Unsere Ehre bedeutet uns nicht mehr als das Leben, solange es um die Sicherheit des Reiches geht. Bist du ein Mann der Nachtwache?«

»Ja, aber …«

»Kein Aber, Jon Schnee. Entweder bist du einer oder nicht.«

Jon richtete sich auf. »Ich bin ein Mann der Nachtwache. «

»Dann hör mir zu. Wenn wir angegriffen werden, wirst du dich ihnen anschließen, ganz so, wie dich das Wildlingsmädchen gedrängt hat. Sie werden vielleicht von dir verlangen, deinen Mantel zu zerschneiden, bestimmt wirst du einen Eid beim Grabe deines Vaters schwören und deine Brüder und den Lord Kommandanten verfluchen müssen. Du wirst tun, was sie von dir verlangen … doch im Herzen wirst du nicht vergessen, wer und was du bist. Reite mit ihnen, iss mit ihnen, kämpfe mit ihnen, solange es nötig ist. Und beobachte.«

»Auf was soll ich achten?«

»Wenn ich das wüsste«, sagte Qhorin. »Dein Wolf hat sie im Tal des Milchwasser graben gesehen. Was suchen sie an einem so öden, fernen Ort? Haben sie es schon gefunden? Das musst du in Erfahrung bringen, ehe du zu Lord Mormont und deinen Brüdern zurückkehrst. Diese Pflicht erlege ich dir auf, Jon Schnee.«

»Ich werde tun, was Ihr sagt«, antwortete Jon widerwillig, »aber … Ihr werdet es ihnen sagen, nicht? Dem Alten Bären wenigstens? Ihr werdet ihm erzählen, dass ich mein Gelübde nicht gebrochen habe.«

Qhorin Halbhand blickte ihn über das Feuer hinweg an, wobei seine Augen in tiefen Schatten verschwanden. »Wenn ich ihn wiedertreffe, werde ich es ihm sagen. Das schwöre ich.« Er deutete auf das Feuer. »Hol noch etwas Holz. Ich möchte es hell und warm haben.«

Jon ging los, schnitt weitere Zweige ab und brach jeden in der Mitte durch, ehe er ihn in die Flammen warf. Der Baum war schon seit langer Zeit tot, doch im Feuer schien er zu neuem Leben zu erwachen, denn in jedem Stück Holz steckten brennende Tänzer, die ihre glühenden gelben, roten und orangefarbenen Kleider herumwirbelten.

»Genug«, sagte Qhorin plötzlich. »Jetzt reiten wir los.«

»Reiten?« Jenseits des Feuers war es dunkel, und die Nacht war kalt. »Wohin?«

»Zurück.« Qhorin stieg noch einmal auf sein müdes Pferd. »Das Feuer wird sie herlocken, hoffe ich. Komm, Bruder.«

Jon zog sich die Handschuhe an und streifte die Kapuze über. Sogar die Pferde wollten das Feuer nicht verlassen. Die Sonne war schon lange untergegangen, und nur der kalte silberne Glanz des Halbmonds beleuchtete den heimtückischen Grund. Er wusste nicht, was Qhorin vorhatte, doch vielleicht war es eine Chance. Hoffentlich. Ich will nicht den Eidbrüchigen spielen, auch nicht aus gutem Grund.

Vorsichtig bewegten sie sich so leise voran, wie Mann und Pferd es nur konnten, ritten in ihren Spuren zurück, bis sie den Eingang einer schmalen Schlucht erreichten, wo ein eisiger kleiner Bach zwischen zwei Bergen hervorströmte. Jon erinnerte sich an die Stelle. Hier hatten sie vor Sonnenuntergang die Pferde getränkt.

»Das Wasser gefriert«, erklärte Qhorin, »sonst würden wir im Bachbett reiten. Aber wenn wir das Eis brechen, werden sie es bestimmt sehen. Halt dich dicht an der Steilwand. Nach einer halben Meile kommt eine Biegung, und dahinter sind wir gut versteckt.« Er lenkte sein Pferd in die Schlucht. Jon warf dem fernen Feuer einen letzten wehmütigen Blick zu und ritt ihm nach.

Je weiter sie kamen, desto enger rückten die Felsen zusammen. Die beiden Reiter folgten dem mondbeschienenen Band des Bachs zu seiner Quelle. Eiszapfen hingen am steinigen Ufer, doch unter der harten Kruste rauschte das Wasser.

