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»Dann muss ich auf Pyat Pree hören und zu den Hexenmeistern gehen.«

Abrupt richtete sich der reiche Handelsherr auf. »Pyat Pree hat blaue Lippen, und es heißt, blaue Lippen sprächen nur die Unwahrheit. Beherzigt die Weisheit eines Mannes, der Euch liebt. Hexenmeister sind Wesen, die Staub fressen und Schatten trinken. Sie werden Euch nichts geben. Sie haben nichts zu geben.«

»Ich wäre nicht in der Zwangslage, die Hexenmeister um Hilfe anzugehen, wenn mein Freund Xaro Xhoan Daxos mir gäbe, um was ich ihn bitte.«

»Ich habe Euch mein Heim und mein Herz geschenkt, bedeutet Euch das gar nichts? Ich habe Euch Parfüm und Granatäpfel, verspielte Äffchen und speiende Schlangen, Schriftrollen aus dem untergegangenen Valyria, den Kopf eines Idols und einen Schlangenfuß geschenkt. Ich habe Euch diesen Palankin aus Gold und Ebenholz geschenkt und dazu ein Paar Ochsen, die ihn tragen, einer weiß wie Elfenbein, der andere schwarz wie Jett, und ihre Hörner sind mit Edelsteinen verziert.«

»Ja«, erwiderte Dany. »Und dennoch waren es Schiffe und Soldaten, die ich wollte.«

»Habe ich Euch keine Armee geschenkt, holdeste aller Frauen? Eintausend Ritter in glänzender Rüstung.«

Die Rüstung war aus Silber und Gold, die Ritter aus Jade und Beryll und Onyx und Turmalin, aus Bernstein und Opal und Amethyst, und jeder war so groß wie ihr kleiner Finger. »Eintausend hübsche Ritter«, sagte sie, »die keiner meiner Feinde fürchtet. Und meine Ochsen können mich nicht über das Meer tragen, ich … Warum halten wir an?« Die Ochsen waren deutlich langsamer geworden.

»Khaleesi«, rief Aggo durch die Vorhänge, als der Palankin ruckartig zum Stehen kam. Dany stützte sich auf den Ellbogen und lehnte sich hinaus. Sie befanden sich am Rand des Basars, und der Weg wurde ihnen von einer Mauer aus Menschen versperrt. »Was gibt es da zu sehen?«

Jhogo ritt zu ihr zurück. »Einen Feuermagier, Khaleesi.«

»Ich will ihn mir anschauen.«

»Dann kommt.« Der Dothraki bot ihr die Hand. Als sie diese ergriff, zog er sie auf sein Pferd und setzte sie vor sich, von wo sie über die Köpfe der Menge hinwegblicken konnte. Der Feuermagier hatte eine orangefarbene Leiter aus tanzenden Flammen heraufbeschworen, die sich ohne Stützen lodernd vom Boden bis hinauf zum Gitterwerk des hohen Daches erstreckte.

Die meisten Zuschauer, so fiel ihr auf, waren nicht aus der Stadt; sie sah Seeleute von Handelsschiffen, Händler, die mit Karawanen eingetroffen waren, staubige Kerle aus der Roten Wüste, umherziehende Soldaten, Handwerker, Sklavenjäger. Jhogo legte eine Hand um ihre Taille und beugte sich vor. »Die Milchmenschen meiden ihn. Khaleesi, siehst du das Mädchen mit dem Filzhut? Dort hinter dem fetten Priester. Sie ist eine …«

»Beutelschneiderin«, beendete Dany den Satz. Sie war keine verhätschelte Lady, die von solchen Dingen nichts wusste. In den Straßen der Freien Städte hatte sie während der Jahre, die sie dort mit ihrem Bruder verbracht hatte, während sie vor den Mördern des Usurpators flohen, Beutelschneider zuhauf gesehen.

Der Magier vollführte eine Geste und schob die Flammen mit weiten Bewegungen der Arme höher und höher. Während die Zuschauer den Kopf weit in den Nacken legten, schlichen die Taschendiebe durch die Menge und hielten kleine Messer in den Händen verborgen. Sie erleichterten die Wohlhabenden mit der einen Hand um ihre Münzen, derweil sie mit der anderen nach oben zeigten.

Als die feurige Leiter fast fünfzehn Meter in die Höhe ragte, sprang der Magier hinauf und kletterte flink wie ein Affe daran hoch. Jede Sprosse, die er berührte, löste sich hinter ihm auf und hinterließ nicht mehr als einen zarten silbernen Rauchschleier. Oben angelangt, war die Leiter verschwunden, und ebenso der Magier.

»Ein hübscher Trick«, verkündete Jhogo voller Bewunderung.

»Das war kein Trick«, sagte eine Frau in der Gemeinen Zunge.

