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Er ging los, ohne auf Garth zu warten. Das Heulen des Windes wurde zu einem meckernden Hohngelächter in seinen Ohren, während er sich der Ruine des Turmes näherte.

Von außen betrachtet, war der Turm ein Monument gewesen, ein Monstrum aus Stein und erstarrter Zeit, selbst jetzt, wo er zum größten Teil zerstört und sein Fels selbst zu einem Teil der Wüste geworden war, noch gigantisch. In seinem Inneren war er ein Grab. Sie hatten die Pferde im Schütze eines halb eingestürzten zweistöckigen Gebäudes wenige Schritte abseits abgestellt, ihnen die Sättel abgenommen und ihnen einen Großteil ihres verbliebenen Wassers gegeben. Torian hatte kein gutes Gefühl dabei gehabt. Auch wenn der Fluß nur wenige Stunden entfernt war, waren sie doch mitten in der Wüste, und ihr Weg würde sie noch tiefer in sie hineinführen. Vielleicht würden sie jeden Schluck, den sie jetzt an die Tiere verschwendeten, schmerzlich vermissen. Aber sie waren auch auf die Pferde angewiesen. Wenn eines der Tiere starb, bevor sie die Wüste durchquert hatten, dann war das auch das Todesurteil für seinen Reiter.

Der Zugang zum Turm war wie alle Türen der Alten ein wenig zu niedrig für einen normal gewachsenen Mann, und er war zudem halb mit Sand zugeweht, so daß sie mehr hindurchkrochen als –gingen. Der Wind hatte den Sand ein Stück weit in den Turm hineingetragen, und die Luft war so trocken, daß Torian nur mit Mühe ein Husten unterdrücken konnte. Selbst hier drinnen war es noch unangenehm warm, aber die Ruine versprach wenigstens Schutz vor dem Sand und der unmittelbaren Glut der Sonne.

Hinter dem halb zugewehten Eingang befand sich ein kurzer Gang, der so niedrig war, daß selbst Torian leicht vornübergebeugt gehen mußte, um nicht mit dem Helm am rauhen Stein der Decke entlangzuschrammen. Nach der grellen Helligkeit der Wüste erschien ihm das Dämmerlicht hier drinnen dunkel wie die Nacht. Torian blieb stehen, nur soweit aufrecht, wie es die niedrige Decke zuließ, und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen. Der Sand, der selbst unter seine Lider gekrochen war, schmerzte höllisch, aber als die farbigen Kreise vor seinen Augen verschwanden, konnte er wieder sehen.

Garth war dicht hinter ihm in den Gang gekrochen und richtete sich beinahe schnaubend auf. Seine breitschultrige Gestalt füllte den Gang fast zur Gänze aus, und das grelle Licht, das hinter ihm durch die Tür fiel, ließ sie zu einem flachen, tiefenlosen Schatten werden. Neugierig sah sich Torian um. Der Gang war kahl; Wände, Fußboden und Decke bestanden aus dem gleichen braungrauen Fels, aus dem auch seine Außenmauern errichtet waren, und unmittelbar unter der Decke war eine regelmäßige Linie rechteckiger Aussparungen zu sehen; Löcher, in denen vielleicht früher einmal Balken gewesen waren. In den Wänden befanden sich ovale, mit Metall verstärkte Vertiefungen, über denen der Stein schwarz war: die Halterungen von Fackeln, die hier einmal gebrannt hatten, und selbst im unsicheren Dämmerlicht waren die Spuren früher Bemalungen zu erkennen. Torian vermochte nicht zu sagen, was sie dargestellt hatten. Die Farben waren verblaßt und verschmolzen mit der natürlichen Maserung des Steines. Aber er wollte es auch gar nicht wissen. Das Gefühl der Unruhe in ihm hatte sich nicht gelegt im Gegenteil. Er kam sich vor wie in einer Falle. Aber vielleicht war es auch nur die Hitze und die Enge des Raumes, die ihn nervös machten. Er hatte kleine Räume niemals gemocht. Wortlos wartete er, bis Garth an seine Seite getreten war, wandte sich um und ging weiter. Dem Gang folgte eine kurze, steil in die Höhe führende Treppe, die zu einem gewaltigen, sechseckigen Raum führte, drei Manneslängen hoch und erfüllt von dämmerigem Zwielicht. Er mußte sich fast über die gesamte Grundfläche des Turmes erstrecken, und durch die Fenster, von denen es – mit Ausnahme der Seite, an der sie standen – in jeder Wand zwei gab, fiel flirrender Sonnenschein herein. Aber irgend etwas war mit diesem Licht nicht so, wie es sein sollte, dachte Torian unsicher. Es schien gleich hinter den Fenstern an Leuchtkraft zu verlieren, als würde es aufgesaugt. Das Jahrtausend der Finsternis, das hier geherrscht hatte, verschlang es wie der Staub der Wüste die Wassertropfen.

