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Dagmers Lächeln zog seine Lippen auseinander und entblößte die braunen Zahnstümpfe. »Und auch nicht für seinen Sohn?« Er johlte. »Ich kenne dich zu gut, Theon. Ich habe zugeschaut, wie du Laufen gelernt hast und habe dir deinen ersten Bogen gehalten. Wenn sich hier jemand unterschätzt fühlt, dann nicht ich.«

»Dem Recht nach hätte mir das Kommando meiner Schwester zugestanden«, räumte er ein und fühlte sich unbehaglich, da ihm klar war, wie kleinlich sich das anhörte.

»Du nimmst diese ganze Sache zu ernst, Junge. Dein Hoher Vater kennt dich einfach nicht. Nachdem deine Brüder gefallen waren und du von den Wölfen entführt wurdest, war deine Schwester sein einziger Trost. Er hat gelernt, sich auf sie zu verlassen, und sie hat ihn niemals enttäuscht.«

»Ich auch nicht. Die Starks wussten um meinen Wert. Ich habe zu Brynden Schwarzfischs ausgewählten Kundschaftern gehört, und ich habe im Wisperwald in der ersten Reihe gekämpft. Beinahe hätte ich mit dem Königsmörder selbst die Klingen gekreuzt.« Theon hielt seine Hände zwei Fuß weit auseinander. »Daryn Hornwald hat sich zwischen uns gedrängt und dafür mit dem Leben bezahlt.«

»Warum erzählst du mir das?«, fragte Dagmer. »Ich war es, der dir dein erstes Schwert in die Hand gedrückt hat. Ich weiß, dass du kein Feigling bist.«

»Und mein Vater?«

Der ergraute Krieger sah aus, als habe er auf etwas gebissen, das ihm ganz und gar nicht schmeckte. »Es ist doch nur … Theon, der junge Wolf ist dein Freund, und diese Starks hatten dich zehn Jahre lang in ihren Händen.«

»Ich bin kein Stark.« Dafür hat Lord Eddard gesorgt. »Ich bin ein Graufreud, und ich will der Erbe meines Vaters sein. Wie kann ich das erreichen, wenn ich mich nicht mit einer großen Tat beweise?«

»Du bist jung. Es wird noch andere Kriege geben, und da wirst du deine Großtaten vollbringen. Im Augenblick haben wir Befehl, die Steinige Küste zu plündern.«

»Soll das doch mein Onkel Aeron erledigen. Gebt ihm sechs Schiffe, alle außer der Gischttrinker und der Seehure, und er kann zu Ehren seines Gottes die ganze Küste niederbrennen. «

»Der Befehl wurde dir erteilt, nicht Aeron Feuchthaar.«

»Was macht das schon für einen Unterschied, solange nur geplündert wird? Keinem Priester würde das gelingen, was ich zu tun beabsichtige und worum ich Euch bitte. Ich habe etwas vor, das nur Dagmer Spaltkinn vollbringen kann.«

Dagmer trank einen großen Schluck Bier. »Na, dann erzähl mal.«

Er ist interessiert, dachte Theon. Dieses Brandschatzen bereitet ihm auch keine Freude. »Wenn meine Schwester eine Burg einnehmen kann, kann ich das auch.«

»Asha hat vier oder fünf Mal so viele Männer.«

Theon gestattete sich ein verschlagenes Lächeln. »Aber wir haben vier Mal so viel Verstand und fünf Mal so viel Mut.«

»Dein Vater …«

»… wird mir dankbar sein, wenn ich ihm sein Königreich übergebe. Ich habe etwas vor, über das die Harfenspieler noch in tausend Jahren singen werden.«

Damit konnte er Dagmer ködern. Ein Sänger hatte ein Lied über die Axt verfasst, die Dagmer das Kinn gespalten hatte, und der alte Mann hörte es nur allzu gern. Wann immer er betrunken war, wollte er ein Lied hören, einen lauten und stürmischen Vers, der von toten Helden und tapferen Taten berichtete. Sein Haar ist weiß, seine Zähne sind verfault, aber für den Ruhm ist er noch immer zu haben.

»Und welche Rolle spiele ich in deinem Plan, Junge?«, fragte Dagmer Spaltkinn nach langer Pause, und Theon wusste, dass er gewonnen hatte.

»Furcht in die Herzen der Feinde säen, wie es nur einer mit deinem Namen kann. Ihr nehmt den größeren Teil der Männer und marschiert nach Torrhenschanze. Helman Tallhart ist mit seinen besten Männern nach Süden gezogen, und Benfred ist hier mit den Söhnen dieser Männer gefallen. Bleibt also nur noch sein Onkel Leobald mit einigen wenigen Männern.« Hätte ich Benfred verhören können, wüsste ich genau, wie wenige. »Mach kein Geheimnis aus deinem Vormarsch. Lass all die tapferen Lieder, die dir so sehr gefallen, singen. Sie sollen die Tore ihrer Burg schließen.«

»Ist dieses Torrhenschanze eine starke Festung?«

»Ziemlich stark. Die Mauern sind aus Stein, zehn Meter hoch, an jeder Ecke steht ein Turm und im Inneren ein eckiger Bergfried.«

