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Sie hatten gescherzt und sogar gesungen, als sie gekommen waren. Die drei Bäume von Tallhart hatten über ihnen geflattert, während Kaninchenfelle dümmlich von den Spitzen der Lanzen hingen. Die Bogenschützen hinter dem Stechginster hatten das Lied mit dem Zischen ihrer Pfeile gestört, und Theon selbst hatte seine Waffenbrüder angeführt, um das Gemetzel mit Dolch, Axt und Streithammer zu beenden. Er hatte befohlen, ihren Anführer zu verschonen, damit man ihn hinterher verhören könne.

Nur hatte er nicht Benfred Tallhart erwartet.

Dessen schlaffer Körper wurde gerade aus der Brandung gezogen, als Theon zu seiner Seehure zurückkehrte. Die Masten seiner Langschiffe hoben sich scharf vom Himmel ab. Von dem Fischerdorf war nur kalte Asche geblieben, die stank, wenn es regnete. Die Männer waren den Schwertern zum Opfer gefallen, außer einigen wenigen, denen Theon die Flucht gestattet hatte, auf dass sie die Kunde nach Torrhenschanze brachten. Ihre Frauen und Töchter wurden zu Salzweibern erklärt, jedenfalls jene, die jung und hübsch genug waren. Die Alten und Hässlichen hatte man schlicht vergewaltigt und getötet oder versklavt, wenn sie besondere Fertigkeiten beherrschten und keine Schwierigkeiten zu machen drohten.

Theon hatte auch diesen Angriff geplant, hatte seine Schiffe in der kalten Dunkelheit vor der Dämmerung an die Küste gebracht und war mit der Streitaxt in der Hand vom Bug an Land gesprungen, um seine Männer in das schlafende Dorf zu führen. Ihm gefiel das alles nicht, doch was sollte er tun?

Seine drei Mal verfluchte Schwester segelte auf ihrer Schwarzer Wind gen Norden, um sich eine eigene Burg zu erobern. Lord Balon hatte nicht zugelassen, dass die Nachricht von dem Heer, das die Eiseninseln verließ, nach außen drang, und Theons blutiges Werk entlang der Steinigen Küste würde Piraten zugeschrieben werden. Die Nordmannen würden die wahre Gefahr verkennen, bis die Hämmer auf Tiefwald Motte und Maidengraben herabsausten. Und wenn alles vorbei ist und wir den Sieg davongetragen haben, werden sie diese Hure Asha in Liedern preisen und mich vergessen. Allerdings nur, wenn er das zuließ.

Dagmer Spaltkinn stand am hochgezogenen Bug seines Langschiffes Gischttrinker. Theon hatte ihm die Aufgabe zugewiesen, die Schiffe zu bewachen, sonst hätten die Männer Dagmer für den Sieg gefeiert, nicht ihn. Ein empfindlicherer Mann hätte das als Herabsetzung betrachtet, doch Spaltkinn hatte nur gelacht.

»Der Tag ist unser«, rief Dagmer herunter. »Und dennoch lächelst du nicht, Junge. Die Lebenden sollten lächeln, denn die Toten können es nicht mehr.« Er lächelte selbst, um ihm zu zeigen, wie man das machte. Es war ein entsetzlicher Anblick. Unter einer schneeweißen Haarmähne trug Dagmer Spaltkinn die fürchterlichste Narbe, die Theon je gesehen hatte, das Vermächtnis einer Langaxt, die ihn als Junge beinahe getötet hatte. Der Hieb hatte Dagmer das Kinn und die Vorderzähne zertrümmert und ihm vier Lippen beschert, wo andere nur zwei hatten. Ein zotteliger Bart wuchs ihm auf Wangen und Hals, jedoch nicht über der Narbe, und so zerteilte ein Streifen knotigen Fleisches das Gesicht wie eine Gletscherspalte einen Schneehang. »Wir haben sie singen gehört«, sagte der alte Krieger. »Es war ein hübsches Lied, und sie haben es tapfer gesungen.«

»Sie konnten besser singen als kämpfen. Harfen hätten ihnen genauso viel genutzt wie Lanzen.«

»Wie viele Männer sind gefallen?«

»Von unseren?« Theon zuckte die Achseln. »Todric. Ich habe ihn getötet, weil er sich betrunken hat und um die Beute stritt.«

»Manche Männer sind zum Sterben geboren.« Ein geringerer Mann hätte sich vielleicht geschämt, dieses entsetzliche Lächeln zu zeigen, doch Dagmer grinste häufiger und breiter, als Lord Balon es jemals getan hatte.

