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»Solche Geschichten würde ich nicht glauben«, erwiderte Catelyn scharf. »Mein Sohn ist kein Barbar.«

»Wie Ihr meint, Mylady. Immerhin hätte es das Tier verdient gehabt. Das ist kein gewöhnlicher Wolf, bestimmt nicht. Vom Großjon hat man gehört, dass die alten Götter des Nordens Euren Kindern diese Schattenwölfe geschickt haben.«

Catelyn erinnerte sich an den Tag, an dem ihre Jungen die Welpen im Schnee des Spätsommers gefunden hatten. Es waren fünf gewesen, drei Rüden und zwei Hündinnen, für die ehelichen Kinder des Hauses Stark … und ein sechster mit weißem Pelz und roten Augen, für Neds Bastardsohn Jon. Keine gewöhnlichen Wölfe, dachte sie. Nein, bestimmt nicht.

Nachdem sie an diesem Abend das Lager aufgeschlagen hatten, suchte Brienne sie in ihrem Zelt auf. »Mylady, Ihr seid sicher wieder bei den Euren angelangt, einen Tagesritt vor der Burg Eures Bruders. Gebt mir die Erlaubnis, Euch zu verlassen.«

Catelyn hätte eigentlich nicht überrascht sein sollen. Die keineswegs hübsch zu nennende junge Frau hatte sich im Verlauf der Reise sehr zurückgezogen und sich meist mit den Pferden beschäftigt, sie gestriegelt und ihnen Steine aus den Hufen gekratzt. Sie hatte Shadd beim Kochen geholfen und auch Wild ausgenommen und sich zudem bald als gute Jägerin erwiesen. Jede Aufgabe, die Catelyn Brienne anvertraute, erledigte sie ordentlich und ohne zu murren, und sprach man sie an, antwortete sie höflich, doch niemals unterhielt sie sich, niemals weinte oder lachte sie. Tagsüber war sie mit ihnen geritten und hatte nachts bei ihnen geschlafen, dennoch war sie keine von ihnen geworden.

Genauso ist es ihr ergangen, als sie noch bei Renly war, schoss es Catelyn durch den Kopf. Beim Fest, beim Turnier, sogar in Renlys Pavillon mit ihren Brüdern von der Regenbogengarde. Die Mauern um sie herum sind höher als die von Winterfell.

»Wenn Ihr uns verlasst, wohin werdet Ihr gehen?«, fragte Catelyn sie.

»Zurück«, antwortete Brienne. »Nach Sturmkap.«

»Allein.« Das war keine Frage.

Das breite Gesicht war wie ein stilles Wasser, es gab mit keiner Miene preis, was in den Tiefen dahinter vor sich gehen mochte. »Ja.«

»Ihr beabsichtigt, Stannis zu töten.«

Brienne schloss die dicken schwieligen Finger um das Heft ihres Schwertes. Die Waffe hatte einst ihrem König gehört. »Ich habe einen Eid geschworen. Drei Mal. Ihr habt ihn bezeugt. «

»Ja«, räumte Catelyn ein. Das Mädchen hatte den Regenbogenmantel behalten, als sie den Rest ihrer blutbefleckten Kleider fortgeworfen hatte. Briennes Habseligkeiten waren bei der Flucht zurückgeblieben, und sie war gezwungen gewesen, sich mit Stücken aus Ser Wendels nicht eben umfangreicher Garderobe zu behelfen, da sonst niemand aus der Gesellschaft so große Kleidung trug wie sie. »Einen Eid muss man halten, dem stimme ich zu, aber Stannis hat ein großes Heer um sich versammelt, und eine eigene Leibwache, die geschworen hat, ihn zu beschützen.«

»Ich fürchte mich nicht vor seiner Leibwache. Ich bin so gut wie jeder von ihnen. Wäre ich nur nie geflohen!«

»Bekümmert es Euch, dass irgendein Narr Euch einen Feigling nennen könnte?« Sie seufzte. »Renlys Tod war nicht Eure Schuld. Ihr habt ihm tapfer gedient, doch damit, ihm ins Grab zu folgen, dient Ihr niemandem.« Sie streckte die Hand aus, um dem Mädchen so viel Trost zu geben, wie eine Berührung geben konnte. »Ich weiß, wie schwer es ist …«

Brienne schüttelte ihre Hand ab. »Das weiß niemand.«

»Ihr irrt Euch«, erwiderte Catelyn scharf. »Jeden Morgen, wenn ich erwache, erinnere ich mich daran, dass Ned nicht mehr da ist. Ich kann nicht mit einem Schwert umgehen, aber deshalb träume ich trotzdem davon, nach Königsmund zu reiten, meine Hände um Cersei Lennisters weißen Hals zu legen und zuzudrücken, bis ihr Gesicht blau wird.«

