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Lennister schnaubte. »Zauberei ist die Soße, die Dummköpfe über ihre Fehler gießen, um damit den Geschmack ihrer Unfähigkeit zu überdecken. Mein schafsköpfiger Onkel hatte anscheinend nicht einmal Wachposten aufgestellt. Sein Heer bestand aus einfachen Leuten – Lehrlingen, Minenarbeitern, Landarbeitern, Fischern und dem Abschaum von Lennishort. Das einzige Geheimnis ist, wie Euer Bruder ihn erreichen konnte. Unsere Streitkräfte halten die Festung am Goldzahn noch immer, und sie schwören, dort sei er nicht entlanggekommen.« Der Zwerg zuckte gereizt die Achseln. »Nun, mit Robb Stark soll sich mein Vater herumplagen. Und ich mich mit Joffrey. Sagt mir, was empfindet Ihr für meinen königlichen Neffen?«

»Ich liebe ihn von ganzem Herzen«, erwiderte Sansa sofort.

»Wirklich?« Er klang kaum überzeugt. »Sogar jetzt noch?«

»Meine Liebe für Seine Gnaden ist größer als je zuvor.«

Der Gnom lachte laut. »Nun, da hat Euch jemand beigebracht, sehr gut zu lügen. Eines Tages werdet Ihr dafür dankbar sein, Kind. Ihr seid doch noch ein Kind, oder? Oder seid Ihr bereits zur Jungfrau erblüht?«

Sansa errötete. Die Frage war unverschämt, doch gegenüber der Schande, vor der halben Burg entblößt zu werden, war sie nichts. »Nein, Mylord.«

»Das ist gut. Falls es Euch tröstet, ich beabsichtige nicht, Euch jemals mit Joffrey zu vermählen. Keine Heirat, fürchte ich, kann nach allem, was geschehen ist, die Starks und Lennisters wieder versöhnen. Zu schade auch. Diese Verbindung gehörte zu König Roberts besseren Einfällen, allerdings hat Joffrey die Sache gründlich verdorben.«

Sie wusste, dass sie darauf etwas antworten sollte, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken.

»Ihr seid auf einmal so still«, merkte Tyrion Lennister an. »Ist es das, was Ihr wünscht? Ein Ende Eures Verlöbnisses?«

»Ich …« Noch immer wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Ist das eine List? Wird er mich bestrafen, wenn ich die Wahrheit sage? Sie betrachtete die vorgewölbten Brauen des Zwergs, das harte schwarze und das scharfsinnige grüne Auge, die schiefen Zähne und den drahtigen Bart. »Ich will nur treu sein.«

»Treu«, wiederholte der Zwerg nachdenklich, »und weit von den Lennisters entfernt. Ich kann es Euch nicht verübeln. Als ich in Eurem Alter war, wollte ich das Gleiche.« Er lächelte. »Wie mir zu Ohren kam, besucht Ihr jeden Tag den Götterhain. Wofür betet Sansa?«

Ich bete für Robbs Sieg und Joffreys Tod … und dafür, dass ich nach Hause darf. Nach Winterfell. »Ich bete für ein Ende der Kämpfe.«

»Das werden wir bald erreicht haben. Zwischen Eurem Bruder Robb und meinem Hohen Vater wird es noch eine weitere Schlacht geben, mit der die Angelegenheit entschieden wird.«

Robb wird ihn besiegen, dachte Sansa. Er hat Euren Onkel und Euren Bruder geschlagen, und er wird auch Euren Vater schlagen.

Es war, als wäre ihr Gesicht ein aufgeschlagenes Buch, so einfach konnte der Zwerg ihre Hoffnungen davon ablesen. »Setzt nicht zu sehr auf Ochsenfurt, Mylady«, warnte er sie, wenngleich nicht in unfreundlichem Ton. »Eine Schlacht macht noch keinen Krieg, und mein Hoher Vater ist gewisslich nicht mit meinem Onkel Steffert zu vergleichen. Bei Eurem nächsten Besuch im Götterhain betet dafür, dass Euer Bruder die Weisheit besitzt, das Knie zu beugen. Sobald der Norden sich wieder dem Frieden des Königs fügt, beabsichtige ich Euch heimzuschicken.« Er hüpfte von der Fensterbank. »Ihr könnt heute Nacht hier schlafen. Ich werde Euch einige meiner eigenen Männer als Wache abtreten, ein paar Felsenkrähen vielleicht …«

»Nein«, entfuhr es Sansa. Wenn sie im Turm der Hand eingesperrt war und von den Männern des Zwerges bewacht wurde, wie sollte Ser Dontos ihr jemals zur Freiheit verhelfen?