Dany hatte Quaithe bislang nicht bemerkt, doch da stand sie, und hinter der rot lackierten Maske glänzten ihre Augen feucht. »Was meint Ihr, Mylady?«

»Vor einem halben Jahr konnte dieser Mann kaum Feuer in Drachenglas erwecken. Er besaß ein wenig Geschick mit Pülverchen und Seefeuer, und es reichte gerade, um die Menge abzulenken, während seine Beutelschneider hindurchschlichen. Er konnte über heiße Kohlen laufen und brennende Rosen in der Luft erblühen lassen, aber eine flammende Leiter hinaufklettern konnte er ebenso wenig, wie ein Fischer mit seinem Netz einen Kraken fangen kann.«

Unbehaglich betrachtete Dany die Stelle, an der die Leiter in die Höhe geragt hatte. Sogar der Rauch war nun verflogen, und die Menge löste sich auf, ein jeder ging wieder seinen Geschäften nach. In einigen Augenblicken würde so mancher entdecken, dass sein Geldbeutel flach und leer war. »Und jetzt?«

»Und jetzt wachsen seine Kräfte, Khaleesi. Und zwar Euretwegen. «

»Meinetwegen?« Sie lachte. »Wie kann das sein?«

Die Frau trat an sie heran und legte zwei Finger auf ihr Handgelenk. »Ihr seid die Mutter der Drachen, stimmt das nicht?«

»Das ist sie, und keine Brut der Schatten darf sie berühren. « Jhogo stieß Quaithes Finger mit dem Griff seiner Peitsche fort.

Die Frau wich einen Schritt zurück. »Ihr müsst diese Stadt bald verlassen, Daenerys Targaryen, oder man wird Euch überhaupt nicht mehr gestatten fortzugehen.«

An der Stelle, die Quaithe berührt hatte, kribbelte Danys Haut. »Wohin soll ich denn gehen?«, fragte sie.

»Um nach Norden zu gelangen, müsst Ihr nach Süden ziehen. Um nach Westen zu kommen, geht nach Osten. Um vorwärts zu gelangen, geht rückwärts, und um das Licht zu berühren, müsst Ihr unter dem Schatten hindurchziehen.«

Asshai, dachte Dany. Sie schickt mich nach Asshai. »Werden mir die Asshai’i eine Armee geben?«, wollte sie wissen. »Finde ich Gold in Asshai? Oder Schiffe? Was gibt es in Asshai, das ich in Qarth nicht bekomme?«

»Die Wahrheit«, sagte die Frau in der Maske, verneigte sich und wich in die Menge zurück.

Rakharo schnaubte verächtlich durch seinen langen Schnurrbart. »Khaleesi, eher sollte ein Mann Skorpione schlucken, als der Brut der Schatten zu trauen, die es nicht wagen, ihr Antlitz im Licht der Sonne zu zeigen. Das ist bekannt. «

»Das ist bekannt«, stimmte Aggo zu.

Xaro Xhoan Daxos hatte die Unterhaltung von seinen Kissen aus mitverfolgt. Nachdem Dany wieder in den Palankin gestiegen war, sagte er: »Eure Wilden sind weiser, als sie es selbst wissen. Die Wahrheiten, welche die Asshai’i anhäufen, werden Euch nicht zum Lächeln bringen.« Daraufhin drückte er ihr noch einen Kelch Wein in die Hand und sprach über Liebe und Lust und andere Nebensächlichkeiten, bis sie in seinem Haus angelangt waren.

In der Stille ihres Zimmers zog Dany die prächtigen Kleider aus und legte eine weite Robe aus purpurfarbener Seide an. Ihre Drachen waren hungrig, daher schnitt sie eine Schlange klein und röstete die Stücke über der Kohlenpfanne. Sie wachsen, bemerkte sie, während sie ihnen zusah, wie sie nach dem knusprigen Fleisch schnappten und sich darum stritten. Inzwischen wiegen sie mindestens doppelt so viel wie in Vaes Tolorro. Trotzdem würde es noch Jahre dauern, bis sie groß genug waren, um in den Krieg zu ziehen. Und ausgebildet werden müssen sie auch, sonst legen sie mein ganzes Königreich in Schutt und Asche. Und obwohl das Blut der Targaryen in ihren Adern floss, hatte Dany nicht die geringste Ahnung, wie man einen Drachen ausbildete.

Ser Jorah Mormont kam gegen Sonnenuntergang zu ihr. »Die Reingeborenen haben Euch abgewiesen?«

»Wie Ihr es vorausgesagt habt. Kommt, setzt Euch und gebt mir Euren Rat.« Dany zog ihn auf das Kissen neben sich, und Jhiqui brachte ein Schälchen mit purpurnen Oliven und in Wein eingelegten Zwiebeln.

»In dieser Stadt werdet Ihr keine Hilfe finden, Khaleesi.« Ser Jorah nahm eine Zwiebel zwischen Daumen und Zeigefinger. »Jeden Tag bin ich davon mehr überzeugt als am Tag zuvor. Die Reingeborenen blicken nur bis zu den Mauern von Qarth, und Xaro …«