»Steinmauern brennen nicht. Wie sollen wir die Burg einnehmen? Wir haben nicht genug Männer, um auch nur eine kleine Feste zu stürmen.«

»Ihr werdet vor den Mauern lagern und Katapulte und Belagerungsmaschinen bauen.«

»Das entspricht nicht dem Alten Weg. Hast du das vergessen? Eisenmänner kämpfen mit Schwertern und Äxten und nicht, indem sie Steine durch die Luft schleudern. Wenn man einen Feind aushungert, bedeutet das keine Ehre.«

»Leobald wird das nicht wissen. Wenn er Eure Belagerungstürme sieht, wird sein Altweiberblut erstarren, und er wird laut um Hilfe rufen. Eure Bogenschützen dürfen die Raben nicht abschießen, Onkel. Der Kastellan auf Winterfell ist ein tapferer Mann, aber im Alter ist sein Verstand ebenso unbeweglich geworden wie seine Knochen. Wenn er erfährt, dass einer der Vasallen seines Königs von dem fürchterlichen Dagmer Spaltkinn bedroht wird, ruft er seine Streitmacht zusammen und reitet Tallhart zu Hilfe. Das ist seine Pflicht. Ser Rodrik liebt nichts mehr als seine Pflicht.«

»Jede Truppe, die er ruft, wird größer sein als meine«, entgegnete Dagmer, »und diese alten Ritter sind ausgesprochen listig, sonst hätten sie ihr erstes graues Haar nicht erlebt. Du schickst uns in eine Schlacht, die zu gewinnen wir nicht hoffen dürfen, Theon. Torrhenschanze wird niemals fallen.«

Theon lächelte. »Es ist auch nicht Torrhenschanze, das ich einnehmen will.«

ARYA

Lärm und Aufregung herrschten in der Burg. Männer standen auf den Ladeflächen von Wagen und luden Weinfässer, Getreidesäcke und Bündel neuer Pfeile auf. Schmiede richteten Schwerter aus, hämmerten Beulen aus Brustpanzern und beschlugen Schlachtrösser und Packtiere. Kettenhemden wurden in Sandfässer gesteckt und über den unebenen Boden des Fließsteinhofs gerollt, um das Metall blank zu scheuern. Wies’ Frauen mussten zwanzig Umhänge flicken und hundert weitere waschen. Die Edlen und die Gemeinen versammelten sich in der Septe zum gemeinsamen Gebet. Vor den Mauern wurden Zelte und Pavillons abgebrochen. Knappen löschten die Lagerfeuer mit Wasser, während Soldaten ihre Wetzsteine hervorholten und ihre Klingen zum letzten Mal schärften. Der Lärm schwoll an wie eine Flut: Pferde schnaubten und wieherten, Lords brüllten Befehle, Soldaten fluchten, die Lagerhuren zankten sich.

Lord Tywin Lennister machte sich endlich zum Marsch bereit.

Ser Addam Marbrand war der erste Hauptmann, der aufbrach, einen Tag vor den anderen. Er machte ein Schauspiel daraus, wie er auf seinem roten Streitross, dessen Mähne die gleiche Farbe wie Ser Addams schulterlanges Haar hatte, zum Tor hinausritt. Das Pferd trug eine bronzefarbene Schabracke, die zum Umhang des Reiters passte und mit dem brennenden Baum bestickt war. Ein paar der Burgfrauen schluchzten, als er davonritt. Wies behauptete, er sei ein großartiger Reiter und Schwertkämpfer, Lord Tywins wagemutigster Kommandant.

Hoffentlich stirbt er, dachte Arya, während sie seinen Auszug und die zweireihige Kolonne hinter ihm beobachtete. Hoffentlich sterben sie alle. Sie würden gegen Robb kämpfen, das wusste sie. Aus den Gesprächen, die sie bei ihrer Arbeit belauschte, hatte sie auch von Robbs großem Sieg im Westen erfahren. Er habe Lennishort niedergebrannt, behaupteten manche, oder jedenfalls habe er das vorgehabt. Er habe Casterlystein eingenommen und alle Bewohner niedergemetzelt, oder er belagere den Goldzahn … jedenfalls war irgendetwas passiert, so viel war sicher.

Wies ließ sie von früh bis spät Botengänge erledigen. Ein paar Mal kam sie auf diese Weise sogar aus der Burg heraus, in den Schlamm und das Durcheinander des Lagers. Ich könnte fliehen, dachte sie, während ein Wagen an ihr vorbeirumpelte. Ich könnte hinten auf die Ladefläche springen und mich verstecken oder mich zu den Marketenderinnen gesellen, niemand würde mich aufhalten. Vermutlich hätte sie es auch getan, wäre Wies nicht gewesen. Er erzählte ihnen immer wieder, was er mit jedem anstellen würde, der einen Fluchtversuch wagte. »Ihr werdet nicht verprügelt, oh nein. Ich selbst lege überhaupt nicht Hand an euch. Ich übergebe euch dem Mann aus Qohor, dem Krüppelmacher. Vargo Hoat heißt er, und wenn er zurückkommt, schneidet er euch die Füße ab.« Vielleicht, wenn Wies tot wäre, dachte Arya … jedoch nicht, wenn er in der Nähe war. Er sah einen einfach nur an und wusste, was man dachte, zumindest behauptete er das immer.