»Würdet Ihr die Schwarzohren bevorzugen? Ich gebe Euch Chella, wenn Ihr Euch in Gegenwart einer Frau wohler fühlt?«

»Bitte, nein, Mylord, die Wildlinge machen mir Angst.«

Er grinste. »Mir auch. Aber besser noch, sie machen Joffrey und diesen hinterhältigen Vipern und speichelleckerischen Hunden Angst, die er seine Königsgarde nennt. Wären Chella oder Timett bei Euch, würde niemand wagen, Euch auch nur ein Haar zu krümmen.«

»Ich würde lieber wieder in mein eigenes Bett zurückkehren. « Plötzlich fiel ihr eine Lüge ein, die so richtig erschien, dass sie herausplatzte: »In diesem Turm wurden die Männer meines Vaters niedergemetzelt. Ihre Geister würden mir schreckliche Albträume verursachen, und ich würde Blut sehen, wohin ich auch schaue.«

Tyrion Lennister musterte ihr Gesicht. »Albträume sind mir nicht fremd, Sansa. Vielleicht seid Ihr klüger, als ich dachte. Aber erlaubt mir wenigstens, Euch sicher zu Euren Gemächern zurückzugeleiten.«

CATELYN

Bis sie das Dorf gefunden hatten, war es vollständig dunkel. Catelyn fragte sich, ob der Ort wohl einen Namen hatte. Falls dem so war, hatten seine Bewohner dieses Wissen bei der Flucht samt ihren Habseligkeiten mitgenommen, sogar die Kerzen in der Septe hatten sie nicht zurückgelassen. Ser Wendel zündete eine Fackel an und führte Catelyn durch die niedrige Tür.

Im Inneren waren die sieben Mauern schief und von Rissen durchzogen. Gott ist eins, hatte Septon Osmynd ihr als jungem Mädchen beigebracht, doch hat er sieben Aspekte, so wie die Septe ein Gebäude mit sieben Wänden ist. In den reichen Septen der Städte stand jeweils eine Statue von jedem der Sieben und davor ein Altar. In Winterfell hatte Septon Chayle geschnitzte Masken an jeder Wand aufgehängt. Hier gab es nur grobe Kohlezeichnungen. Ser Wendel steckte die Fackel in einen Halter und ging hinaus, um mit Robar Rois zu warten.

Catelyn betrachtete die Gesichter. Der Vater war wie immer bärtig. Die Mutter lächelte liebevoll und behütend. Unter dem Gesicht des Kriegers war das Schwert gezeichnet, unter dem Schmied der Hammer. Die Jungfrau war wunderschön, und das Alte Weib runzlig und weise.

Und das siebte Gesicht … der Fremde war weder männlich noch weiblich und doch beides, stets der Ausgestoßene, der Wanderer von fernen Orten, mehr oder weniger menschlich, unbekannt und unerkennbar. Hier war sein Antlitz ein schwarzes Oval, ein Schatten mit Sternen als Augen. Catelyn fühlte sich unbehaglich. In dieser Septe würde sie nur kargen Trost finden.

Sie kniete vor der Mutter. »Mylady, betrachte diese Schlacht mit den Augen einer Mutter. Sie sind alle Söhne, jeder Einzelne. Verschone sie, wenn du kannst, und verschone auch meine eigenen Söhne. Halte Wache über Robb und Bran und Rickon. Wenn ich bloß bei ihnen sein könnte.«

Durch das linke Auge der Mutter verlief ein Riss in der Wand. Er gab ihr den Anschein, als würde sie weinen. Catelyn hörte von draußen Ser Wendels dröhnende Stimme und hin und wieder Ser Robars leise Antworten. Die beiden unterhielten sich über die bevorstehende Schlacht. Haben deine alten Götter dir jemals geantwortet, Ned?, fragte sie sich im Stillen. Wenn du vor dem Herzbaum knietest, haben sie dich angehört?

Das Flackern der Fackeln tanzte auf den Wänden und ließ die Gesichter fast lebendig wirken, verzerrte sie, veränderte sie. Die Statuen in den großen Septen der Städte trugen stets jene Gesichter, die die Steinmetze ihnen verliehen hatten, doch diese einfachen Kohlezeichnungen mochten wer weiß wen darstellen. Der Vater erinnerte sie an ihren eigenen Vater, der auf Schnellwasser im Sterben lag. Der Krieger war Renly und Stannis, Robb und Robert, Jaime Lennister und Jon Schnee. Sie entdeckte sogar Arya in den Zügen, wenngleich nur für einen Augenblick. Dann fuhr ein Windstoß durch die Tür, die Fackel verlosch beinahe, und die Ähnlichkeit war verschwunden, im orangefarbenen Schein verloren.

Der Rauch brannte ihr in den Augen. Sie rieb sie mit den Ballen ihrer vernarbten Hände. Als sie erneut die Mutter betrachtete, erkannte sie ihre eigene Mutter. Lady Minisa Tully war bei der Geburt von Lord Hosters zweitem Sohn im Kindbett gestorben, zusammen mit dem Säugling. Vater war danach nicht mehr derselbe gewesen. Sie war immer so ruhig, dachte Catelyn und erinnerte sich an die sanften Hände ihrer Mutter und an ihr warmes Lächeln. Wie anders wäre unser Leben verlaufen, wäre sie nicht gestorben. Sie fragte sich, was Lady Minisa wohl denken mochte, wenn ihre älteste Tochter hier vor ihr kniete. Ich bin so viele Meilen weit gereist, und wofür? Wem habe ich damit einen Dienst erwiesen? Ich habe meine Töchter verloren, Robb will meinen Rat nicht mehr, und Bran und Rickon halten mich wahrscheinlich für eine kalte und schlechte Mutter. Ich war nicht einmal bei Ned, als er starb …