»Was ist das hier?« flüsterte Torian. Unwillkürlich hatte er die Stimme gesenkt, fast als fürchte er, durch zu lautes Reden die Geister der Vergangenheit zu wecken.

»Keine Ahnung«, murmelte Garth. »Wir haben hier gelagert. Wozu dieser Raum gedient hat, weiß ich so wenig wie du.«

Torian sah sich mit gemischten Gefühlen um. Seine Augen begannen sich langsam besser an das graue Zwielicht zu gewöhnen, und er erkannte mehr Einzelheiten. Auf dem Boden lag Staub, aber längst nicht so viel, wie er erwartet hatte, und die Spuren der dreimal hundert Mann, die vor wenigen Tagen hier gelagert hatten, waren überall zu sehen. Es roch nach Sand und heißem Stein, aber auch ganz leicht nach Fäkalien und Schweiß. Der Raum gefiel ihm nicht, so wenig wie die Ruine und diese ganze verfluchte Stadt. Aber es war kühl hier drinnen, und die Mauern gaben ihnen Schutz vor dem allgegenwärtigen Sand, der sich draußen in ihren Haaren und Kleidern festgesetzt hatte und ihre Haut wundrieb.

Zögernd trat er einen Schritt in den Raum hinein, blieb erneut stehen und sah sich aufmerksam um. Garth hatte die Wahrheit gesagt. Die Männer aus Tremon hatten hier gelagert. Überall entdeckte er Abfälle, auch Teile von Kleidern und Waffen, die die Krieger vergessen oder für unbrauchbar gehalten und zurückgelassen hatten. Nur von den versprochenen Nahrungsmitteln war keine Spur zu sehen.

Er stellte eine entsprechende Frage. Garth sah sich einen Herzschlag lang suchend um, deutete dann auf die gegenüberliegende Seite des Raumes und eilte mit weit ausgreifenden Schritten los. Zwischen Staub und Abfällen standen drei große, mit wuchtigen eisernen Beschlägen versehene Kisten. Auf ihren Deckeln prangte das Siegel von Tremon, ein Adler, der sich mit weit ausgebreiteten Schwingen auf eine nicht genau erkennbare Beute stürzte. Garth gab einen fast erleichtert klingenden Laut von sich, trat dicht an eine der Kisten heran und versuchte, den Deckel zu öffnen. Es gelang ihm nicht. Er konnte nur eine Hand benutzen, und seine verletzte Schulter hinderte ihn daran, seine gewaltige Kraft zum Einsatz zu bringen. Sein Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung, aber der Kistendeckel rührte sich nicht um einen Fingerbreit. »Warte!« rief ihm Torian rasch zu. »Ich helfe dir.« Er trat neben Garth, ergriff einen der schweren eisernen Ringe, von denen es zwei an jeder Seite des Deckels gab, und zerrte mit aller Macht daran.

Der Deckel öffnete sich ein Stück weit und kam knarrend zum Stehen. Garth runzelte unwillig die Stirn, spreizte die Beine und wollte es erneut versuchen, aber Torian hielt ihn mit einer raschen Handbewegung zurück. Langsam umrundete er die Kiste und beugte sich zu den Scharnieren hinunter. »Wie ich es mir dachte«, murmelte er. »Sie sind verrostet. Wir brauchen etwas, womit wir sie aufbrechen können.«

Garth sah sich unentschlossen um, ging ein paar Schritte in den Raum hinein und kam mit einer armlangen, verbogenen Eisenstange zurück. Torian nahm sie schweigend entgegen, rammte ihr Ende unter eines der verrosteten Scharniere und spannte die Muskeln. Das Eisen ächzte hörbar, und für einen Moment sah es so aus, als würde die Kiste auch diesem Angriff standhalten. Dann zersprang das Scharnier mit einem peitschenden Knall; der Kistendeckel knirschte, rutschte zur Seite und fiel polternd zu Boden. Torian wankte mit einem unterdrückten Keuchen zurück. Aus der Kiste drang ein wahrhaft atemberaubender Schwall süßlichen Fäulnisgeruches, gefolgt von einer Wolke summender, daumennagelgroßer Aasfliegen. Etwas Schwarzes, Häßliches mit zu vielen Beinen und einem schleimigen Saugrüssel huschte davon und verschwand quiekend in den Schatten.

Torian beugte sich über die Kiste, starrte einen Moment auf ihren Inhalt und hielt sich demonstrativ die Nase zu.

»Ich glaube, ich habe doch auf der richtigen Seite unterschrieben«, stellte er naserümpfend fest. »Die Verpflegung der tremonischen Heere läßt zu wünschen übrig – vorsichtig ausgedrückt.«