Wenngleich das Lächeln hässlich war, beschwor es doch hundert Erinnerungen herauf. Theon hatte es in seiner Kindheit so oft gesehen, wenn er mit einem Pferd über eine moosige Mauer sprang oder eine Axt schwang und ein Ziel in zwei Hälften spaltete. Er hatte es gesehen, wenn er einen Hieb von Dagmers Schwert abwehrte, wenn er eine Möwe mit einem Pfeil in den Flügel traf, wenn er das Ruder ergriff und ein Langschiff sicher durch Gischt umschäumte Felsen lenkte. Er hat mich öfter angelächelt als Vater und Eddard Stark zusammen. Sogar Robb … An dem Tag, an dem er Bran vor dem Wildling rettete, hatte er ein Lächeln verdient, doch stattdessen hatte man ihn gescholten wie einen Koch, der das Essen hat anbrennen lassen.

»Ich muss mit dir reden, Onkel«, sagte Theon. Dagmer war nicht sein richtiger Onkel, sondern nur ein Gefolgsmann seines Vaters, der vor vier oder fünf Generationen ein Quäntchen Graufreudblut mitbekommen hatte, und das zudem noch von der falschen Seite. Dennoch hatte Theon ihn schon immer Onkel genannt.

»Komm zu mir auf Deck.« Dagmer nannte niemanden Mylord, wenn er auf den Planken seines eigenen Schiffes stand. Auf den Eiseninseln galt jeder Kapitän an Bord seines Langschiffes als König.

Theon stieg mit vier großen Schritten über die Planken zur Gischttrinker hinauf, und Dagmer führte ihn nach hinten in die enge Kabine am Heck, wo der alte Mann sich ein Horn herben Bieres einschenkte und Theon das Gleiche anbot. Er lehnte ab. »Wir haben nicht genug Pferde erbeutet. Ein paar schon, aber … nun, ich werde wohl mit dem auskommen müssen, was wir haben. Weniger Männer bedeuten größeren Ruhm.«

»Wozu brauchten wir überhaupt Pferde?« Wie die meisten Eisenmänner kämpfte Dagmer lieber zu Fuß oder vom Deck eines Schiffes aus. »Pferde scheißen uns nur auf die Planken und stehen im Weg herum.«

»Wenn wir segeln würden, ja«, räumte Theon ein. »Ich habe jedoch einen anderen Plan.« Er beobachtete aufmerksam, wie Dagmer das aufnahm. Ohne Spaltkinn konnte er nicht auf Erfolg hoffen. Befehlshaber hin oder her, die Männer würden ihm niemals gehorchen, wenn Aeron und Dagmer sich gegen ihn stellten – und den sauertöpfischen Priester auf seine Seite zu ziehen, hegte er nur wenig Hoffnung.

»Dein Hoher Vater hat uns befohlen, die Küste zu überfallen, mehr nicht.« Aus Augen, so bleich wie Gischt, starrte Dagmer Theon unter den buschigen weißen Brauen hervor an. Sah er Ablehnung dort, oder doch einen Funken Interesse? Das Letztere, dachte er … hoffte er …

»Du bist meines Vaters Mann.«

»Sein bester Mann, und der bin ich stets gewesen.«

Stolz, dachte Theon. Er ist eitel, das muss ich ausnutzen, sein Stolz ist der Schlüssel. »Auf den Eiseninseln gibt es keinen Mann, der so gut mit Speer und Schwert umgehen kann.«

»Du warst zu lange fort, Junge. Als du weggegangen bist, stimmte, was du sagst, aber ich bin in Lord Graufreuds Diensten alt geworden. Die Sänger nennen jetzt Andrik den Besten. Andrik den Ernsten nennen sie ihn. Ein Hüne von einem Mann. Er dient Lord Drumm von Alt Wiek. Und der Schwarze Lorren und Qarl die Jungfrau sind fast genauso Furcht einflößend.«

»Dieser Andrik ist vielleicht ein guter Kämpfer, aber die Männer fürchten ihn lange nicht so sehr wie dich.«

»Ja, das stimmt«, antwortete Dagmer. Die Finger, die das Trinkhorn hielten, waren schwer beladen mit Ringen aus Gold, Silber und Bronze, die mit riesigen Saphiren, Granaten und Drachenglas besetzt waren. Für jeden Einzelnen davon hatte er den eisernen Preis bezahlt, das wusste Theon.

»Wenn ich einen Mann wie dich in meinen Diensten hätte, würde ich seine Zeit nicht mit diesen Kindereien wie Plündern und Brandschatzen verschwenden. Das ist keine Arbeit für Lord Balons besten Mann …«