›Die Schöne‹ hob den Blick, und die Augen waren das Einzige an ihr, das tatsächlich schön war. »Wenn Ihr solche Träume habt, warum wollt Ihr mich dann zurückhalten? Wegen dem, was Stannis bei der Unterredung gesagt hat?«

Ist es wirklich deswegen? Catelyn ließ den Blick über das Lager schweifen. Zwei Wachen patrouillierten mit Speeren in der Hand. »Man hat mich gelehrt, dass gute Menschen das Böse in dieser Welt bekämpfen müssen, und Renlys Tod war zweifellos etwas Böses. Doch man brachte mir ebenfalls bei, dass die Götter Könige machen und nicht die Schwerter der Menschen. Falls Stannis unser rechtmäßiger König ist …«

»Das ist er nicht. Robert selbst war nicht der rechtmäßige König, das hat sogar Renly immer gesagt. Jaime Lennister hat den rechtmäßigen König ermordet, nachdem Robert seinen rechtmäßigen Erben am Trident erschlagen hatte. Wo waren die Götter damals? Die Götter scheren sich nicht um die Menschen, genauso wenig wie Könige um ihre Untertanen. «

»Ein guter König doch.«

»Lord Renly … Seine Gnaden, er … er wäre der beste König geworden, Mylady, er war so gut, er …«

»Er ist tot, Brienne«, sagte sie, so sanft es ihr möglich war. »Stannis und Joffrey sind noch am Leben … und auch mein Sohn.«

»Er würde doch nie … Ihr würdet doch nie Frieden mit Stannis schließen, nicht wahr? Das Knie beugen? Ihr würdet nicht …«

»Ich will Euch die Wahrheit sagen, Brienne. Ich weiß es nicht. Mein Sohn mag ein König sein, aber ich bin keine Königin … nur eine Mutter, die um die Sicherheit ihrer Kinder besorgt ist.«

»Zur Mutter bin ich nicht geschaffen. Ich muss kämpfen. «

»Dann kämpft … für die Lebenden, nicht für die Toten. Renlys Feinde sind auch Robbs Feinde.«

Brienne starrte auf den Boden und scharrte mit den Füßen. »Ich kenne Euren Sohn nicht, Mylady.« Sie blickte auf. »Euch könnte ich dienen. Wenn Ihr mich nehmen würdet.«

Catelyn erschrak. »Warum ich?«

Die Frage schien Brienne Unbehagen zu bereiten. »Ihr habt mir geholfen. In dem Pavillon … als sie glaubten, ich hätte … ich hätte …«

»Ihr wart unschuldig.«

»Trotzdem hättet Ihr das nicht zu tun brauchen. Ihr hättet zusehen können, wie sie mich töten. Was habe ich Euch schon bedeutet?«

Vielleicht wollte ich nur nicht die Einzige sein, die das dunkle Geheimnis dessen kennt, was dort geschehen ist, dachte Catelyn. »Brienne, ich habe im Laufe der Jahre viele hochgeborene Damen in meinen Diensten gehabt, jedoch nie jemanden wie Euch. Ich bin keine Heerführerin.«

»Nein, aber dennoch besitzt Ihr Mut. Wenn auch nicht den Mut, den die Schlacht erfordert … ich weiß nicht … eher eine Art weiblichen Mut. Und ich glaube, wenn die Zeit gekommen ist, werdet Ihr mich nicht zurückhalten. Versprecht mir das. Dass Ihr mich nicht von Stannis zurückhalten werdet.«

Noch immer hatte Catelyn Stannis’ Worte im Ohr, auch Robb würde eines Tages an die Reihe kommen. Sie waren wie ein kalter Atemhauch in ihrem Nacken. »Wenn die Zeit kommt, werde ich Euch nicht zurückhalten.«

Das hochgewachsene Mädchen kniete unbeholfen nieder, zog Renlys Langschwert aus der Scheide und legte es Catelyn zu Füßen. »Dann gehöre ich Euch, Mylady. Ich bin Euer Gefolgsmann … oder was immer Ihr wünscht. Ich schütze Euren Rücken und beherzige Euren Rat und werde mein Leben für das Eure geben, wenn es erforderlich sein wird. Das schwöre ich bei den alten und den neuen Göttern.«

»Und ich schwöre, dass ich Euch stets einen Platz an meinem Feuer und Fleisch und Met an meinem Tisch gewähren werde, und ich verspreche Euch, keine Dienste von Euch zu verlangen, die für Euch unehrenhaft wären. Ich schwöre es bei den alten und den neuen Göttern. Erhebt Euch.« Während sie die Hände der anderen Frau mit den eigenen umfasste, musste Catelyn lächeln. Wie oft habe ich Ned zugeschaut, wenn er den Diensteid eines Lehnsmannes entgegennahm? Was er wohl sagen würde, wenn er sie jetzt sehen könnte?