Ein großes Felsgewirr blockierte dort, wo ein Überhang abgebrochen war, den Weg, doch die trittsicheren kleinen Pferde überwanden das Hindernis. Auf der anderen Seite machte der Weg eine scharfe Biegung, und der Bach führte sie zum Fuß eines hohen Wasserfalls. Die Luft war voller Dunst, wie vom Atem eines riesigen kalten Tieres. Das herabstürzende Wasser glänzte silbern im Mondlicht. Jon blickte sich bestürzt um. Hier gibt es keinen Ausweg. Er und Qhorin könnten an den Felsen hochklettern, jedoch nur ohne die Pferde. Zu Fuß würden sie nicht weit kommen.

»Rasch jetzt«, befahl Halbhand. Der große Mann ritt auf seinem kleinen Pferd über die eisglatten Steine genau in den Vorhang aus Wasser und verschwand. Als er nicht wieder auftauchte, gab Jon seinem Tier die Sporen und folgte ihm. Das Pferd wollte scheuen. Das herabstürzende Wasser schlug mit gefrorenen Fäusten auf sie ein, und die Kälte verschlug Jon den Atem.

Dann war er durch; nass und zitternd zwar, doch durch.

Die Lücke im Felsen war gerade groß genug, um einen Mann und ein Pferd durchzulassen, dahinter jedoch öffneten sich die Felswände, und der Boden bestand aus weichem Sand. Jon fühlte, wie die Wasserspritzer in seinem Bart gefroren. Geist sprang mit einem wilden Satz durch den Wasserfall, schüttelte sein Fell und schnüffelte misstrauisch in die Dunkelheit hinein; dann hob er das Bein und markierte eine der Felswände. Qhorin war bereits abgestiegen. Jon tat es ihm nach. »Ihr kanntet diesen Ort.«

»Als ich in deinem Alter war, hörte ich einen Bruder erzählen, wie er eine Schattenkatze durch diesen Wasserfall verfolgt hat.« Er sattelte sein Pferd ab und strich ihm durch die zottelige Mähne. »Es gibt einen Weg mitten durch den Berg. Bei Tagesanbruch werden wir weiterziehen, wenn sie uns bis dahin nicht gefunden haben. Ich übernehme die erste Wache, Bruder.« Qhorin setzte sich in den Sand, lehnte sich an die Wand und war im Dämmerlicht der Höhle kaum mehr als ein schwarzer Schatten. Durch das Rauschen des Wassers hörte Jon das leise Klirren von Stahl, demnach hatte Halbhand sein Schwert gezogen.

Er zog seinen nassen Mantel aus; um mehr Kleidung abzulegen, war es jedoch zu kalt und feucht. Geist streckte sich neben ihm aus und leckte seinen Handschuh ab, ehe er sich zum Schlafen zusammenrollte. Jon war dankbar für seine Wärme. Er fragte sich, ob das Feuer draußen wohl noch immer brannte oder ob es schon erloschen war. Sollte die Mauer jemals fallen, werden alle Feuer ausgehen. Der Mond schien durch den Wasservorhang herein und legte einen schimmernden hellen Streifen über den Sand, doch nach einer Weile verschwand auch dieser, und dann war es dunkel.

Endlich kam der Schlaf und mit ihm die Albträume. Er träumte von brennenden Burgen und toten Männern, die sich aus ihren Gräbern erhoben. Qhorin weckte ihn, als es noch dunkel war. Während Halbhand schlief, lehnte sich Jon an die Höhlenwand, lauschte dem Wasser und wartete auf die Morgendämmerung.

Bei Tagesanbruch kauten sie einen halb gefrorenen Streifen Pferdefleisch, dann sattelten sie die Pferde und legten ihre schwarzen Mäntel um. Während seiner Wache hatte Halbhand ein halbes Dutzend Fackeln angefertigt, aus Bündeln von trockenem Moos, das er in seinen Satteltaschen mitgebracht und mit Öl getränkt hatte. Die Erste zündete er nun an und ging mit der hellen Flamme voraus in die Dunkelheit. Jon folgte ihm mit den Pferden. Der steinige Pfad wand sich, führte erst nach unten, dann nach oben und wieder nach unten, diesmal steiler. An manchen Stellen wurde er so eng, dass er den Pferden gut zureden musste, damit sie sich hindurchzwängten. Wenn wir hier herauskommen, werden sie unsere Spur verloren haben, redete er sich ein. Nicht einmal ein Adler kann durch massiven Stein blicken. Sie werden uns verloren haben, und wir werden so schnell wir können zur Faust reiten, wo wir dem Alten Bären alles berichten werden, was wir wissen.